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Offener Brief des Uni-Rektors an die Verlagsleitungen und Chefredaktionen von DIE ZEIT, FAZ, Tagesspiegel und Bremer Tageszeitungen AG

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 16. April 2014 wurden in DIE ZEIT, FAZ, Tagesspiegel und Bremer Tagungszeitungen AG ganzseitige Anzeigen mit der Überschrift „Kreiter macht eiskalt weiter“ veröffentlicht. Als Rektor der Universität Bremen möchte ich Ihnen mein Unverständnis und meine Empörung über den Abdruck dieser Anzeige zum Ausdruck bringen.

Erst kürzlich ist nach jahrelangem Rechtsstreit ein höchstrichterliches Urteil ergangen, das die im Rahmen der Forschungen von Professor Kreiter, Mitglied der Universität Bremen, durchgeführten Tierversuche an Makaken als erforderlich und gemäß ethischer Standards durchgeführt ausweist. Es handelt sich mithin in der Fortsetzung der Forschungstätigkeit von Professor Kreiter nicht um ein „Eiskaltes Weitermachen“, sondern um die richterlich überprüfte Fortsetzung von Forschung, die Teil des gesetzlichen Auftrags einer Universität ist.

In der Anzeige wird eine Fülle unwahrer Behauptungen aufgestellt. So werden die anerkannten und im wissenschaftlichen Wettbewerb um Forschungsmittel ständig überprüften und begutachteten Methoden von Professor Kreiter als antiquiert und pseudowissenschaftlich diffamiert. Die Universität Bremen verwehrt sich nachdrücklich gegen diese Unterstellungen.

Es wird aber in dieser Anzeige vor allem auch ein Angehöriger meiner Universität in seiner Menschenwürde angegriffen. Es wird suggeriert, als Durchführender von Tierversuchen sei Professor Kreiter das Menschsein abzusprechen. Mit dieser Ausgrenzung und Entmenschlichung einer Person ist die Grenze zulässiger öffentlicher Meinungsbildung und -äußerung überschritten.

Die Verantwortung für diesen Angriff auf die Menschenwürde ist nicht nur eine Frage an den im Sinne des Presserechts Verantwortlichen, also den Auftraggeber der Anzeige. Die Frage nach der ethischen Verantwortung geht in einem solchen Fall auch an Sie als Verantwortliche, die diese Anzeige angenommen und veröffentlicht haben. Sie gehören über den Verlegerverband zu den Trägern der freiwilligen Presse-Selbstkontrolle und binden sich damit an den Pressekodex. In § 1 heißt es, „die Wahrung der Menschenwürde“ zählt zu den obersten Geboten der Presse. Dieser Paragraph des Pressekodex muss auch für Anzeigen Gültigkeit haben, deren Verantwortung nicht in erster Linie bei der Redaktion liegen. Die Wahrung der Menschenwürde ist unteilbar. Ein solcher Angriff auf die Menschenwürde einer Person sollte in einem demokratischen Rechtsstaat nicht in Zeitungen wie den Ihren publiziert werden. 

Bisher habe ich Ihre Zeitungen stets als kritische Begleiter gesellschaftlicher Entwicklungen wahrgenommen, als Institutionen öffentlicher Verantwortung. Ich hoffe sehr, dass Sie dies auch in Zukunft sein wollen, und appelliere an Sie, zukünftig Anzeigen, die ganz offensichtlich die Menschenwürde von Personen verletzen, nicht mehr anzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Prof.Dr.-Ing. Bernd Scholz-Reiter

- Rektor der Universität Bremen -

Mann mit Brille an einem Schreibtisch.
Professor Bernd Scholz-Reiter