Detailansicht

Internationale Organisationen in der „Legitimitätskrise“: Fachtagung an der Uni sucht nach Antworten

Nr. 276 / 9. September 2013 KUB

Internationale Organisationen wie die Welthandelsorganisation WTO, die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und viele weitere Institutionen werden schon lange nicht mehr uneingeschränkt als Hilfe bei internationalen Krisen und Problemen angesehen – sie werden heute stattdessen auch als Ursache oder Katalysator von Fehlentwicklungen angefeindet. Die Kritik an derartigen Organisationen reißt nicht ab und hat demzufolge einen Einfluss auf ihr Selbstverständnis und ihre Arbeitsweisen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen diskutieren Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler mit Vertreterinnen und Vertretern internationaler Organisationen jetzt von 11. bis 13. September in der englischsprachigen Fachtagung

„The Legitimation and De-Legitimation of Global Governance Organizations”

an der Universität Bremen darüber, wie sich internationale Organisationen an veränderte Erwartungen an ihre Arbeit anpassen. Wie haben sich die öffentlich kommunizierten Erwartungen an internationale Organisationen in den vergangenen Jahren gewandelt? Wie wirken sich der Aufstieg Chinas, Indiens oder Brasiliens, die zunehmende wirtschaftliche Globalisierung und die globale Finanzkrise auf die öffentliche Anerkennung internationaler Organisationen aus? Und welche Maßnahmen treffen internationalen Organisationen selbst, um unter den oben genannten Bedingungen das Mindestmaß an gesellschaftlicher Anerkennung zu erhalten, das sie benötigen, um erfolgreich arbeiten zu können? Beispiele für laufende Diskussionen finden sich weiter unter in den Kontaktdaten.

Organisiert wird die Tagung von der Forschungsgruppe „Globale Normen“ am Institut für Interkulturelle und Internationale Studien (InIIS) an der Universität Bremen. Das Konferenzprogramm findet sich im Internet unter

http://www.globalnorms.uni-bremen.de/?page_id=1585.

Weitere Informationen und Kontakt:
Universität Bremen
Institut für Interkulturelle und Internationale Studien (InIIS)
Ellen Reichel
Tel.: 0421/218-67467
E-Mail: globalnormsprotect me ?!iniis.uni-bremenprotect me ?!.de

Zum Hintergrund: Anfang September trat der Brasilianer Roberto Azevêdo sein Amt als neuer Generalsekretär der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf an. Er findet dabei eine Organisation vor, der in der Öffentlichkeit ein rauer Wind entgegen weht. So wird die WTO von ihren Kritikern wahlweise für die Armut in der Dritten Welt verantwortlich gemacht, als Gefahr für die nationalstaatliche Demokratie bezeichnet oder – angesichts des drohenden Scheiterns der Doha-Runde – als nicht länger relevant enttarnt. Derart gezeichnet sehen einige Beobachter im Beginn der Amtsperiode Azevedos gar die „letzte Chance für die WTO“ (Neue Züricher Zeitung vom 2. September 2013). Die Welthandelsorganisation steht aber keineswegs alleine; auch andere internationale Organisationen haben in der Öffentlichkeit einen schweren Stand. Fragt man etwa die Europäer, ob sie der Europäischen Union vertrauen, so verneinen – anders als noch vor ein paar Jahren – die meisten der Befragten. Und auch der Weltbank, dem Internationale Währungsfonds, den Vereinten Nationen oder der G8 attestieren einige eine „Legitimitätskrise“. Diese Krise resultiert nicht zuletzt daraus, dass einerseits die öffentlichen Erwartungen an internationale Organisationen sehr hoch sind – siehe etwa die Hoffnungen auf die Vereinten Nationen in der internationalen Friedenssicherung - und dass andererseits nationalstaatliche Politiker Erfolge nur zu gerne für sich selbst verbuchen, während sie die Verantwortung für Misserfolge häufig „der EU“, „der WTO“ oder „den Vereinten Nationen“ zuschreiben.

Nun ist öffentliche Kritik keineswegs per se ein Problem, sondern genauso Teil einer demokratischen politischen Kultur. Gleichwohl sind die starke mediale Sichtbarkeit und die „Politisierung“ ihrer Arbeit für zahlreiche internationale Organisationen neu; und auch die Qualitätsmaßstäbe, an denen ihre Arbeit nicht mehr nur von den Regierungen der Mitgliedstaaten, sondern auch von einer politisch interessierten Öffentlichkeit bewertet werden, haben sich mitunter verändert.