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Entnazifizierung von Frauen in Deutschland: Studierende und bremer shakespeare company bringen historische Fälle auf die Bühne

Das bundesweit einmalige Projekt feiert mit seiner neuen Inszenierung am 19. September Premiere im Bremer Landgericht / Verbindung von forschendem Lernen und dramaturgischer Arbeit

Nr. 260 / 9. September 2011 MM
Sie haben als Sekretärin bei der Gestapo gearbeitet, waren Aufseherin in Konzentrationslagern oder so genannte „Kapos“, die von der Lagerleitung beauftragt wurden, ihre Mithäftlinge zu beaufsichtigten: Frauen im Dritten Reich. Eine Margarete Ries soll als „Kapo“ äußerst brutal vorgegangen sein und mehrere Häftlinge erschlagen haben. Nach ausführlichen Vernehmungen und einem anschließenden Spruchkammerverfahren im Zuge der Entnazifizierung in Deutschland wurde ihr Verfahren jedoch eingestellt. Diese und andere Fälle haben Geschichtsstudierende der Universität Bremen in Archiven recherchiert, um sie in Zusammenarbeit mit der bremer shakespeare company (bsc)  als szenische Lesung auf die Bühne zu bringen. Unter dem Titel “Was verstehen wir Frauen auch von Politik? – Entnazifizierung `ganz normaler` Frauen in Bremen (1945-1952)“ laden sie am Montag, den 19. September 2011, zur Premiere an einen alten Originalschauplatz ein: dem Schwurgerichtsaal des Bremer Landgerichts.

Lebenswege der Frauen zeigen Alltag im Nationalsozialismus

„In der Forschung zur Entnazifizierung werden Frauen und das Geschlechterverhältnis bis jetzt wenig berücksichtigt“, sagt die Leiterin des Projekts, Dr. Eva Schöck-Quinteros. Die Entnazifizierungsverfahren sind eine wichtige Quelle für den Blick auf das „Dritte Reich“ unmittelbar nach 1945. Den Frauen öffneten sich im „Dritten Reich“ und vor allem im Zweiten Weltkrieg vielfältige Handlungsräume: Sie nutzten diese Macht unterschiedlich. Wie erklärten und verteidigten Frauen ihr Handeln vor den Spruchkammern und wie wurden ihre Aktivitäten bewertet? Welche geschlechtsspezifischen Zuschreibungen spielten in den Verhandlungen eine Rolle? „An den unterschiedlichen Lebenswegen dieser Frauen wird `ganz normaler` Alltag im Nationalsozialismus sichtbar sowie dessen Funktionieren unterhalb der Schalthebel der Macht“, so Schöck-Quinteros.

Für die Inszenierung der szenischen Lesung recherchierten die Studierenden mehrere Monate lang in Archiven und wählten die Fälle aus. Sie transkribierten die Akten und stellten das Material der Lesung für die bremer shakespeare company zusammen. Zudem entwickelten sie die Website des Projekts und schrieben Artikel für den Begleitband zu der szenischen Lesung.

Vierte Inszenierung seit Beginn des Projekts 2007

Mittlerweile ist es die vierte Inszenierung zu einem historischen Thema, die Dr. Eva Schöck-Quinteros mit Geschichtsstudierenden und der bremer shakespeare company realisiert. Unter dem Motto „Aus den Akten auf die Bühne“ erarbeiten sie seit 2007 szenische Lesungen mit historischen Originaldokumenten. Das bundesweit einmalige Projekt verbindet forschendes Lernen und dramaturgische Arbeit miteinander. Ziel ist es, Akten auf der Bühne zum Sprechen zu bringen und auf diese Weise einem breiten Publikum quellenbasierte Forschung zugänglich zu machen.
www.sprechende-akten.de 

Die Vorstellungen im Schwurgerichtsaal des Bremer Landgerichts (Domsheide 16) im Überblick:

•    19. September  (Premiere)
•    21. September
•    22. September
•    4. Oktober
•    2. November
•    15. November
•    22. November

Beginn ist immer um 19.30 Uhr. Am 4. Oktober gibt es zusätzlich um 11 Uhr eine Vorstellung. Karten sind zum Preis von 12 Euro und ermäßigt 6 Euro bei der bremer shakespeare company erhältlich. Kontakt unter www.shakespeare-company.com . Am 7. November gibt die Projektgruppe zusätzlich ein Gastspiel in Köln.


Weiter Informationen:
Universität Bremen
Fachbereich Sozialwissenschaften
Institut für Geschichtswissenschaft
Dr. Eva Schöck-Quinteros
Telefon: 0421 218-67251
E-Mail: esqprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de 
www.sprechende-akten.de