(G) Humboldts „Ansichten der Natur“ - Vielfalt. Schönheit. Menschliche Intervention…

Alexander von Humboldt, Friedrich Georg Weitsch
Alexander von Humboldt, Friedrich Georg Weitsch

 

„Auf das Zusammenwirken der Kräfte,
den Einfluss der unbelebten Schöpfung auf die belebte Thier- und Pflanzenwelt,
auf diese Harmonie sollen stäts meine Augen gerichtet seyn.“

(Alexander von Humboldt, 1799)

 

 

Anthropogener Klimawandel, ein dramatischer Rückgang der Artenvielfalt, bedrohte bzw. zerstörte Lebensräume von Pflanzen, Tieren und auch Menschen, und mehr noch: eine andauernde globale Pandemie…das sind die realen Entwicklungen und Bedingungen, unter denen gegenwärtig Menschen / Gesellschaften leben und leiden. Spätestens jetzt wird klar, dass das Verhältnis vom (modernen) Menschen und seiner Umwelt, von Natur und Kultur grundlegend gestört ist. Doch, wie ist es dazu gekommen?

Mit aufklärerischem Denken und Handeln vielschichtig verbunden, war die umfassende Erkundung und Vermessung der Welt: Die Berichte von Abenteurern und Reisenden, und nicht zuletzt die Erkenntnisse von Forschern veränderten die Vorstellung und das Verständnis von Natur auf vielfache Weise…

Der schwedische Naturforscher Carl von Linné legte in seinem System naturae (1735) – ganz rational – mit Hilfe eines komplexen, aber statischen Klassifikationssystems (mit Ordnungen, Gattungen, Arten) den Grundstein für die wissenschaftliche Klassifikation und Benennung der überwältigenden Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten.

Hingegen betrachtete der deutsche Naturforscher mit weit über die Grenzen Europas hinausreichendem Wirkungsfeld Alexander von Humboldt in seiner durchweg empirischen und interdisziplinär angelegten Erkundung der Welt die Pflanzen nicht nur in ihrer geografischen und klimatischen Verbreitung, sondern auch in historischen, kulturellen und ökonomischen Zusammenhängen. Er dynamisierte gewissermaßen die Botanik. Bereits sein erstes Werk „Ansichten der Natur“ (1808), das er nach Rückkehr von seiner Amerikaexpedition veröffentlichte, ist weit entfernt von „Postkartenansichten“ oder einer reinen Faktensammlung: Humboldt ging es immer um das lebendige Zusammenwirken aller Kräfte der Natur und der Kultur. Um seine wissenschaftlichen Befunde und Ergebnisse zu dokumentieren und zu vermitteln, sind in seinen Schriften Bild und Text, Poesie/Literatur und Fakten, Herz und Verstand untrennbar miteinander verbunden. Mehr noch: Seine grafische Methode der Datenvisualisierung – künstlerisch ansprechend und wissenschaftlich genau – ermöglichte es ihm, unterschiedliche Perspektiven zugleich einzunehmen und zahllose Informationen miteinander zu verknüpfen, um ein ganzes Ökosystem anschaulich und umfassend vorzustellen. Humboldts Werke lassen das künstlerische Potenzial der Wissenschaft wie auch das wissenschaftliche Potenzial der Kunst erkennbar werden.

Auf seinen mehrjährigen Forschungsreisen gelangte Humboldt aber nicht nur zu weitreichenden Erkenntnissen über die natürliche Umwelt: Weit vor den ökologischen Bewegungen unserer Zeit befasste er sich mit dem Einfluss des Menschen auf die Natur, beispielsweise mit der Frage, welche Zerstörung die unbeschränkte Ausbeutung / Nutzung der Naturschätze bewirke, und beobachtete als dessen Folgen Monokulturen, die Verbreitung invasiver Arten und die Entwaldung großer Landflächen. So wies er beispielsweise auf den Zusammenhang zwischen der Abholzung von Wäldern durch die spanischen Kolonialisten und dem Austrocknen eines für die Trinkwasserversorgung wichtigen Sees in Venezuela hin.

Gleichwohl ging Humboldts ganzheitliche Sicht auf die Natur in der sich professionalisierenden Wissenschaft, wie sie damals entstand, zunehmend verloren: Statt Erkenntnisse zusammenzuführen und interdisziplinär weiterzudenken, spaltete sie sich immer weiter in Fachdisziplinen auf. Was doch so zuversichtlich als aufklärerisches Projekt begann, nämlich die Umgestaltung der Welt in intellektueller und kultureller Hinsicht, entpuppt sich heute als Beleg menschlicher Unfähigkeit, sich nicht etwa als ‚Krone der Schöpfung‘ und ihr Beherrscher, sondern als Teil der Natur zu begreifen. Dabei könnte in aktuellen Diskussionen über Nachhaltigkeit, Ökologie und menschengemachten Klimawandel - Humboldt weitergedacht – unseren Blick auf und den Umgang mit der Natur schärfen.

 

Literatur:

Alexander von Humboldt: „Ansichten der Natur“.
 


Dozentin:    Dr. Ursula Dreyer

Termine:    4 Termine

  • Dienstag,  11.02.2025
  • Donnerstag,       13.02.2025
  • Dienstag,  18.02.2025
  • Donnerstag,       20.02.2025

Zeit:    10:00 (s.t.) bis 12:30 Uhr (mit kurzer Pause)

Entgelt:    60,- Euro

Veranstaltungsart/ -ort:    nur in Präsenz (Akademie, Raum B 0770)

Hinweis:    Teilnehmerbegrenzung: 40 Personen

Sie möchten sich anmelden?

[Zur Online-Anmeldung]