Projektdetails
Die Schwangerschaft als Statuspassage im Kontext einer nutzer:innenorientierten Gesundheitssicherung
Dr. Kati Mozygemba (Projektleitung);
Beschreibung
Bereits die Gesundheitsdefinition der WHO macht deutlich, dass Gesundheit mehr ist als die Abwesenheit von Krankheit. Gesundheit ist hier als körperliche, soziale und psychische Unversehrtheit definiert; das subjektive Wohlbefinden wird besonders herausgestellt. In der Gesundheitsforschung, -wissenschaft und –praxis erlangen subjektive Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit immer größere Bedeutung. Dabei ist das reziproke Verhältnis von biographischem Wissen der Nutzer:innen und dem Wissen der ExpertInnen ein wichtiger Aspekt für die Qualität einer nutzerInnenorientierten Gesundheitssicherung: Einerseits um ein selbstbestimmteres Handeln ersterer zu ermöglichen und andererseits um das an Standards orientierte Wissen letzterer in die lebensweltlichen Kontexte ihrer Patient:innen einzubinden.
Neben der in den meisten Fällen krankheitszentrierten Arzt-Patient-Interaktion ist die Wechselseitigkeit von biographischem und Expertenwissen und deren Organisation zu gemeinsamen Handlungsformen und Dienstleistungsangeboten in sozialen Bereichen, in denen keine Krankheit vorhanden ist, von Bedeutung. Ein Beispiel hierfür ist die Schwangerschaft – eine in der (sozial-)wissenschaftlichen Diskussion häufig vor dem Hintergrund der Medikalisierung betrachtete Thematik. Die die Statuspassage begleitenden Professionellen spielen eine bedeutende Rolle bei der Verkörperung von Schwangerschaft: Insbesondere die erste Schwangerschaft stellt eine irreversible Statuspassage im Leben einer Frau dar, die damit einhergeht, dass sich der eigene Körper verändert, der Leib bewusst wird und kulturelle Deutungsmuster gebraucht werden, um sich diesen erklärbar zu machen. Deutungsmuster, mit denen sich Frauen der „Normalität“ des eigenen Leibes versichern, sind Bestandteil des jeweiligen Expert:innenhandelns. Für die nutzer:innenorientierte Gesundheitssicherung können aus den subjektiven Vorstellungen der Frauen Anregungen für individuelle, selbstbestimmte und an den Bedürfnissen Schwangerer orientierte Dienstleistungsangebote resultieren, welche neben der psychosozialen Dimension nicht zuletzt auch infrastrukturelle und ökonomische Dimensionen beinhalten.
Ziel der qualitativen Untersuchung ist es, Erkenntnisse über die Bedeutung der Wechselseitigkeit des Verhältnisses der subjektiven Vorstellungen der Frauen bzw. deren Selbstdefinition als Schwangere und dem Begleitprozess durch professionelle HelferInnen zu gewinnen. Es gilt zu analysieren, wie Schwangere die Vorgänge in ihrem Körper und ihre Stellung im sozialen Umfeld vergegenständlichen (prozessbezogene Perspektive); wie sie den Übergang in den neuen Status erfahren und mit dem bis dahin ungekannten Maß an sozialer Kontrolle umgehen (lernen). Abschließend werden Schlussfolgerungen gezogen, inwieweit die biographischen Erfahrungen der Frauen in das professionelle Betreuungssystem Eingang finden, welchen Stellenwert sie einnehmen, wo Unsicherheiten und Ängste produziert sowie Veränderungsmöglichkeiten gesehen werden etc. Ergebnisse der Untersuchung können in die Gestaltung einer an den Bedürfnissen der Frauen ausgerichteten Gesundheitssicherung im Bereich der Schwangerenvorsorge einfließen und zur Nutzerinnenorientierung beitragen.