Forschung

Die Forschungsaktivitäten:

Explorationsprojekt ‚Bildprosa 1820-1900‘

Das Projekt erschließt ein bisher unbeobachtetes Textfeld literarischen, journalistischen und populärwissenschaftlichen Schreibens im 19. Jahrhundert. In diesem Zwischenbereich wird mit einem Katalog von Bildbegriffen auf die Ausdifferenzierung des Wissens reagiert. ‚Zeit-, Welt-, Lebensbilder’, ‚Reise- und Kulturbilder’, ‚Charakterbilder‘ und ‚Sittengemälde’‚ ‚Umrisse’, ‚Skizzen und Studien’ erfassen jeweils partiell und vorläufig den Erfahrungszuwachs im Prozess der Moderne. Sie sind der Komplexität und der Dynamik dieser Erfahrung gewidmet. Der Hinweis auf ‚Bilder’ betrifft dabei konkret auch Fragen der Anschaulichkeit und Fasslichkeit des Empirischen in Text/Bild-Relationen, zunächst v.a. in literarischen ‚Genrebildern’, mit der technischen Ermöglichung der Fotografie, dann auch in literarischen ‚Daguerreotypien’. Das Projekt rekonstruiert in Pionierarbeit den verzweigten Textbefund. In zwei Promotionsvorhaben werden Strukturmerkmale und medienästhetische Interferenzen der ‚Bildprosa‘ analysiert.


Skizzen. Poetiken des Unausgeführten 1800–1900

Dissertationsprojekt, Florian Pehlke

Das Projekt untersucht Darstellungsmodelle, Formprinzipien und Schreibweisen der Prosaskizze: Von den Texten häufig selbst so bezeichnetes ‚skizzenhaftes’, ‚flüchtiges’ Schreiben hat in der Schriftkultur des 19. Jahrhunderts Konjunktur. Es überspielt die Grenzen zwischen Journalprosa und literarischer Prosa, eignet fiktionale und faktuale Stoffe an. Das Projekt rekonstruiert vor dem interdisziplinären Hintergrund einer Kulturgeschichte der Skizze Genese und Ausprägungen einer Schreibweise, die nachgerade auf Ausführlichkeit, Kohärenz, Welthaltigkeit verzichtet, und stattdessen – angesichts komplexer Erfahrungen von Dynamisierung, Dissoziation von Einheiten – das Konstellieren dem Entfalten, den Moment dem Verlauf und das Gesehene dem Gewussten vorzieht. In Einzelanalysen sollen anhand sowohl kanonisierter (Goethe, Raabe, Walser) als auch erstmals aufzuarbeitender (Rennenkampff, Lewald, Conradi) Texte diese Poetiken des Unausgeführten in exemplarischen Stationen rekonstruiert werden.


Schwarzweißmalereien. Kontrastierungsverfahren in Journalprosa und literarischer Prosa 1810-1900

Dissertationsprojekt, Christina Wehnert

Das Dissertationsprojekt untersucht Schreibweisen, die die in der Literatur des 19. Jahrhunderts virulente Differenz zwischen subjektiviert-perspektivierten Darstellungen – die Betonung von Blickwinkeln und Standpunkten – und mimetischem Objektivitätswillen ausloten. Licht und Schatten, schwarz und weiß, hell und dunkel treten als auf der einen Seite oppositionelle, voneinander abzugrenzende, auf der anderen Seite aber einander bedingende Profilierungen auf, die die unübersichtliche Fülle disparater Gegenstände der Darstellung in eine textlich reflektierte Zusammenschau überführen. Im Vordergrund des Projekts steht in diesem Sinne die Analyse der Faktur und Funktion zumeist feuilletonistischer Texte (u.a. Stifter, Gerstäcker, Fontane): Im Aufrufen von Bildbezügen und der damit einhergehenden Entwicklung und Etablierung von Schreibweisen werden im Medium der Literatur neue Wege der Wirklichkeitsdurchdringung und -reflexion aufgezeigt und semiotische Bezüge eröffnet, die, im Falle der ‚Licht- und Schattenbilder‘, Differenzparadigmen formulieren und erproben. In den Blick genommen werden dabei auch mögliche Konsequenzen und Impulse intermedialer Wechselwirkungen, ab 1840 etwa im Kontext der Fotografie.

Goethes Romanprosa und das Problem narrativer Kohärenz

Dissertationsprojekt, Hauke Kuhlmann

Das Dissertationsvorhaben untersucht an Goethes Romanen Wilhelm Meisters Lehrjahre und Die Wahlverwandtschaften, wie angesichts der Krisenerscheinungen, die sich um und ab 1800 intensivieren (politisch, philosophisch, literaturgeschichtlich), noch kohärent erzählt werden kann. Dabei dienen die zeitgenössischen Irritationserfahrungen nicht allein als Kontrastfolie, von der sich Goethes Texte abheben: Vielmehr werden diese Irritationen in die Textanalyse mit einbezogen und mit den ebenso vielfältigen literarischen Strategien zusammengedacht, die diesen Irritationen entgegenwirken. Hierdurch soll sich ein komplexes Bild der komplexen Verfahren von Goethes Romanen ergeben, die den krisenhaften Verlust von Strukturen literarisch umsetzen und zugleich trotzdem noch versuchen, neue Strukturen - eine neue Kohärenz - auszubilden.


Das Reflexionspotential humoristischer Romanprosa in der deutschsprachigen Shandy-Rezeption zwischen 1770 und 1800

Dissertationsprojekt, ChristianSchienke

Das Projekt befasst sich mit der Untersuchung der im Gefolge von Laurence Sternes The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman (1759-67) entstehenden deutschsprachigen Romanproduktion zwischen etwa 1770 und 1800. Hauptgegenstand sind dabei Theodor Gottlieb von Hippels Lebensläufe nach aufsteigender Linie nebst Beylagen A,B,C (1778-81) und Jean Pauls Titan (1800-03). Anhand ausführlicher Textanalysen soll paradigmatisch die Genese einer Schreibweise nachgezeichnet werden, die im Zuge der Shandy-Rezeption über ihre Wurzeln im komischen Genre hinaus das Wissen der Zeit aus seinen Ordnungen herauslöst und in seiner Fähigkeit genauer Erschließung von Welt kritisch akzentuiert. Methodisch ist dieses Projekt auf die Erarbeitung von Analyseinstrumenten hin angelegt, die über eine bloße Systematisierung der dabei zum Tragen kommenden literarästhetischen Verfahren hinausgeht. Damit soll eine literaturgeschichtliche Perspektive eröffnet werden, die den wichtigen Beitrag der Texte zu den historischen Diskursen um Wissens- und Erfahrungsorganisation, Wahrnehmung und Subjektkonstitution angemessen herausstellt.

Darstellungsoptik

Bild-Erfassung und Bilderfülle in der Prosa des 19. Jahrhunderts

19.-21. November 2015, Bremen

Im Juli 2014 wurde an der Universität Bremen das 'Explorationsprojekt' Bildprosa 1820–1900 aus Mitteln der Exzellenzinitiative installiert. Es dient der Erkundung des Forschungsgebietes und dem Aufbau eines Forschungsprogramms. In diesem Kontext wird für November 2015 eine Tagung anberaumt, die Expertenwissen aus unterschiedlichen Fachgebieten zusammenführen soll. Forschungsprojekt und Tagung gründen in der Beobachtung, dass sich die Prosa des 19. Jahrhunderts in ihren journalistischen, wissenschaftlichen, populärwissenschaftlichen Extensionen verstärkt nach einem Katalog von Bildbegriffen organisiert: als 'Reise- und Kulturbilder'‚ 'Zeit-, Welt-, Lebensbilder', 'Natur- und Charakterbilder', 'Sittengemälde', 'Umrisse', 'Skizzen und Studien'... Die Entwicklung kommt maßgeblich durch die Journalprosa und den Ausbau des Zeitungswesens voran. Meist erscheinen die einschlägigen Texte zunächst in Zeitungen und Zeitschriften für ein breites und dann in Sammelausgaben für ein näher interessiertes Publikum, womit sie zwischen Aktualitäts- und Nachhaltigkeitsanspruch changieren. Schlicht schon mit dem Inflationären dieser Texte mag der Verlust an Aufmerksamkeit zusammenhängen, den diese 'Bildprosa' später erfahren hat. Heute wird sie kaum noch registriert. Die Idee eines tragfähigen Konzepts umfassender Weltschau, durch den (konstruierten) Sammelbegriff der 'Bildprosa' vielleicht noch nahegelegt, zerspringt bereits in der Bezugnahme auf unterschiedlichste Wissensgebiete und die dadurch bedingte Heterogenität.

Der ständige und i.d.R. auch titelfähige Hinweis auf 'Bilder' oder die Fülle von 'Bildern' meint tatsächlich zunächst das textliche Erfassen einzelner Zusammenhänge, für die der Anspruch auf einen stimmigen Gesamtzusammenhang suspendiert wird. Insoweit ist hier eine Partikularität des Blicks vorauszusetzen, der sich auf einzelne Sichtweisen einzuschränken weiß, um eine eben spezifische Wahrnehmung zu befördern. Solche Darstellungsoptik kann den Komplexitätszuwachs im Prozess der Moderne und dadurch bedingte Unkenntlichkeit umso mehr befördern. Sie wirkt ihm aber auch durch Bild-Erfassung entgehen. Damit gehen Visualisierungsstrategien einher, die zunehmend mediale Stützung erfahren (durch Kupferstich, Lithographie, Photographie, Mikroskopie). Durch sie wird 'Anschauung' auf unterschiedliche Weise neu modelliert. Dabei können gewichtige Trennungen in der Schriftkultur des 19. Jahrhunderts (literarisch/journalistisch, narrativ/szientifisch, fiktional/faktual, diegetisch/mimetisch) mit einem Erkundungsgestus ausgesetzt werden.


Fallgeschichten des Zufalls

Zur Epistemologie des Unvorhersehbaren in Literatur und Theorie

12.-14. September 2013, Hannover

Nähere Informationen


Turns und Trends der Literaturwissenschaft

Literatur und Wissenschaft zwischen 1850 und 1910 im Fokus aktueller Theoriebildung

Internationale Tagung für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler

2. und 3. Juli 2010, Bremen


Spielregeln barocker Prosa

Arbeitstagung der Internationalen Andreas Gryphius-Gesellschaft

10.-12. September 2009, Bochum


Literatur und der Konflikt der Religionen

Möglichkeiten und Grenzen diskursiver Praxis

20.-21. Juli 2007, Berlin

Szenographien

Von der barocken Theatralität bis zum virtuellen Raum

Workshop des Nordverbundes Germanistik (Siehe Kooperationen)

09.-10. Juli 2015, Europa-Universität Flensburg


Der Renaissancismus-Diskurs um 1900

Geschichte und ästhetische Praktiken einer Bezugnahme

Workshop des Nordverbundes Germanistik (Siehe Kooperationen)

28.-29. November 2013, Institut für deutsche Literatur/Humboldt-Universität Berlin

Nordverbund Germanistik

Der NORDVERBUND GERMANISTIK ist ein Zusammenschluss von Literaturwissenschaftler_innen nord(ost)deutscher Universitäten. Mitglieder: Thomas Althaus (Bremen); Stefanie Arend (Rostock), Matthias Bauer (Flensburg), Claudia Benthien (Hamburg), Markus Fauser (Vechta), Alexander Košenina (Hannover), Steffen Martus (Berlin [HU]), Hania Siebenpfeiffer (Greifswald).

Der NORDVERBUND dient der überregionalen Vernetzung literaturgeschichtlicher Forschung und versteht sich als Forum für den fachwissenschaftlichen Diskurs. Er organisiert Arbeitsgespräche, Workshops, Tagungen und entwickelt gemeinsame Projekte. Der Arbeitskreis ist bewusst disziplinär ausgerichtet. In einem produktiven Verhältnis von Forschungskonzentration und Forschungserweiterung werden aber auch Wissenschaftler/innen benachbarter Fächer eingeladen. Seit 2008 finden regelmäßig Veranstaltungen an den beteiligten Universitäten statt.

Arbeitsgespräche, Tagungen, Workshops:

Arbeitsgespräch I an der Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel: Wiederkehr der Frühen Neuzeit. Verfahren und Funktionen des historischen Rückbezugs in Künsten und Wissenschaften 1800 / 1900 / 2000 (16./17. Oktober 2008)

Arbeitsgespräch II an der Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel: Schnee von gestern. Konzepte und Theorieansätze der historischen Wiederkehr (7./8. Mai 2009)

Internationale Tagung: Frühe Neuzeit – Späte Neuzeit. Phänomene der Wiederkehr in Literaturen und Künsten ab 1970 (21.-23. Januar 2010, Aby-Warburg-Haus, Hamburg)

Arbeitsgespräch III an der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel: Die Zukunft in der Frühen Neuzeit. Astronauten, Utopisten, Projektemacher (5./6. Mai 2010)

Workshop am Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin: Der Renaissancismus-Diskurs um 1900: Geschichte und ästhetische Praktiken einer Bezugnahme

Workshop an der Europa-Universität Flensburg: Szenographien. Von der barocken Theatralität bis zum virtuellen Raum

Publikationen:

Themenheft ‚Schnee von Gestern. Methodische und theoretische Perspektiven historischer ,Wiederkehr‘ am Beispiel von Durs Grünbeins Descartes-Gedicht, begleitet von bisher unveröffentlichten Texten Durs Grünbeins‘. Zeitschrift für Germanistik 24 (2011), H. 2. 95 S.

Frühe Neuzeit – Späte Neuzeit. Phänomene der Wiederkehr in Literatur und Künsten ab 1970. Hg. vom Nordverbund Germanistik. Bern u.a.: Lang 2011. 236 S. (Publikationen zur Zeitschrift für Germanistik).

Weitere Informationen finden Sie auf den Seiten des Nordverbundes.