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Nur so hoch wie ein Haar dick ist: Bremer Forscher präsentieren die kleinsten Stadtmusikanten der Welt

Dreidimensional hergestellt mithilfe der Nanolithografie: Bremer Mikro-Quartett Esel, Hund, Katze und Hahn - BIAS und Nanoscribe streben Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde an

Nicht einfach nur mini, sondern mikro: Mit bloßem Auge sind die Bremer Stadtmusikanten nicht mehr zu erkennen. Jedenfalls nicht die, die durch eine Zusammenarbeit des Bremer Instituts für angewandte Strahltechnik (BIAS GmbH) an der Universität Bremen mit der Nanoscribe GmbH in Eggenstein-Leopoldshafen bei Karlsruhe entstanden sind. Nun streben beide den Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde an. Bei gutem Auge sind alle vier Musikanten zusammen vielleicht noch als Pünktchen zu erahnen, und den Beweis für ihre Existenz kann nur die Aufnahme mit einem Rasterelektronenmikroskop (REM) liefern.

Was vielleicht anmutet wie eine Spielerei, hat durchaus einen ernsthaften Hintergrund. Für seine Forschungen suchte das BIAS nach einem System, das extrem kleine Objekte mit einem Laser-Lithografie-Verfahren herstellen kann. Das ist eine Methode, bei der mithilfe von Laserlicht und lichtempfindlichen Materialien zwei- und dreidimensionale Strukturen geschaffen und reproduziert werden können. Angewendet werden solche Verfahren zum Beispiel zur Herstellung von Strukturen in der Halbleitertechnologie bei der Produktion von Computer-Chips. Die filigranen Leiterbahnen auf den Chips entstehen durch Belichtungsprozesse, ähnlich wie bei der Entwicklung von Fotos, wo die lichtempfindliche Schicht auf dem weißen Fotopapier durch das Film-Negativ hindurch belichtet und dadurch ein chemischer Prozess in der Schicht ausgelöst wird. Alle Flächen des Fotopapiers, auf die kein Licht gefallen ist, bleiben weiß; die belichteten Flächen reagieren je nach Intensität des Lichteinfalls unterschiedlich stark. Das Laser-Lithografie-Verfahren ist um einiges komplizierter, funktioniert aber nach demselben Prinzip.

Die Anforderungen der Bremer Wissenschaftler an die Leistungsfähigkeit des gewünschten Systems waren sehr anspruchsvoll, und BIAS-Wissenschaftler Colin Dankwart begab sich auf die weltweite Suche. Fündig wurde er in Baden-Württemberg. Die Nanoscribe GmbH in Eggenstein-Leopoldshafen bei Karlsruhe verfügte über das erforderliche Wissen und die richtigen Anlagen. Nun musste nur noch gezeigt werden, was das Nanoscribe-System kann. „Warum soll man das nicht anhand eines weltbekannten Motives demonstrieren?“, fragte sich Professor Ralf B. Bergmann, Leiter des Geschäftsbereichs „Optische Messtechnik und optoelektronische Systeme“ am BIAS und Hochschullehrer für „Angewandte Optik“ im Fachbereich Physik/Elektrotechnik der Universität.

Die Entstehung der Bremer Mikro-Musikanten

Wie sind die winzigen Musikanten nun entstanden? Man kann es sich einfach vorstellen wie ein dreidimensionales Schreiben oder Zeichnen: Als Bleistift fungiert ein Laserstrahl, der nicht auf Papier, sondern in dem Fotolack schreibt, der auf einen Objektträger eines Mikrokops aufgetragen wurde. Dieser Laser ist ein Femtosekunden-Pulslaser, dessen ohnehin schon gebündeltes Licht durch ein Linsensystem weiter fokussiert wird. Genau in diesem Fokus, wo die Energie des Lichtstrahls am größten ist, zeichnet sich dieser Pulslaser durch eine besondere Leistungsstärke aus. Anders ausgedrückt: Spitzer kann dieser „Bleistift“ nicht sein; eine bessere Auflösung zur Herstellung dreidimensionaler Objekte gibt es derzeit kaum. Im Fokus dieses gebündelten Pulslaser-Lichtes nimmt der lichtempfindliche Fotolack die Energie auf: Der Fotolack absorbiert das Licht, es findet ein chemischer Prozess statt, und der Lack härtet an dieser Stelle aus. Fachleute sprechen hier von einem Zwei-Photonen-Prozess. Möglich wird der durch die extrem hohe Energiedichte im zentralen Bereich des fokussierten Lichtes dieses Lasers.

Das System fährt die vorgegebenen Strukturen ab. Die Geometriedaten der Bremer Stadtmusikanten (die dreidimensionale, digitale Form) wurden im BIAS erstellt. „Diese 3D-Zeichnungen haben dem System gewissermaßen alle geometrischen Eckdaten für die Belichtung vorgegeben“, erklärt BIAS-Wissenschaftler Dankwart. Aber auch wenn der Belichtungsprozess abgeschlossen sei, sieht man noch nichts: In einem letzten Schritt wird das nicht belichtete, also nicht ausgehärtete Material entfernt – und dann stehen sie da, die Bremer Stadtmusikanten, gerade mal rund 80 Mikrometer „groß“, also nur so hoch wie ein durchschnittliches, menschliches Kopfhaar dick ist.

Miniaturisierung von Optiken – neues Nanostrukturlabor

Und wofür braucht das BIAS das System? Bergmann erklärt: „Die Optik ist eine der wesentlichen Schlüsseltechnologien unserer Zeit. Ihre Bedeutung reicht weit über Produkte wie zum Beispiel Kameras, medizinische Geräte, Mobiltelefone oder Bildschirme hinaus. Auch in vielen anderen Bereichen wie der Entwicklung neuer Werkstoffe und Produktionsverfahren, der Qualitätssicherung oder der Informationstechnologie bis hin zur Optimierung regenerativer Energiewandler spielen optische Technologien eine entscheidende Rolle. Durch ihren Einsatz werden viele moderne Produkte überhaupt erst möglich.“

Für die weitere Optimierung bestehender oder die Entwicklung neuer Produkte müssen auch Optiken miniaturisiert werden. Genau daran forscht das Wissenschaftler-Team rund um Bergmann. „Die Möglichkeiten mit konventionellen Optiken sind recht begrenzt“, sagt er. Für neue Entwicklungen werden diffraktive optische Elemente benötigt (diffraktiv: das Licht beugend). Mit ihnen lässt sich das Licht in weitaus flexiblerer Art und Weise beeinflussen als zum Beispiel mit herkömmlichen Linsenoptiken. Aber diese Elemente haben Strukturgrößen, die wesentlich kleiner sind als die sichtbaren Lichtwellenlängen. Mit dem neuen System – es wird künftig im neuen Nanostrukturlabor des BIAS stehen – können die Forscher solche 3D-Nano-Strukturen für optische Anwendungen herstellen.

(Sabine Nollmann)

 

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Weitere Informationen:

www.bias.de
www.bias.de/Events/Archive/AntrittsvorlesungBergmann
www.nanoscribe.de

Prof. Dr. rer. nat. Ralf B. Bergmann (Geschäftsführer am BIAS)
Telefon: 0421 218-50 03, E-Mail: bergmann@bias.de

Dipl.-Phys. Martin Hermatschweiler (Geschäftsführer Nanoscribe GmbH)
Telefon: 07247 82-88 41, E-Mail: hermatschweiler@nanoscribe.de