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Wiebke Rabe neue Professorin am InIIS

Wir freuen uns, Wiebke Rabe als neue Professorin für Internationale Beziehungen mit dem Schwerpunkt "Globale Ressourcenpolitik" am InIIS begrüßen zu dürfen! In einem Gespräch über globale Herausforderungen, die Rolle von China und den Wettlauf um Ressourcen stellen wir unser neues Mitglied kurz vor.

Wiebke Rabe ist seit Februar 2023 Juniorprofessorin für Internationale Beziehungen mit dem Schwerpunkt Globale Ressourcenpolitik am Institut für Interkulturelle und Internationale Studien (InIIS) an der Universität Bremen. Am InIIS forscht und lehrt sie zu Fragen der Verteilung natürlicher Ressourcen und globalen Abhängigkeiten sowie digitalen Daten als Ressource in der internationalen Politik unter besonderer Berücksichtigung der Rolle Chinas. Bevor sie ans InIIS kam, war Wiebke Rabe Juniorprofessorin für Internationale Beziehungen und Politische Ökonomie Chinas am Department of China Studies an der Xi’an Jiaotong-Liverpool University in Suzhou und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Chinastudien an der Freien Universität Berlin und an der Hertie School. Ihre Forschung erschien in internationalen Fachzeitschriften, wie Energy Policy, the Review of International Political Economy, The China Quarterly, the Journal of Contemporary Asia, International Politics and the Journal of Current Chinese Affairs. Wiebke Rabe promovierte an der Hertie School und ist Autorin des Buches „China’s Provinces Go Global: Internationalization under Guided Autonomy” (2023, Routledge).

 

Liebe Wiebke, Klimawandel, grüne Technologien und Green New Deal, Seltene Erden und Neoextraktivismus, China, geopolitischer Wandel? Die aktuelle Nachrichtenlage scheint wie gemacht zu sein für eine Professur "Globale Ressourcenpolitik", aber sie ist gleichzeitig anhand der schieren Fülle an Themen schwer zu bewältigen, ist mein Eindruck. Wie kommst Du mit dieser Themenbündelung eigentlicht zurecht?
 

Aktuell befinden wir uns in einer Zeit der ökonomischen und geopolitischen Veränderungen. Gleichzeitig sehen wir uns konfrontiert mit zahlreichen transnationalen und globalen Herausforderungen, für die es Lösungen braucht. Diese einzelnen Themenkomplexe - ob wir nun über den Klimawandel sprechen, den steigenden Bedarf an metallischen Rohstoffen für neue Technologien, oder geopolitischen Wandel - sind eng miteinander vernetzt und müssen deshalb auch gemeinsam betrachtet werden. Nehmen wir das Beispiel der grünen Technologien, wie den Ausbau von Windkraftanlagen: hier existieren starke Abhängigkeiten von Seltenen Erden aus China, deren Abbau und Gewinnung zugleich gravierende ökologische Folgen hat. Oder denken wir an die Nutzung von Wasserkraft zur Energiegewinnung durch Staudämme in Südchina und die sozialen und ökologischen Auswirkungen für Staaten stromabwärts. Wir können uns daher kaum mit nur einem dieser Themenkomplexe auseinandersetzen, wissenschaftliche Erklärungen für Prozesse und Problemstellungen anbieten, ohne die anderen Bereiche im Blick zu behalten und mitzudenken. Das ist einerseits die Herausforderung, aber genau darum geht es und genau das ist es auch, was die Universität Bremen mit ihrem interdisziplinären Ansatz so bedeutsam macht.


Nun hast Du ja China auch von beiden (oder vielleicht gibt es auch mehr als zwei Seiten, ein Phänomen zu beobachten) kennenlernen können. Was verändert sich, wenn man eine stärker "chinesische Brille" aufsetzt bei der Bewertung dieser Dynamiken?

 

Ich bin für meine Forschungstätigkeiten in der Regel mindestens einmal im Jahr auf dem chinesischen Festland und habe dort auch gearbeitet. Vor Ort zu sein ist wichtig, nicht nur um Forschungsdaten zu erheben, sondern auch um ein natürliches Gespür für dortige Veränderungen und Stimmungen zu entwickeln und zu behalten. Die Chinastudien bieten verschiedene „Brillen“ an, mit denen sich die zuvor von Ihnen genannten Themenbereiche genauer unter die Lupe nehmen lassen. Diese helfen, innenpolitische Interessenkonstellationen, wie zwischen verschiedenen politischen Ebenen – zum Beispiel zwischen den Ministerien in Peking aber auch zwischen der Zentralregierung auf der einen Seite und den Provinzen und Städten auf der anderen Seite - zu verstehen. Nehmen wir das Beispiel der „Belt and Road Initiative“, die Chinas Staatspräsident Xi Jinping 2013 erstmals unter dem „Seidenstraßenwirtschaftsgürtel“ und der „Maritimen Seidenstraße des 21st Jahrhunderts“ verkündet hat. Diese Initiative wirkt von außen betrachtet sehr zentralstaatlich gesteuert. Ein Blick „ins Innere“ zeigt uns jedoch, dass es starke Konkurrenzsituationen zwischen Provinzen und zwischen Städten gibt, die ihre eigenen Seidenstraßenverbindung etablieren wollen und hierfür finanzielle Förderung aus Peking zu erhalten versuchen mit dem Ziel, ihr lokales Wirtschaftswachstum zu steigern. In diesen Fällen geht also weniger um ein geoökonomisches oder ein geostrategisches Interesse, sondern um lokale Wirtschaftsinteressen der jeweiligen Gouverneure, Parteisekretäre oder Bürgermeister. Diese „chinesische Brille“ hilft uns also, auf differenziertere Weise die Ursprünge zahlreicher Probleme zu lokalisieren und ein nuanciertes Wissen zu generieren, das es dann auch Entscheidungsträger*innen ermöglichen kann, entsprechende Lösungen oder Antworten zu entwickeln.
 

Haben Menschen in China auch das Gefühl, dass sich am Klimawandel voraussichtlich wenig abwenden lässt? Müssen da nicht auch ähnliche Ausmerksamkeitskämpfe ausgefochten werden?

 

China ist ein Land, das immer wieder von Extremwetterereignissen heimgesucht wird und wurde - ob das nun Überschwemmungen oder Hitzeperioden verbunden mit Wasserknappheit und Dürre sind. Wir erinnern und an die verheerende Flutkatastrophe in der zentralchinesischen Provinz Henan im Jahr 2021 oder an die teilweise ausgetrockneten Flüsse und Temperaturen bis über 40 Grad im vergangenen Sommer. Neben diesen Extremwetterereignissen leben Menschen mit den Folgen von Umweltzerstörung und -verschmutzung. Was hier oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass Protestaktionen im Zusammenhang mit umweltbezogenen Entscheidungen in China nicht außergewöhnlich sind; ob es nun um Umsiedlungsprojekte für Wasserstaudämme oder den Bau eines Chemiewerkes geht. Neu ist die Tatsache, dass es im Zuge der Digitalisierung heute zusätzlich Möglichkeiten der Bürger*innenbeteiligung gibt, die zum einen staatlich gewollt und zum anderen auch von sogenannten nicht-staatlichen Organisationen und Unternehmen gefördert werden. Gerade schließe ich ein größeres Forschungsprojekt mit Kolleginnen in Berlin und Erlangen zu diesem Thema ab. Wir führten landesweite Online-Umfragen durch, die zeigen, dass diese neuen, digitalen Kanäle tatsächlich genutzt werden. Diese Möglichkeiten des Austausches finden zwar in einem politisch kontrollierten Rahmen statt und sind auch nicht für alle Bürger*innen gleichermaßen zugänglich, aber sie stellen Möglichkeiten für Bürger*innen dar, ihre Bedürfnisse zu artikulieren und auf diese Weise auch mit staatlichen Behörden zu kommunizieren. Zudem hat die chinesische Regierung zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um Umweltprobleme zu lösen; das beinhaltet zum Beispiel Aufforstungsprojekte, Begrünung von Städten und den Ausbau erneuerbarer Energien.

 


Chinesisch-amerikanische Konfrontationen und Verschärfungen werden ebenfalls sehr heftig debattiert. Wie werden dort eigentlich hiesige Debatten um "The Rise of China" wahrgenommen. Und hat sich da im letzten Jahrzehnt nicht auch einiges getan?

 

Das Thema der chinesisch-amerikanischen Konfrontationen ist eines, welches ich auch in China immer wieder als sehr präsent wahrgenommen habe. Jedoch ist der Zugang zu Debatten im Ausland innerhalb Chinas stark eingeschränkt. Nicht vollständig eingeschränkt deswegen, weil es Möglichkeiten gibt, auf ausländische Medien zuzugreifen, indem VPN Dienste verwendet wird. Das ist offiziell nicht erlaubt, inoffiziell aber weit verbreitet, zumindest in den höher gebildeten Bevölkerungsschichten. Die Staatsmedien kommunizieren „westliche“ Debatten in gefilterter und selektiver Form. In Teilen Europas und stärker noch in den USA ist „the rise of China“ mit der sogenannten „China threat theory“ verknüpft, also der Idee, dass Chinas Aufstieg ein Bedrohungspotenzial darstellt. Die Europäische Union hat China nun offiziell als systemischen Rivalen und nicht nur als einen Partner und Wettbewerber eingestuft, eine Bezeichnung, über die in Brüssel und auch in europäischen Hauptstädten inzwischen ein weit verbreiteter Konsens vorherrscht. Dieses wahrgenommene Bedrohungspotenzial kristallisiert sich zum Beispiel auch in Debatten über die chinesische Investition in ein Hamburger Hafenterminal und ganz aktuell auch in der Berichterstattung über chinesische Ballons, wie einer über den USA gesichtet und schließlich zum Absturz gebracht worden ist. China hingegen bezeichnet sich und seinen Aufstieg hingegen als friedlich, das Konzept des „peaceful rise“ und die Idee von „win-win“-Kooperation ist in der Selbstdarstellung vorherrschend. Entsprechend stellen politische Sprecher*innen europäische oder nordamerikanische Debatten über das Bedrohungspotenzial zu Chinas globalen Aktivitäten in der Regel als übertrieben dar und als einen Versuch, Chinas Aufstieg auf diese Weise eindämmen zu wollen.



Kann es denn so etwas geben wie eine "Global Natural Resource Governance", und das, wo alle Staaten dieselben für neue Technologien relevanten Ressourcen so schnell wie möglich abbauen möchten? Wer könnte und müsste denn hier Staaten und internationale Organisationen für eine gemeinsame Agenda mobilisieren?

 

Einen Wettlauf und Wettbewerb um Ressourcen gibt es natürlich bereits seit vielen Jahren und den hat es auch in der Geschichte gegeben. Heute existieren Organisationen und Abkommen, die sich mit dem Schutz natürlicher, insbesondere regenerierbarer Ressourcen, befassen und Regelwerke für deren nachhaltige Nutzung liefern. Im Zuge der Digitalisierung und des Ausbaus erneuerbarer Energien rücken nun verstärkt metallische Rohstoffe in den Vordergrund. Dieser Wettlauf und Wettbewerb betrifft im Übrigen nicht nur natürliche Ressourcen ein, sondern auch digitale Daten als eine zunehmend bedeutende Ressource für Volkswirtschaften, deren Ströme international kaum reguliert sind. Mit der Frage, wie Organisationen aussehen können, werden wir uns in Seminaren zu Globaler Ressourcenpolitik in diesem kommenden Sommersemester aus politikwissenschaftlicher Perspektive auseinandersetzen. Wir werden unterschiedliche Interessen und bestehende Institutionen betrachten, deren Funktionsweise analysieren, um auf diese Weise Hindernisse zu identifizieren und mögliche Lösungsideen entwickeln; und eben auch was es braucht, um hier für eine gemeinsame Agenda und Solidarität zu mobilisieren.



Was macht Dir bei dem Thema Hoffnung?

 

Wir sehen uns mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, doch es ist positiv hervorzuheben, dass Themen wie Nachhaltigkeit und Verteilungsgerechtigkeit in Forschung und Lehre verstärkt berücksichtigt werden, wie es besonders auch an der Universität Bremen der Fall ist. Zudem sehe ich bei meinen Studierenden - ob in Deutschland oder in China - ein großes Interesse füreinander und eine Offenheit, verschiedene Perspektiven kennenzulernen und zu verstehen. Der internationale Studierendenaustausch mit China ist in den Jahren der Pandemie so gut wie vollständig zum Erliegen gekommen und auch die Kommunikation auf politischer Ebene hat stark gelitten. Ich habe die Hoffnung, dass ein Austausch in naher Zukunft wieder aufleben kann. Ich freue mich darauf, zu diesen wichtigen Themenbereichen mit Studierenden und Kolleg*innen im In- und Ausland zu arbeiten.

Aktualisiert von: iinis