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Finding the man inside: Parlement of Foules spielt „We Happy Few“

The Parlement of Foules bot im Theaterhaus Schnürschuh Imogen Stubbs’ „We Happy Few“

Bei We Happy Few geht es um die Arbeit einer ausschließlich weiblichen, siebenköpfigen (und damals real existierenden) Theatertruppe, die im Zweiten Weltkrieg als Stimmungsaufheller durch England tourt. Die Artemis Players bieten moderne Stücke, aber auch viel Shakespeare an, wobei die Frauen nicht nur mehrere Rollen, sondern natürlich auch alle Männerrollen spielen müssen. In dieser Hinsicht bot diese Aufführung eine spannende Parallele zu 2011, als das Parlement of Foules unter der Regie von Michael Claridge Shakespeares Henry V mit einer gänzlich weiblichen Besetzung aufführte. So kehrte jetzt eine weitere „weibliche Brüderbande“ ins Schnürschuh-Theater zurück. Wie die Leiterin der Artemis Players ihren Chargen einbläut: “Unsere größte Herausforderung besteht darin, die Männer zu spielen, den Mann in jeder von uns zu finden, seine Stimme, seine Gestik, seine Ausdrücke.” Hiermit wird das Hauptanliegen des Stücks angesprochen: Gender. Das G-Wort entfaltet sich in vielfacher Hinsicht: in einer Mutter-Tochter-Beziehung; bei einem jungen lesbischen Paar; bei einer jungen Frau, die bei einer Kaiserschnitt-Geburt stirbt (eine geschickte Anspielung auf die Geburt Macbeths); und bei der Leiterin der Gruppe, die von Abtrünnigen als „Dyke“ (Lesbe) beschimpft wird, die sich dann aber im Laufe der Handlung als Vergewaltigungsopfer und Mutter entpuppt.

We Happy Few ist ein äußert schwieriges Stück und daher schwer zu spielen. Von der Autorin selbst als „ein relativ altmodisches, herzerwärmendes, sentimentales Stück“ bezeichnet, wurde es bei der Premiere 2004 ob seiner Länge angeprangert. Aber die Foules ließen sich von solchen Überlegungen nicht schrecken und packten dieses in doppelter Hinsicht aktuelle Werk an.

„Das ist unmöglich, sie ist keine Jüdin!“

Die vielleicht heikelste Nebenhandlung ist diejenige um Gertrude und Joseph Rosenbaum, Mutter und Sohn. Sie sind jüdische Flüchtlinge aus Hitler-Deutschland, die sich den Players anschließen, um dort für musikalische Untermalung zu sorgen. Konfliktstoff entsteht für Gertrude (Anja Taudte), als Joseph (Oliver Kück) sich in Ivy (Hannah Elleringmann) verliebt:  „Das ist unmöglich, sie ist keine Jüdin!“ Erst nach beider Tod (Joseph fällt als britischer Soldat und Ivy stirbt bei der Kaiserschnitt-Geburt), findet sie in ihrer Enkeltochter Trost.

Die Anspielungen auf das Werk Shakespeares, das die Artemis Players aufführen, sind immens. Das Shakespeare’sche Motiv „Das Stück innerhalb des Stücks“ wird auch von Stubbs aufgegriffen. Die Foules mussten ganze Shakespeare-Szenen (vor allem Macbeth, später Henry V) nachspielen, was insofern schwierig war, als sie unerfahrene Profis und zwangsverpflichtete Aktricen mimen mussten  eine herbe und von allen bravourös und mit viel Humor bewältigte Herausforderung. Zum Schluss kommt es zu einer wahren Ballung von Shakespeare-Referenzen. Ausgerechnet am VE-Day, dem letzten Tag des Krieges, als die Truppe Henry V spielt, erfährt Hetty Oak, dass ihr Sohn, der ausgerechnet Crispian heißt, gefallen ist. So muss sie bei der berühmten St.-Crispian’s-Day-Heldenrede Henrys den Namen ihres Sohnes sage und schreibe siebenmal mit brechender Stimme aussprechen, während ihre Mitspielerinnen, nichts ahnend, hinter ihr stehen. Was im Drehbuch als Kitsch gelesen werden könnte, wird von Franziska Ptok so herausragend gespielt, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Neben Franziska Ptok in der zentralen Rolle muss an dieser Stelle auch die Leistung von Lisa Eisold als Hettys Assistentin Flora Pelmet erwähnt werden, die mit einer mitreißenden Energie den Optimismus verkörpert.

Gänsehaut pur

Die anschließende Schlussszene ist Gänsehaut pur. Nachdem Hetty die berühmte Rede am Ende des Sturms spricht, stimmt die gesamte Truppe vierstimmig und a cappella das Kirchenlied „Abide With Me“ ein. Wir hoffen, dass dieser Kunstgriff der Foules bei weiteren Produktionen aufgegriffen wird.
Willkommene und immer gelungene Nebenprodukte der Foules-Aufführungen sind die Programmhefte  dieses Mal mit einem spannenden Interview mit Regisseur Michael Claridge (bitte weiter so)  sowie das umfangreiche „Schools Pack“ (großartig von Franziska Ptok, Hannah Elleringmann und Eric Penkala konzipiert und realisiert), das Lehrer/innen und Schüler/innen substanziell auf den Theaterbesuch vorbereitet.

Diese Aufführung der Foules ist wieder einmal ein treffliches, oft unterschätztes Beispiel für die Einbindung der Universität Bremen in das kulturelle Leben der Stadt sowie ein weiteres Aushängeschild für die „Exzellenz“ unserer Universität.

Ian Watson war bis 2011 Hochschuldozent für anglistische Literaturwissenschaft und literarisches Schreiben im Fachbereich 10

Bei We Happy Few geht es um die Arbeit einer ausschließlich weiblichen, siebenköpfigen (und damals real existierenden) Theatertruppe, die im Zweiten Weltkrieg durch England tourt.