Project Details
Bundesweite Vollerhebung zu Gesundheitsförderung und Prävention in Pflegeschulen
Dr. Jaqueline Bomball;
Susann Gordziel;
Dr. Svenja Schmitt;
Aylin Schwanke;
Dr. Martina Stöver;
Description
Problemhintergrund:
Der sich vollziehende demografische Wandel, gekennzeichnet durch eine immer älter werdende Gesellschaft, stellt insbesondere für das Gesundheitswesen eine große Herausforderung dar. Die steigende Lebenserwartung, einhergehend mit chronischen Krankheiten, Multimorbidität und einer Zunahme an demenziell erkrankten Menschen, erfordert gut ausgebildetes, engagiertes und leistungsfähiges Pflegepersonal, das diesen veränderten Anforderungen gewachsen ist und eine hohe Pflegequalität gewährleisten kann.
Die gestiegenen Ansprüche an Pflege führen bei gleichzeitig schwierigen strukturellen Rahmenbedingungen (u.a. durch die Einführung der Pflegeversicherung und der DRG's) zu enormen Anforderungen an die Berufsgruppe der Pflegenden. Folglich sind psychische und physische Höchstbelastungen berufs- und institutionsbedingt Teil des Pflegealltags [1]. Diese Überlastungen gehen wiederum mit einer Minderung der Pflegequalität einher (vgl. z. B. BGW 2007) und wirken sich somit nicht nur nachteilig auf den Gesundheitszustand und die Lebensqualität der Pflegenden, sondern gleichermaßen auf Patient:innen und Bewohner:innen aus.
Die vorherrschenden Arbeitsbedingungen in der Pflege und die damit verbundenen Belastungen bedingen einen überdurchschnittlich hohen Krankheitsstand, eine hohe Fluktuation sowie den häufigen Wunsch nach einem frühzeitigen Berufsausstieg. Den Ergebnissen der europäischen NEXT-Studie zufolge denkt in Deutschland fast jede:r fünfte Pflegekraft daran, ihren Beruf zu verlassen (vgl. Achenbach 2005). Ein Drittel der Auszubildenden plant den Ausstieg schon innerhalb der Ausbildung und laut einer repräsentativen Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung (1992) hatten über 80% der Befragten diesen Plan innerhalb der ersten fünf Berufsjahre auch umgesetzt (Schwerdt 2005). Angesichts dieser Tendenzen und dem schlechten Image des Pflegeberufs ist in naher Zukunft ein Mangel an professionellen Pflegekräften zu befürchten. Hinzu kommt, dass im Zuge des demografischen Wandels nicht nur ein erhöhter Bedarf an Pflegefachkräften besteht, sondern dass auch die Gruppe der Pflegenden selbst immer älter wird. So waren beispielsweise im Jahr 2002 bereits 23% der Pflegekräfte in Einrichtungen der stationären Altenpflege älter als 50 Jahre (Hasselhorn et al. 2005).
Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) hat mit der Initiierung der Kampagne „Aufbruch Pflege“ auf diese Problematik reagiert, indem sie Möglichkeiten aufzeigt, wie die Gesundheit der Pflegenden in Einrichtungen der Altenpflege erhalten und gefördert werden kann und welche Rahmenbedingungen für alter(n)sgerechte Arbeitsplätze in der Pflege geschaffen werden müssen, um einen langen Verbleib im Beruf zu ermöglichen (BGW 2007). Für eine erfolgreiche Einbettung von Arbeits- und Gesundheitsschutz in die Pflegeeinrichtungen ist jedoch entscheidend, dass die Mitarbeiter:innen selbst ein Bewusstsein für diese Themen entwickelt haben und ihr eigenes Gesundheitsverhalten daran ausrichten.
Um eine frühzeitige Auseinandersetzung der Pflegenden mit Gesundheit, Gesund-heitsförderung und Prävention sowie einen nachhaltigen Transfer in die Pflegepraxis zu gewährleisten, muss die Integration entsprechender Maßnahmen idealerweise bereits in der Pflegeausbildung beginnen. Eine systematische Entwicklung diesbezüglicher Strategien, die Etablierung zielgruppenspezifischer Angebote (z.B. Rückenschule, Autogenes Training, Supervision) sowie die Einbindung gesundheitswissenschaftlicher Themen in die Pflegeausbildung bilden die Grundlage für eine Schärfung des Gesundheitsbewusstseins und folglich für einen besseren Umgang mit körperlichen und psychischen Arbeitsbelastungen [2]. Damit kann eine Pflegeschule bereits in einem frühen Stadium der beruflichen Sozialisation einen Beitrag zu einer erhöhten Arbeitszufriedenheit und einem längeren Verbleib im Pflegeberuf leisten.
Letztlich führt ein bewusster Umgang mit der eigenen Gesundheit zu einer Sensibilisierung für die Gesundheitspotenziale der Pflegeempfänger und unterstützt demzufolge eine gesundheitsorientierte und selbstständigkeitsfördernde Pflege. Dieser Ansatz wird sowohl im Krankenpflegegesetz (2004) als auch im Altenpflegegesetz (2003) ausdrücklich gefordert und insbesondere durch die neue Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpfleger:in“ unterstrichen. Eine gezielte Implementierung und Praktizierung von Gesundheitsförderung und Prävention in den Pflegeschulen könnte demnach dazu beitragen, dass sich die Auszubildenden zu Experten ihrer eigenen Gesundheit und gleichermaßen zu Gesundheitsexperten für die zu betreuenden Pflegeempfänger entwickeln (Schmitt 2006).
Zielsetzungen und methodisches Vorgehen:
Um bereits innerhalb der Pflegeausbildung und in der Pflegeschule gesundheitsförderliches Verhalten zu verankern, ist es Ziel des Vorhabens, die Voraussetzungen und Bedingungen sowie die Einstellungen zu gesundheitsförderlichen und präventiven Maßnahmen von Gesundheitsförderung und Prävention an Pflegeschulen zu erheben. Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Basisanalyse sollen bestehende Bedarfe aufgezeigt sowie zielgruppenorientierte Strategien und Maßnahmen entwickelt werden.
Zur Erreichung dieses Ziels werden folgende Maßnahmen durchgeführt:
- Erstellung einer Adressdatei bundesweiter Pflegeschulen (Gesundheits- und Krankenpflege sowie Altenpflege)
- bundesweite Erhebung bei den Pflegeschulen zu den Themen Gesundheitsförderung und Prävention an Pflegeschulen mittels eines Online-Fragebogens (Vollerhebung)
- Entwicklung von Handlungsempfehlungen zur Integration von Gesundheitsförderung und Prävention in Pflegeschulen
- zusätzliche Befragung von Pflegeauszubildenden hinsichtlich ihres Gesundheitsverhaltens sowie der Umsetzung von Gesundheitsförderung und Prävention in der Pflegeschule
Zu erwartende Ergebnisse und deren Relevanz:
Die bundesweite Erhebung an den Schulen der Gesundheits- und Krankenpflege sowie Altenpflege liefert fundierte Daten:
- zur bisherigen Umsetzung von gesundheitsförderlichen und präventiven Maßnahmen in den einzelnen Pflegeschulen,
- zur Einschätzung von Pflegelehrkräften hinsichtlich der beruflichen Relevanz von Gesundheitsförderung für Pflegekräfte in den Pflegeschulen,
- zur Integration und zum Stellenwert von Gesundheitsförderung und Prävention innerhalb der Curricula,
- zur Bereitschaft bezüglich der Einführung gesundheitsförderlicher und präventiver Maßnahmen an Pflegeschulen und
- zu den Unterstützungsbedarfen der Pflegeschulen, um Gesundheitsförderung und Prävention systematisch in die Bildungseinrichtungen zu implementieren.
[1]Gerade die Kombination aus seelischen und körperlichen Belastungen führt zu hohen Gefährdungspotenzialen und Gesundheitsrisiken. Besonders gut erforscht sind der hohe stressauslösende Belastungsanteil und das gesundheitliche Risikopotenzial für Pfleger/innen in ihrem Berufsfeld (u.a. Zimber 2000, 2003; Simon 2006; Hasselhorn u.a. 2005). Sie gelten prinzipiell als Risikogruppe für physische und psychische Beeinträchtigungen - von körperlichen Beschwerden, über Depressionen bis hin zu Burnout-Tendenzen (Zimber 2000, 2003).
[2] Innerhalb der Befragung des kooperativen Projektes „Gesundheitsförderung in der Aus- und Fortbildung in Pflegeberufen“ am (vgl. Bonse-Rohmann 2007; Grosser 2007) zeigte sich, dass Rückenbeschwerden bereits innerhalb der Ausbildung vom ersten bis zum dritten Ausbildungsjahr kontinuierlich zunehmen. Ähnliches ließ sich für die psychischen Belastungen - bedingt durch Zeitdruck und Stress – nachweisen (ebd.).