Projektdetails
Pilotprojekt: Hospizlich-palliative Pflege und Begleitung im Strafvollzug
Prof. Dr. Henning Schmidt-Semisch;
Prof. Dr. Susanne Fleckinger (Jade Hochschule Wilhemshaven|Oldenburg|Elsfleth);
Beschreibung
Ältere Gefangene stellen weltweit die am schnellsten wachsende Gruppe unter den Inhaftierten dar. In Europa sind durchschnittlich rund 18 % der Gefangenen älter als 50 Jahre, Deutschland liegt mit rund 16 % nur knapp darunter. Besonders viele ältere Personen finden sich in Deutschland in der Sicherungsverwahrung, d.h. einer Maßnahme für jene Gefangene, die als besonders gefährlich eingeschätzt werden und die über die eigentliche Strafe hinaus inhaftiert bleiben: Hier beträgt der Anteil der über 50-jährigen rund 70% und jener der über 60-jährigen etwa 30%. Ein Grund für diesen Anstieg ist sicherlich der demografische Wandel, weil häufiger Personen im höheren Alter straffällig und dann gegebenenfalls auch inhaftiert werden. Andererseits hat aber vor allem auch die jeweilige Strafpraxis einen erheblichen Einfluss.
Unabhängig von den Gründen dieses Anstiegs stellen ältere Gefangene eine vulnerable, gesundheitlich besonders belastete Gruppe im Strafvollzug dar, deren Gesundheitszustand um ca. 10-15 Jahre schlechter eingeschätzt wird als der ihrer Altersgenoss:innen in Freiheit. Die damit einhergehende Multimorbidität liegt zum einen an den strukturellen Lebensumständen und Lebensbedingungen vor der Inhaftierung (Armut, Obdachlosigkeit, Gewalterfahrungen etc.), zum anderen aber auch am individuellen Lebensstil der Betroffenen (riskante Lebensweisen, Konsum von illegalisierten und verunreinigten Substanzen etc.), was durch die freiheitsbeschränkenden und gesundheitsabträglichen Bedingungen der ‚totalen Institution‘ Gefängnis noch verschärft wird. Alles dies führt schließlich auch dazu, dass es immer häufiger Gefangene gibt, die pflegebedürftig werden, in Haft ihre letzte Lebensphase verbringen und ggf. auch dort versterben.
Das so genannten ‚Äquivalenzprinzip‘ sieht vor, dass die gesundheitliche Versorgung in Haft so organisiert ist, dass sie den durch die GKV vorgesehenen Leistungen entspricht. Vor diesem Hintergrund geht das Projekt im Rahmen eines qualitativ-explorativen Studiendesigns der Frage nach, welche Möglichkeiten sich im Strafvollzug für eine der Situation in Freiheit äquivalente, hospizlich-palliative Versorgung bieten und welchen sozialen, institutionellen, professionellen etc. Beschränkungen sie ggf. unterliegt.