Wir sprachen mit Prof. Dr. Kirchmeier über die Potenziale von Sprachmodellen und die Prozesse des Wissenstransfers.
Antrittsvorlesungen mehr als nur ein Ritus
Seit dem 16. Jahrhundert gehören Antrittsvorlesungen zum festen Bestandteil deutschsprachiger Universitäten. Sie dienen nicht nur als Willkommensritual für neu berufene Professor:innen, sondern schaffen auch eine einzigartige Plattform, um Forschungsprojekte mit der Öffentlichkeit, Kolleg:innen und Studierenden zu teilen. In dieser Rolle werden sie zu einer Schnittstelle zwischen externer und interner Wissenschaftskommunikation. Professor Kirchmeier ordnet die Bedeutung von Wissenschaftskommunikation als zunehmend zentral ein – auch im Kontext der Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz. Nach seiner Einschätzung bieten die Geistes- und Sozialwissenschaften günstige Voraussetzungen für eine gelungene Kommunikation ihrer Forschungsgegenstände. Diese Disziplinen greifen häufig Themen auf, die eng mit gesellschaftlichen Fragestellungen oder dem menschlichen Leben verbunden sind.
„Keine Angst vor Einfachheit“
„Keine Angst vor Einfachheit“ ist laut Literaturprofessor Christian Kirchmeier ein entscheidender Aspekt für eine gelungene Wissenschaftskommunikation. Es sei notwendig, die Inhalte auf die Zielgruppe abzustimmen und dabei die Herausforderung zu meistern, komplexe Themen verständlich zu vermitteln, ohne dass sie ihre Vielschichtigkeit verlieren. Er betont, wie wichtig es ist, dass Wissenschaft nicht den Anspruch erhebt, allen Erwartungen gerecht zu werden. Auch der Einsatz von Medien spielt dabei eine Rolle: Medien können zwar die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte unterstützen, doch allein durch ihren Einsatz verbessere sich Wissenschaftskommunikation nicht automatisch. Professor Kirchmeier sieht besonders das gesprochene und geschriebene Wort als entscheidenden Faktor für gelungene Kommunikation. Social-Media-Plattformen wiederum tragen dazu bei, Wissenschaft einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, etwa durch erste Informationsangebote oder Ankündigungen akademischer Veranstaltungen. Dennoch, so Kirchmeier, dürfe Wissenschaftskommunikation nie erzwungen werden. Sie ist immer als Angebot zu verstehen, das auf Bereitschaft treffen müsse.
„Ich nutze KI fast täglich“
Neben ihren Potenzialen birgt KI jedoch auch Herausforderungen. Kirchmeier verweist auf die „Halluzinationen“ der KI – fehlerhafte Ausgaben, die auf den ersten Blick überzeugend erscheinen, jedoch falsch sind. Diese Problematik zeigt sich bislang als nicht lösbar. Zudem reproduziere KI häufig Stereotype und verstärke Vorurteile, da sie auf bestehendem Datenmaterial basiert. Ein weiteres kritisches Thema ist der Datenschutz, da die Sicherheit personenbezogener Daten oft nicht gewährleistet werden kann. Die Daten werden dabei zum Training der generativen Modelle genutzt, dass ohne das Einverständnis der Urheber:innen. Demnach ist es kaum wunderlich, dass es immer noch Berührungsängste und Hemmungen im Umgang mit den Sprachmodellen gibt. Diesen Berührungsängsten liegt laut Professor Kirchmeier eine „anthropologische Kränkung“ zugrunde – das Gefühl, dass der Mensch durch die Technologie in seiner Einzigartigkeit infrage gestellt wird. Trotz dieser Herausforderungen bleibt Professor Kirchmeier zuversichtlich: Die KI hat das Potenzial, unser „Textuniversum“ grundlegend zu verändern. Sie könnte nicht nur die autonome Forschung vorantreiben, sondern auch Arbeitsprozesse effizienter gestalten. Im Bereich des Wissenstransfers sieht er ebenfalls große Chancen, da ein stabiles Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wissenschaft eine solide Grundlage für zukünftige Entwicklungen bietet.