Interview mit ...

Dr. Matthias Knauer - Zentrum für Technomathematik (ZeTeM), Arbeitsgruppe Optimierung und Optimale Steuerung

Matthias Knauer arbeitet seit 2004 am Zentrum für Technomathematik (ZeTeM) der Uni Bremen. In der Arbeitsgruppe Optimierung und Optimale Steuerung optimiert er überall da, wo sich etwas bewegt: Kräne, Raumschiffe, Roboter. Damit jeder versteht, wie schön und nützlich Mathematik sein kann, erstellt er außerdem Visualisierungen am Computer und Exponate und bietet mathematische Stadtführungen an.

Wieso hast du dich für das Mathematik-Studium entschieden?

Mathematik ist mir in der Schule immer sehr leicht gefallen und ich hatte einen ziemlich strengen aber motivierenden Lehrer im Leistungskurs. Mir war dann irgendwann einfach klar, dass ich Mathematik studieren werde. 

Denkst du, du hast im Mathematik-Studium auch Fähigkeiten erlernt (abseits der mathematischen), die man in anderen Studiengängen nicht unbedingt lernt? Welche?

Auf jeden Fall wird das Durchhaltevermögen trainiert. Ich weiß, dass ich mich gut in neue Themen einarbeiten kann, die mir auf den ersten Blick vollkommen unverständlich vorkommen. Im Studium wird man auch geschult, Querverbindungen zu suchen und zu nutzen. 

In vielen Bereichen der Mathematik spielen Algorithmen und programmiertechnische Umsetzungen auch eine große Rolle, so dass man viel Erfahrung im Umgang mit Computern erhält.

Neben den Matheveranstaltungen im Diplomstudiengang hatte ich damals noch bisschen Zeit, Spanisch, Arabisch und Heraldik-Vorlesungen zu besuchen.

Siehst du das auch so, dass Mathematiker*innen „überall“ arbeiten könnten? Warum? Das wird ja auch immer bei anderen Studienfeldern (z.B. Ingenieurswissenschaften) behauptet.

Mathematiker*innen arbeiten tatsächlich in ganz vielen unterschiedlichen Branchen. Im Studium werden ja eher abstrakte Kenntnisse vermittelt, so dass man mit einem Studienabschluss noch auf keinen Anwendungsbereich festgelegt ist.

Ist das Studium trocken-theoretisch? Und dreht es sich hauptsächlich um mathematische Beweise?

In den Vorlesungen der ersten Semester werden die theoretischen Grundlagen erarbeitet, und dazu müssen auch viele Beweise durchgeführt werden. Die Dozenten versuchen aber, das ganze verständlich zu machen und auch die mathematische Kultur zu vermitteln. In den späteren Semestern kann man sich dann Vorlesungen aussuchen, die stärker in den Anwendungen sind.

Was machen Mathematiker*innen im späteren Beruf alltäglich? Sind sie den ganzen Tag nur am rechnen und/oder simulieren?

Viele meiner ehemaligen Kolleg*innen entwickeln Lösungen für Probleme und implementieren das am Computer. Das Durchführen von Simulationsrechnungen spielt auf jeden Fall eine Rolle. Manche haben auch mehr Führungsverantwortung oder allgemeine Projektverantwortung.

Was lernt man im Mathematik-Studium noch „mehr an Mathe“, als bei einem ingenieurwissenschaftlichen Studium? Und was davon braucht man auch wirklich?

In den Mathevorlesungen im ingenieurwissenschaftlichen Studium werden über vier Semester viele Techniken vorgestellt, um Standard-Probleme zu lösen. Etwas Einblick in theoretisches Denken wird auch gegeben, aber fast nichts bewiesen. Im Mathestudium gibt es viel Platz für Beweise und die Entwicklung mathematischer Algorithmen, um neue Probleme lösen zu können oder andere Lösungswege zu (er-)finden.

Was lernt man im Mathematik-Studium noch „mehr an Mathe“, als bei einem Informatik-Studium? Und was davon braucht man auch wirklich?

Im Informatik-Studium hat man nur zwei Semester Mathe. Damit gilt das gleiche, was auch für Ingenieurstudiengänge gilt.

Wieso sollte ich Mathe studieren, wenn ich auch Informatik oder etwas Ingenieurwissenschaftliches studieren kann, und dann schon „direkter“ für einen Beruf ausgebildet bin?

Ein paar meiner Studierenden aus der Mathe-für-Ingenieure-Vorlesung sind unzufrieden, wenn ich nur Ergebnisse nenne, aber keine Zeit habe, zu erklären, warum das so ist. Wenn man sein mathematisches Wissen selbst erarbeiten und echt verstehen möchte, und nicht nur auf Ergebnissen anderer aufbauen will, sollte man Mathematik studieren. 

Ist Mathematik ein „Zwischending“ zwischen mehreren Studiengängen (hauptsächlich Informatik und ingenieurwissenschaftlich)?

Nein, die Inhalte der Mathematik finden sich in dieser Tiefe nur im Mathe-Studium. Durch die Entwicklung des Computers und die heutigen Herausforderungen aus der Industrie verschiebt sich das Mathe-Studium natürlich etwas in diese Richtungen, aber der Kern ist immer noch ein eigener Studiengang.

DAS Argument, weswegen man Mathematik studieren sollte?

Weil es Spaß macht, Probleme zu lösen.

Werden Mathematiker*innen gesucht? Und meinst du das wird auch noch in fünf Jahren (wenn ich mit meinem Studium fertig sein könnte) so sein?

Konkret findet sich der Begriff „Mathematiker*in“ selten in den Stellenanzeigen. Wahrscheinlich rechnet man gar nicht damit, jemanden zu finden. Aber überall, wo Software-Entwickler*in, Naturwissenschaftler*in, Data Scientist, … steht, kann man sich sinnvoll bewerben. Die meisten Absolvent*innen haben schon vor Abschluss des Studiums eine Stelle sicher. Menschen, die sich in neue Fragestellungen einarbeiten und lösen können, werden immer gebraucht.

Dr. Hanne Ballhausen - Fraunhofer MEVIS, Institute for Digital Medicine

Wieso hast du dich für das Mathematik-Studium entschieden?

Weil mir Mathe immer viel Spaß gemacht hat und ich mehr darüber lernen wollte.

Denkst Du, Du hast im Mathematik-Studium auch Fähigkeiten erlernt (abseits der mathematischen), die man in anderen Studiengängen nicht unbedingt lernt? Welche?

Ja, z.B methodisch an Probleme heran zu gehen und Dinge erst mal auf ihre einfachste Problemstellung runter zu brechen und mich Stück für Stück dem komplexen Gesamtproblem zu nähern.

Siehst Du das auch so, dass Mathematiker*innen „überall“ arbeiten könnten? Warum? Das wird ja auch immer bei anderen Studienfeldern (z.B. Ingenieurswissenschaften) behauptet.

„Überall“ ist vielleicht übertrieben, aber die Einsatzmöglichkeiten sind tatsächlich groß. Es kommt im Studium nicht nur auf die Inhalte an, sondern es geht viel darum: wie gehe ich Probleme und Aufgaben an, welche Lösungswege gibt es und wie kann ich komplexe Dinge Stück für Stück lösen. Das sind Fähigkeiten, die universell einsetzbar sind. Im Studium lernt man eine strukturierte Arbeitsweise, die einem in vielen Bereichen hilft.

Ist das Studium trocken-theoretisch? Und dreht es sich hauptsächlich um mathematische Beweise?

Das kommt immer darauf an, wie man seine Schwerpunkte setzt. In allen Vorlesungen müssen Aufgaben gelöst werden, die dann abhängig von der Vorlesung von mathematischen Beweisen bis zu anwendungsbezogenen Programmieraufgaben alles abdecken.

Was machen Mathematiker*innen in ihrem späteren Beruf alltäglich? Sind sie den ganzen Tag nur am rechnen und/oder simulieren?

Da es nicht den Beruf des Mathematikers gibt, sind auch die Aufgaben im späteren Berufsleben sehr vielfältig. Viele Mathematiker*innen haben mit Beweisen und mathematischen Problemen nicht mehr viel zu tun, dort geht es dann eher um die Fähigkeiten des logischen und strukturierten Denkens. Und das „Rechnen“ überlassen wir gerne den Kaufleuten.

Was lernt man im Mathematik-Studium noch „mehr an Mathe“, als bei einem ingenieurwissenschaftlichen Studium? Und was davon braucht man auch wirklich?

Bei einem ingenieurwissenschaftlichen Studium geht es darum, die Techniken und mathematischen Methoden zu lernen, die später in einem ingenieurwissenschaftlichen Beruf wichtig sind. Im Mathestudium geht es um die grundlegende Idee der Mathematik: wie ist alles aufgebaut und was lässt sich alles damit machen.

Was lernt man im Mathematik-Studium noch „mehr an Mathe“, als bei einem Informatik-Studium? Und was davon braucht man auch wirklich?

Im Mathestudium geht es in erster Linie um Mathematik, im Informatikstudium geht es in erster Linie ums Programmieren und alles was dazu gehört. Und auch wenn man vielleicht im späteren Berufsleben einige eher theoretische Teile der Mathematik nicht direkt in der Anwendung hat, das Verständnis, wie die Mathematik aufgebaut ist und was hinter vielen anderen Dingen wirklich hinter steckt, hilft einem unbewusst weiter.

Wieso sollte ich Mathe studieren, wenn ich auch Informatik oder etwas Ingenieurwissenschaftliches studieren kann, und dann schon „direkter" für einen Beruf ausgebildet bin?

Mathe solltest du vor allem dann studieren, wenn du Spaß an der Mathematik hast. Wenn du jetzt eine konkrete Vorstellung von einem Beruf hast und weißt, dass dafür ein Ingenieurstudium das richtige ist, solltest du nicht Mathe studieren. Wenn du allerdings Spaß an Mathe hast und noch nicht genau weißt, wohin es dich später bringen wird, solltest du Mathe studieren. Mathe ist eine gute Grundlage für vieles andere. Und im Nebenfach kannst du ja auch schon früh Schwerpunkte für deine spätere Berufswahl setzen.

Ist Mathematik ein „Zwischending“ zwischen mehreren Studiengängen (hauptsächlich Informatik und ingenieurwissenschaftlich)?

In keinem Fall! Ich würde eher sagen, dass Mathe die Grundlage für vieles andere ist und durch die Wahl des Nebenfachs und auch der einzelnen Vorlesungen bestimmst du selber, welche weiteren Schwerpunkte du setzt und in welche Richtung das Studium geht.

DAS Argument, weswegen man Mathematik studieren sollte?

Interesse und Spaß an Mathematik

Werden Mathematiker*innen gesucht? Und meinst Du das wird auch noch in fünf Jahren (wenn ich mit meinem Studium fertig sein könnte) so sein?

Dadurch, dass Mathematiker*innen in vielen Bereichen einsetzbar sind und durch ihr strukturiertes und überlegtes Arbeiten geschätzt werden, finden sie auch in vielen Bereichen gut eine Arbeit. Es gibt allerdings kaum Stellenbeschreibungen wo direkt „Mathematiker gesucht“ drauf steht. Du solltest also offen und frei sein, dich auch in angrenzende oder gar ganz andere Bereiche einzuarbeiten. Und ich bin mir sehr sicher, dass auch in 5 oder 10 Jahren immer noch Mathematiker*innen gesucht werden, egal in welcher Branche.

Sie haben auch Mathematik studiert? Hätten Sie andere Antworten gegeben? Gerne dürfen Sie Ihre Antworten zu den Fragen an knauerprotect me ?!math.uni-bremenprotect me ?!.de schicken.