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Neue Veröffentlichungen

Erste Erkenntnisse der Forschungsgruppe für Tier- und Tierschutzrecht veröffentlicht

Die Bayerische Wolfsverordnung ist europarechtswidrig und im Ergebnis nichtig!

Die zum 01.05.2023 im Freistaat Bayern in Kraft getretene Wolfsverordnung ist mit dem Europarecht nicht zu vereinbaren. Die FFH-RL lässt Ausnahmen vom grundsätzlichen Tötungsverbot nur unter engen Voraussetzungen zu. Alle ergriffenen Maßnahmen müssen insbesondere verhältnismäßig sein, was grundsätzlich verlangt, dass sich Maßnahmen nur gegen Wölfe richten dürfen, die selbst verhaltensauffällig sind. Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestandes trägt die mitgliedstaatliche Behörde, die die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung erteilt. Der EuGH verlangt, dass der erforderliche Nachweis auf Grundlage bester wissenschaftlicher bzw. technischer Erkenntnisse erbracht wird, wobei verbleibende Ungewissheiten bestmöglich aufzulösen sind. Wölfe sind Rudeltiere, sodass Schwierigkeiten bestehen, Verhaltensauffälligkeiten, namentlich Tierrisse, einem konkreten Wolf zuzuordnen. Der EuGH ist sich dieser Problemlage bewusst und verlangt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit trotz dessen, dass die Mitgliedstaaten bzw. ihre Behörden alles unternehmen, um zu verhindern, dass sich ergriffene Maßnahmen unter Umständen auch gegen verhaltensunauffällige Wölfe richten. Diese Maßstäbe sind bei der Auslegung des BNatSchG zwingend zu berücksichtigen. Die Bayerische Wolfsverordnung ermöglicht, Maßnahmen (insbesondere auch Tötungen) gegen jeden Wolf zu ergreifen, der im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zu bestimmten Ereignissen angetroffen wird, ohne dass es in irgendeiner Art und Weise darauf ankommt, ob gerade dieser Wolf verhaltensauffällig ist oder nicht. Die bayerische Wolfsverordnung erfüllt damit die Anforderungen, die vom EuGH an die Beweisführung zu stellen sind, nicht, sondern versucht vielmehr, diese zu umgehen. Da das BNatSchG im Lichte der FFH-RL auszulegen ist, genügt die Bayerische Wolfsverordnung auch diesem nicht und ist somit nichtig. Die vollständige Untersuchung ist in der ZUR 2023, 536 ff., veröffentlicht worden und online abzurufen unter: beck-online.beck.de/Dokument.

 

Artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung rechtswidrig – Tötung von Fischottern bleibt verboten!

Der VGH München bestätigt die Rechtswidrigkeit eines Bescheids, in dem die Regierung der Oberpfalz das Fangen und Töten von zwei männlichen Fischottern erlaubt hatte, und wendet die Bestimmungen für den Erlass artenschutzrechtlicher Ausnahmetatbestände hierbei mustergültig an! Die uneingeschränkt zu begrüßende Entscheidung des VGH München ist durchaus bemerkenswert. Haben sich einige Obergerichte in der Vergangenheit doch schwergetan, die „richtigen“ Schlussfolgerungen aus dem europarechtlichen Hintergrund des besonderen Artenschutzrechts zu ziehen. Anders der VGH München: Dieser erkennt, dass die einschlägigen Bestimmungen der FFH-RL Ausnahmen vom grundsätzlichen Tötungsverbot nur unter engen Voraussetzungen zulassen. Tötungen geschützter Arten müssen der FFH-RL gemäß geeignet sein, den verfolgten Zweck zu erreichen, wobei – wie der EuGH in ständiger Rechtsprechung hervorhebt – die Beweislast hierfür die mitgliedstaatlichen Behörden tragen, welche die Ausnahmegenehmigung erteilen. Dieser Beweis ist auf Grund bester wissenschaftlicher bzw. technischer Erkenntnisse zu erbringen. Diesen Nachweis war die Regierung der Oberpfalz schuldig geblieben. Der VGH München geht zudem von einer vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit der Behördenentscheidung aus. Hervorhebung verdient das deshalb, weil verschiedene Obergerichte insoweit auf Abwege geraten waren, indem sie ihre Kontrolldichte europarechtswidrig reduzierten. Alles in allem taugt die Entscheidung des VGH München daher als Lehrbeispiel! Die vollständige Untersuchung ist in der NVwZ 2023, 1638 ff., veröffentlicht worden und online abzurufen unter: beck-online.beck.de/Dokument.

 

Kein jagdliches Aneignungsrecht Luchse und andere streng geschützte Tierarten betreffend!

Art. 12 Abs. 2 FFH-RL fordert für alle in Anhang IV lit. a) FFH-RL aufgeführten streng geschützten Arten die Einführung eines strikten Besitzverbots im nationalen Recht der Mitgliedstaaten und lässt Ausnahmen nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 16 FFH-RL zu. Der Bund hat die Vorgaben der FFH-RL im BNatSchG umgesetzt und er besitzt zur Regelung des Bereichs „Artenschutz“ auch gemäß Art. 72 Abs. 3 S. 1 GG eine abweichungsfeste Gesetzgebungskompetenz. Das Jagdrecht findet daher mit Blick auf das Recht zur Aneignung streng geschützter Tiere keine Anwendung und die Zugriffs- und Besitzverbote des Gemeinschaftsrechts sind strikt zu beachten. Konsequent nimmt daher etwa § 3 Abs. 6 S. 1 SächsJagdG streng geschützte Arten ausdrücklich aus dem jagdlichen Aneignungsrecht aus. Es heißt dort: „Wild nach Anhang IV Buchst. a der Richtlinie 92/43/EWG unterliegt abweichend von § 1 Abs. 1 Satz 1 des Bundesjagdgesetzes nicht dem jagdlichen Aneignungsrecht.“. Entsprechendes gilt jedoch auch in allen anderen Bundesländern, da das BNatSchG und die LJagdG europarechtskonform auszulegen sind. Die vollständige Untersuchung zur illegalen Tötung von Luchsen in Deutschland und den daraus resultierenden Folgen ist in der NuR 2023, 665 ff., veröffentlicht worden und online abzurufen unter: link.springer.com/article/10.1007/s10357-023-4242-6.

 

Kormoranverordnungen der Länder sind nichtig!

Die Kormoranverordnungen der Länder sind mit der Vogelschutzrichtlinie sowie mit § 45 Abs. 7 BNatSchG in mehrfacher Hinsicht nicht zu vereinbaren, was die Nichtigkeit der Verordnungen zur Folge hat. Kormorane zu töten, zu vergrämen oder sonst zu stören, erfüllt daher – in Ermangelung einer Rechtfertigung durch die Kormoranverordnungen – den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 69 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG und, sofern ein vernünftiger Grund für die Tötung des Kormoran im Einzelfall fehlt, sogar den Straftatbestand des § 17 Nr. 1 TierSchG. In waffenrechtlicher Hinsicht liegt zudem mit Blick auf die Nichtigkeit der Kormoranverordnungen keine befugte Jagdausübung i. S. d. § 13 Abs. 6 WaffG vor, sodass die Schussabgabe auf einen Kormoran zugleich einen Verstoß gegen das WaffG begründet. Entsprechende Straf- und Bußgeldverfahren sind einzuleiten und zu führen. Die vollständige Untersuchung zur Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit der Kormoranverordnungen und den daraus resultierenden Folgen ist in zwei Teilen veröffentlicht worden und zwar in der NuR 2023, 527 ff., online abzurufen unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s10357-023-4222-x, sowie in der NuR 2023, 597 ff., online abzurufen unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s10357-023-4230-x.

 

Es gibt ihn: Den Anspruch Gefangener auf Versorgung mit veganer Ernährung! Neue Erkenntnisse der Forschungsgruppe für Tier- und Tierschutzrecht veröffentlicht!

Gefangene haben im Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen prinzipiell einen Anspruch auf Versorgung mit Kost, die ihrer Religion- oder Weltanschauung entspricht. Daraus folgt für Gefangene insbesondere auch der grundsätzliche Anspruch, mit veganer Nahrung versorgt zu werden. Die Europäische Kommission für Menschenrechte (EKMR) hat bereits im Jahr 1993 anerkannt, dass der ethische Veganismus eine von Art. 9 EMRK geschützte Weltanschauung ist. Im Jahr 2010 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aus Art. 9 EMRK dann im Grundsatz einen Anspruch Gefangener abgeleitet, vegetarisch ernährt zu werden. Beide Entscheidungen lassen sich dahingehend zusammenführen, dass Gefangene nach Art. 9 EMRK grundsätzlich auch einen Anspruch haben, mit veganer Nahrung versorgt zu werden. Die Annahme einer Beschwerde zur Entscheidung durch den EGMR im Jahr 2022, in der es gleichermaßen darum ging, ob Gefangene ein Anspruch darauf haben, mit veganer Nahrung versorgt zu werden, untermauert dieses Verständnis. Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit verlangt die Vollzugsgesetze der Länder im Lichte dieser Rechtsprechung auszulegen. Im Übrigen liegt es sehr nahe, auch Art. 4 GG ein entsprechendes Leistungsrecht Gefangener zu entnehmen. Der Anspruch ist zwar im Einzelfall einschränkbar. Der Staat trägt aber die volle Darlegungs- und Beweislast für Umstände, die Einschränkungen oder Versagung des Anspruchs der Gefangenen auf vegane Ernährung rechtfertigen. Pauschale Verweise auf das Selbstverpflegungsrecht Gefangener oder den Umstand, dass das Gewährleisten veganer Versorgung mit Mehraufwand verbunden sei, – wie sie bisher in der Rechtsprechung die Regel waren – sind vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR nicht zu halten. aUmfassend wurden die vorstehend angerissenen Fragen durch Vincent Mittag in Forum Strafvollzug 2023, S. 180 bis 185, behandelt. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen!

 

Einfuhr von Tierqualprodukten strafbar!

Die Herstellung verschiedenster tierischer Produkte ist in Deutschland mit Blick auf mit dem Herstellungsprozess unvermeidbar verbundene Tierqualen strikt verboten. Dies gilt ebenso für Stopfleber wie für Froschschenkel. Dennoch werden entsprechende Waren teilweise in erheblichem Umfang nach Deutschland importiert. Dieser Import kann sich als strafbare Beihilfe zur Tierquälerei erweisen, auch wenn die Haupttat im Ausland nicht mit Strafe bedroht ist. Ausschlaggebend für die nationale Bewertung ist insofern § 9 Abs. 2 S. 2 StGB, der anordnet, dass sich die Beihilfestrafbarkeit unabhängig von der Strafbarkeit der Haupttat im Ausland nach nationalem Recht richtet. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum gewerblicher Importeure ist regelmäßig zu verneinen. Der vollständige Beitrag ist in der NuR 2023, 146 ff., erschienen und online abzurufen unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s10357-023-4150-9

 

Kreis der Garanten zu Gunsten von Tieren umfasst auch solche aus Ingerenz und die unterlassene Hilfeleistung findet auf Tiere Anwendung!

Da das Strafrecht historisch betrachtet nur Verbote und Gebote menschliche Interessen betreffend aufgestellt hat, wurde die Frage nach Unterlassungsstrafbarkeiten zu Lasten von Tieren bei Inkrafttreten des StGB gar nicht gestellt. Mit Blick auf den gesellschaftlich-moralischen Anschauungswandel und den durch ihn ausgelösten Paradigmenwechsel auch im Strafrecht, den bereits die Existenz des § 17 TierSchG nachdrücklich belegt, ist es jedoch an der Zeit die vorstehend benannte Frage zu stellen und zu beantworten. Tiere lassen sich nicht mehr wie etwa von Descartes 1637 als „gefühllose Automaten“ oder wie von Malebranche 1674 als bloße „leidensunfähige Maschinen“ betrachten, sondern es handelt sich um fühlende Lebewesen, deren Schutz in der Verantwortung der Menschen liegt. Nicht zuletzt war es daher der verfassungsändernde Gesetzgeber selbst, der allen drei Staatsgewalten mit der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG eigens eine hoheitliche Schutzpflicht gegenüber Tieren auferlegt hat. Aus ihr folgt, dass über die zahlreichen geschriebenen Garantenstellungen zu Gunsten von Tieren auch diverse ungeschriebene wie etwa die Ingerenz anzuerkennen sind und der Schutzbereich der unterlassenen Hilfeleistung ebenfalls zu Gunsten von Tieren eröffnet ist. Der vollständige Beitrag ist in der JuS 2022, 993 ff. erschienen und online abzurufen unter: https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Fzeits%2Fjus%2F2022%2Fcont%2Fjus.2022.993.1.htm&pos=1&hlwords=on

 

Der vernünftige Grund im TierSchG ist objektiv zu bestimmen!

Das Vorliegen eines vernünftigen Grundes im Tierschutzgesetz ist objektiv zu bestimmen. Der bislang herrschende Grundsatz der subjektiven Zweckbestimmung im Tierschutzrecht läuft auf eine bloße Gesinnungsbestrafung hinaus. Wird etwa ein unrettbar schwer erkranktes Tier getötet, dessen Tötung rechtlich erforderlich ist, wird der Täter dennoch wegen eines vollendeten Verstoßes gegen § 17 TierSchG bestraft, wenn er den Schuss aus den falschen Motiven heraus abgibt. Die Frage der Strafbarkeit jedoch allein von den Motiven des Täters abhängig zu machen, ist mit grundlegenden Rechtsstaatsprinzipien unvereinbar. Umgekehrt gilt daher, dass die Tötung eines gesunden Tieres, von dem auch keine Gefahr für ein anderes Rechtsgut ausgeht, nicht deshalb gerechtfertigt ist, weil der Täter meint, einen guten Grund für dessen Tötung zu haben. Der objektive Maßstab muss sowohl zugunsten als auch zulasten des potentiellen Täters Anwendung finden. Der vollständige Beitrag ist in der NuR 2022, 369 ff. erschienen und online abzurufen unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s10357-022-4010-z

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