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Wirtschaftswissenschaftler analysiert Russland und China

An der Universität Bremen vergleicht Professor Michael Rochlitz die politökonomischen Systeme von Russland und China und kommt zu verblüffenden Erkenntnissen. Er ist ein Experte für beide Länder.

Michael Rochlitz, neu berufener Professor im Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Universität Bremen, beschäftigt sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung autoritär regierter Staaten. Insbesondere untersucht der Politikökonom die aktuellen Entwicklungen in Russland und China. Inzwischen ist zu dem Thema eine einzigartige wissenschaftliche Studie entstanden. Er hat sie gemeinsam mit seinem Kollegen, Professor Alexander Libman von der Ludwig-Maximilians-Universität München, verfasst. Wegen ihrer verblüffenden Schlussfolgerungen findet sie große Beachtung in der Öffentlichkeit und wird nun auch als Buch erscheinen.

Was haben die Autoren herausgefunden?

„Seit 2008 stagniert Russlands Wirtschaftswachstum“, sagt Rochlitz. Von 2000 bis 2008 habe es zwar einen Aufschwung gegeben, der sei jedoch hauptsächlich durch die damaligen hohen Ölpreise zustande gekommen. Nach dem Ausverkauf des Staates unter Boris Jelzin, bei dem sich einige Wenige die relevanten Firmen unter den Nagel rissen, habe Präsident Wladimir Putin eine rückläufige Entwicklung eingeleitet. „Eine Reihe von Oligarchen wurden enteignet oder landeten sogar im Gefangenenlager“, so der Politökonom. Die hauptsächlich auf Kontrolle basierende Politik Putins mache es heute den Regionen des föderalistischen Staates fast unmöglich, durch Eigeninitiativen Wirtschaftswachstum zu erzielen.

Dezentrale Freiheiten in China

„Bis vor kurzem war das in China ganz anders“, erläutert Rochlitz seine Forschungsergebnisse. „China ist eigentlich auch ein zentralistischer Staat, hat aber seinen Beamten auf unterschiedlichen administrativen Ebenen freie Hand gelassen. Sie durften dezentralisiert experimentieren. Entscheidend war das Ergebnis, insbesondere wirtschaftliches Wachstum.“ Eine in Russland viel debattierte Frage war nun, ob Russland denn von China lernen könnte? Interessanterweise verhalte es sich jedoch eher umgekehrt. Xi Jinping, seit 2013 Staatspräsident des Riesenlandes, versuche seit einiger Zeit auch nach 2022, dem offiziellen Ablauf seiner Amtszeit, an der Macht zu bleiben. Dazu verwende er unter anderem eine massive Antikorruptionskampagne, um gezielt Gegner auszuschalten. „Eine Million Staatsbeamte sitzen im Gefängnis“, sagt der Bremer Wissenschaftler, „und der Rest traut sich nicht mehr, wirtschaftlich Initiative zu ergreifen“. Die Übernahme dieses „russischen Modells“ mache sich auch prompt bemerkbar. „Bis 2012 betrug das Wirtschaftswachstum in China rasante zehn Prozent, derzeit sind es nur noch fünf.“

Facebook als Plattform für die Opposition

Für ihr Buch „Federalism in China and Russia: Story of Success and Story of Failure?“ (deutsch: Föderalismus in China und Russland. Eine Geschichte des Erfolgs und des Misserfolgs?) haben die beiden Autoren unzählige Quellen ausgewertet, die Länder bereist, Interviews geführt. Die vergleichende Analyse betrachte ungewöhnlich viele Dimensionen der parallelen Entwicklung beider Föderationen: fiskalische Bindungen und Anreize, bürokratische Praktiken, Informationsflüsse und Verhalten lokaler Regierungen, heißt es in einem Kommentar zu dieser Arbeit. Rochlitz nennt ein Beispiel für das heterogene Bild, das sich die Autoren machen konnten. Während China das Internet kontrolliert und systematische Restriktionen verhänge, sei Facebook in Russland weiterhin eine Plattform für die Opposition. „Es gibt eine aktive russische Zivilgesellschaft und zahlreiche NGOs, was bei uns so oft nicht wahrgenommen wird“, unterstreicht er. Informationen aus diesen Kreisen seien für ihre Forschungen wichtig gewesen.

Spannende Geschichten

Der 37-jährige Professor spricht fließend englisch, französisch, russisch, italienisch. „Im Chinesischen habe ich nur Basiswissen“, lächelt er. Zahlreiche wissenschaftliche Stationen führten ihn an Hochschulen nach Paris, Schottland, Moskau, Jekaterinburg, London, Lucca und München. Neben seiner Tätigkeit in Bremen in der Forschungsgruppe von Professorin Jutta Günther ist er Assoziiertes Mitglied an der Higher School of Economics in Moskau und bestens vernetzt. Michael Rochlitz kann spannende Geschichten aus dem Leben der Menschen in jenen Ländern erzählen, die er beforscht.

Hinweis für Redaktionen:

Professor Michael Rochlitz beantwortet als Experte gern detailliert Fragen zu aktueller Politik und Wirtschaftsentwicklung in Russland und China.

Weitere Informationen:

Website des Buches (in englischer Sprache): https://www.e-elgar.com/shop/federalism-in-china-and-russia-story-of-success-and-story-of-failure

Fragen beantwortet:

Prof. Dr. Michael Rochlitz
Fachbereich Wirtschaftswissenschaft
Universität Bremen
Tel.: +49 421 218-66990
E-Mail: michael.rochlitz@uni-bremen.de
Website: https://sites.google.com/site/michaelrochlitz/

 

 

 

 

Junger Mann vor einer Leinwand
Engagiert und kenntnisreich: Der 37-jährige Michael Rochlitz ist Experte für China und Russland