Schnelle parallele Konfiguration der visuellen Informationsverarbeitung

Im September 2010 wurde der vom BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) geförderte "Bernstein Preis für Computational Neuroscience" an Udo Ernst verliehen. Die entsprechende Forschungsgruppe startete im März 2012. In Bremen arbeitet unsere Gruppe eng mit dem Labor für Theoretische Neurophysik (Prof. Dr. Klaus Pawelzik), dem Labor für Theoretische Neurobiologie (Prof. Dr. Andreas Kreiter) und dem Labor für Humane Neurobiologie (Prof. Dr. Manfred Fahle) zusammen.

Die Informationsverarbeitung im Gehirn ist sehr flexibel und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. der aktuellen Verhaltensaufgabe, kontextuellen Informationen in der Umgebung der Versuchspersonen und internen Zuständen des Gehirns. Diese Flexibilität ermöglicht es unserem Gehirn, verschiedene kognitive Funktionen je nach den Erfordernissen der aktuellen Situation schnell zu konfigurieren und die begrenzten neuronalen Ressourcen den wichtigsten Rechenprozessen zuzuordnen. Unser Projekt zielt auf ein umfassendes Verständnis der neuronalen Mechanismen und kognitiven Strategien ab, die die Funktionskonfiguration und den Aufgabenwechsel unterstützen.

Theoretische Untersuchungen (Teilprojekte A1 und A2) werden mit elektrophysiologischen Ableitungen (Teilprojekt B) und psychophysikalischen Studien (Teilprojekt C) kombiniert, um die grundlegenden Eigenschaften der schnellen Parallelkonfiguration im visuellen System von Menschen und Primaten aufzudecken. Die theoretische Arbeit verfolgt zwei unterschiedliche Ansätze: die Untersuchung neuronaler Mechanismen der funktionellen Konfiguration aus der Perspektive eines dynamischen Systems in einem typischen Bottom-up-Ansatz (A1) und die Aufdeckung von Prinzipien flexibler Berechnung im Rahmen generativer Modelle in einem Top-down-Ansatz (A2). Die Modelle werden durch experimentelle Daten von der neuronalen bis zur Verhaltensebene eingeschränkt, und Vorhersagen aus groß angelegten Simulationen kortikaler Netzwerke werden in neuen experimentellen Paradigmen getestet. Letztendlich werden unsere Untersuchungen neue Rechenstrategien aufzeigen, wie komplexe Aufgaben mit begrenzten, aber anpassungsfähigen Ressourcen durchgeführt werden können. Mögliche Anwendungen reichen von Hochleistungs-Gehirn-Computer-Schnittstellen bis hin zu neuartigen Rehabilitationsstrategien für Patienten mit kognitiven Defiziten. Diese Anwendungen werden mit Partnerlabors in Bremen und Deutschland erforscht.