Dissertationsprojekte

Bridging the Divide? Crossing borders for coexistence in divided city of Mitrovica: A narrative ethnography

Anne Kauhanen, Dissertationsprojekt

Die Hauptbrücke über die fließende Grenze - der Fluss Ibar - der geteilten Stadt Mitrovica

Die einst multikulturelle und wirtschaftlich starke Stadt Mitrovica wurde nach dem Kosovo-Krieg entlang des Flusses Ibar in eine Kosovo-serbische und Kosovo-albanische Seite aufgeteilt. Seit der Teilung hat Mitrovica den Ruf der Austragungsort für den fortlaufenden Kosovo-Konflikt zu sein. Die Teilung hat zur Entstehung eines Raumes beigetragen, in dem die Existenz des Anderen negiert wird, die nationalistischen Selbstbilder und Narrativen manifestiert und parallele Strukturen aufgebaut werden – zumindest wird dieses Bild in den Medien über Mitrovica verbreitet.

Das Ziel meiner Forschung ist es, die Bewegungen und Erfahrungen jenseits der ideologisch polarisierten und verhärteten Situation in Mitrovica zu forschen und die Erkenntnisse aus diesem Feld hervorzuheben – gegen die Narrative eines ausschließlichen Konfliktortes. Meine Forschung befasst sich mit den Umständen, unter denen diese Grenzüberschreitungen entstehen bzw. welche Umstände die Grenzüberschreitungen ermöglichen und welche Strategie Individuen und Institutionen entwickelt haben, diese Grenzüberschreitungen zu vollziehen. Darüber hinaus wird die Frage gestellt, ob und in welchem Ausmaß diese Grenzüberschreitungen zu einer friedlichen Koexistenz und schließlich zu einer Wiedervereinigung der Stadt beitragen könnten.

Muslimische Online-Plattformen und Aushandlungsprozesse des Selbst

Rosa Lütge, Dissertationsprojekt

Frühstück, Medienobjekte
pixabay

Das Projekt beschäftigt sich mit verschiedenen muslimischen Online-Plattformen, in denen es um Lifestyle, Empowerment und Inspiration geht. Zielgruppe dieser Plattformen sind meist junge Muslim*innen auf der ganzen Welt, aber vor allem in den USA und Europa. Die Themen drehen sich von Elternschaft, über Reisen, Beauty, Fitness und Self-Care zu Fragen muslimischer Communities, der Religiosität des Individuums, Diskriminierung und Marginalisierung. Online-Magazine oder Soziale Medien bieten die Möglichkeit zu Partizipation, Sichtbarkeit und Vernetzung und wirken der in den klassischen Medien wenig oder stereotypen Repräsentation von Muslim*innen entgegen.

Ziel des Projektes ist es die Darstellungen des Selbst und die dabei entstehenden intersektionalen Aushandlungen von Geschlecht, Religion, Emotionen, Autorität und Konsum in muslimischen Online-Plattformen zu untersuchen. Was zeichnet das hier entworfene Bild des Selbst aus? Welche diskursiven Verflechtungen entstehen? In welcher Form findet Widerstand gegen hegemoniale Diskurse statt? Wie wirken sich Diskurse um zum Beispiel den Umgang mit Emotionen aus und welche Rolle spielt Religion?

Diese Arbeit soll Aufschluss über gesellschaftliche Transformationsprozesse durch digitale Kulturen, Widerstand und Empowerment marginalisierter religiöser Gruppen geben und neoliberale Verflechtungen geben.

Between Mind and Subtle Body. The Mutual Exchange and Integration of Yoga and Psychotherapy

Raphael Mousa, Dissertationsprojekt

Trisul

Das Yoga und die Wissenschaft der Psychologie stehen seit über hundert Jahren in einer Beziehung von intensivem transkulturellem und interdisziplinärem Austausch. Dieser hat das moderne Yoga, ebenso wie viele psychotherapeutische Schulen, enorm geprägt. Aus diesem Austausch heraus entwickeln sich, besonders seit den 2010ern, neue therapeutische Ansätze, welche Yoga und Psychotherapie miteinander kombinieren und integrieren. Insbesondere die Idee des subtilen Energiekörpers mit den Chakras (Energiezentren) aus dem Yoga wird in dieser "Yoga-Psychotherapie" oft als Projektionsfläche für psychologische Konzepte (wie Entwicklungsstufen, Archetypen und emotionale Prozesse) genutzt, um den cartesianischen Dualismus von Körper und Geist zu überwinden. Yoga gehört heute generell zu den meistgenutzten alternativen und komplementären Methoden in der Behandlung psychischer und psychosomatischer Leiden.


In diesem Dissertationsprojekt werden sozio-kulturelle Dynamiken in der Aushandlung und Transformation von Konzepten und Praktiken zwischen Yoga und Psychologie untersucht: Primär in der Bildung der jungen hybriden Disziplin der Yoga-Psychotherapie, anhand ethnographischer Forschung an entsprechenden Lehr- und Therapie-Instituten in Deutschland und Indien; aber auch im historischen Austausch von Yoga und Psychologie, der den Kontext und Ursprung dieser neuen therapeutischen Ansätze darstellt, anhand von Literaturanalyse. Somit fällt dieses Projekt sowohl in den Bereich der medizinanthropologischen Forschung zur Transformation von Konzepten von Körper und Geist in Wissenschaft, Religion und neuen Therapieformen, als auch in das interdisziplinäre, aufstrebende Feld der Modern Yoga Studies, welches das moderne Yoga als transkulturelles Produkt der letzten 150 Jahre untersucht.

 

Selbstnormalisierung und -normierung durch Authentizitätsansprüche. Bedeutung von und Umgang mit der Manifestationspraxis in (neo-)charismatisch-evangelikalen Gemeindezentren in Süddeutschland

EJ Tolksdorf, Dissertationsprojekt

Gottesdienst

Die (neo-)pfingstlich-charismatisch-evangelikale Bewegung gehört weltweit zu den christlichen Bewegungen, die besonders dynamisch sind und stark wachsen. Durch die Popularisierung dieser Bewegung sind ihre modernen Evangelisations- und Marketingstrategien Vorbilder für Religionsgemeinschaften geworden, die Mitgliederverluste verzeichnen (siehe z.B. Baumann-Neuhaus 2008, Freudenberg 2017).

In Deutschland gehört diese Bewegung insgesamt zu einer aufstrebenden christlichen Minderheit, die sich u.a. als „überkonfessionell“ versteht. Damit die freikirchlich organisierten Gemeinden und Netzwerke stärker wachsen können, versuchen sie aktiv gegen die stigmatisierende Fremdwahrnehmung als fundamentalistische „Sekte“ vorzugehen.

Die ethnografische Studie nimmt drei freie christliche Gemeindezentren in Südwestdeutschland in den Blick, die jeweils ca. 150─6.000 Gottesdienstbesuchende am Wochenende zählen und überregional sowie international vernetzt sind. Es werden ca. 45─50 Interviews mit Leitenden, Mitarbeitenden und Mitgliedern ausgewertet. Ebenso werden Teilnehmende Beobachtungen verschiedener Veranstaltungsformate, Literaturen und Medien der Gemeinden mittels der Grounded Theory analysiert. Anhand dieser (Groß-)Gemeindefälle wird nach der Bedeutung von und den Umgang mit der Manifestationspraxis gefragt. Damit ist jene körperlich-emotionale christliche Praxis gemeint, die aus emischer Perspektive als sichtbare oder spürbare Erfahrungen mit unsichtbaren übernatürlichen Kräften (Heiliger Geist, Dämonen etc.) verstanden werden: Umfallen, Lachen, Weinen, Zittern, wie betrunken wirken, Hüpfen, sich auf dem Boden winden, Schreien, Tierlaute etc.

Am Beispiel des regulierenden Umgangs mit Manifestationspraktiken wird der selbstnormalisierende und selbstnormierende Umgang mit christlich-charismatischer Körperlichkeit und Emotionalität aufgezeigt. Dieser kann so weit gehen, dass Manifestationspraktiken aus dem Gemeindeleben komplett ausgeschlossen werden. Diese bisher von der Religionsforschung nicht beachtete Normierung und Normalisierung von religiöser Praxis lässt sich mit den bisherigen Theorieansätzen nicht erklären. Das Projekt nimmt daher glokale Authentizitäts- und Autoritätskontroversen in den Fokus, die u.a. im Zuge von Torontosegenbewegung, heilungsevangelistischen Großveranstaltungen und neuen marktorientierten Megachurchformaten aufgekommen sind. Dabei wird an empirischen Beispielen aufgezeigt, dass diese Diskurse einen normierenden und normalisierenden Effekt auf die Gemeinden ausgeübt haben. Welche Folgen hat die Normierung für das Selbstverständnis? Wie gehen Langzeitmitglieder mit dieser Normierung um? Entstehen neue Vergemeinschaftungsformen?

Das Dissertationsprojekt kann darüber hinaus einen Beitrag zu Debatten um die (De-)Stigmatisierung, (De-/Re-)Charismatisierung, Ver-/Entalltäglichung, Subjektivierung und Selbstoptimierung von Religion im Zeitalter des neoliberalen Kapitalismus liefern.

 

The transmission of Islamic identity to young Muslims in Germany

Siska Sulistyorini, Dissertationsprojekt

People form a unique identity over the course of their lives (Papalia, 2008). Identity is the development, interpretation and control of impulses (drives), abilities, beliefs and experiences, including choices about work, sexual orientation and philosophy of life (Woolfolk 2011). Identity is always something that people or groups also work on in a reflexive way (Brubaker, 2000). In this respect, identity is understood as a product of the interaction between the individual and society, which is in constant process of change (Hall, 1996). Depending on the individual's position in society and a change of this position through new decisions or external influences and changes, it changes (Grotevant, 1987). The social context as well as the position and self-positioning within this plays a central role in the formation of individual identity as well as the self-understanding of one's own identity. The dissertation project therefore aims at the investigation of how religious identity formation of young Muslims in Germany develops and how it is shaped by religious education. Therefore it focuses on the Muslim teachers perspectives of the transmission of Muslim tradition, their didactics, methodology and objectives as well as their description of the specific situation in Germany within and outside the school context.

While much of the research to the present has focused on survey the identity of young Muslims, the focus of this research is on Muslim teachers and their target conceptions of what constitutes a good Muslim and how the appropriate and target-oriented methodology and didactics for the German context looks like. What particular challenges do they see for the formation of Muslim identities in the German context and in what way do they respond to this in their educational offers and teachings?

The study will first discuss the concept of identity formation in the context of religious and social studies as well as the methods used as a medium for imparting knowledge and teaching. The core of the study is the qualitative-empirical investigation based on Grounded Theory (Glaser/Strauss 1967). For this purpose, a broad sampling of interviews with Islam teachers is compiled, which in advance takes contrasts into account (e.g. urban-rural, gender, hijab or non-hijab Muslims, teachers within public schools and in mosque communities etc.) as well as - according to the GTh - searches for hypothesis-related contrasts regarding.

The results aim not only to reflect on the identity formation of young Muslims in their influence through Islamic educational offers in Germany, but also to critically reflect on religious education work in this area.