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Informatikstudierende ermöglichen Abschied vom Karteikasten

Max Mustermann möchte seine entliehenen Medien nochmal verlängern. Er hat einige Bücher noch immer nicht zurückgegeben. Deshalb erhält er vom Bibliothekar eine Mahnung per Mail. Das sind einige Anforderungen, die eine passgenaue Software für die Schulbibliothek an der Oberschule Rockwinkel erfüllen…

Interviews in der Schulbibliothek

„Ich freue mich, dass wir einen realen Kunden gefunden haben“, sagt Professor Rainer Koschke. „Früher habe ich die Praxisanforderungen simuliert, einen Auftraggeber gespielt und typische Missverständnisse provoziert“. Das Softwareprojekt im Fachbereich Mathematik/Informatik gehört zum forschenden Lernen und ist „eine Treppe zu längeren Projekten im Bachelor- und Masterstudium“, sagt der Informatiker. „Meine Studierenden sollen später für Unternehmen Software entwickeln und Programme schreiben können.“ Das muss geübt werden. In einer vorausgegangenen Vorlesung hat der Dozent erläutert, wie die Kundenorientierung umgesetzt werden muss und wie im Team an der anspruchsvollen Aufgabe gearbeitet werden kann. Was braucht die kleine Bibliothek, wie laufen Mahnungen ab, werden Gebühren berechnet, wie erfolgen die Benachrichtigungen? Solche Fragen haben die Studierenden dann direkt vor Ort in Interviews gestellt und dokumentiert. Zusätzlich waren sie in der Staats- und Universitätsbibliothek und haben sich hinter den Kulissen umgeschaut.

„Heute Morgen war das noch da“

Kurz vor Abgabeschluss sitzen nun fünf Bachelorstudierende im TZI und stellen ihrem Tutor Dr.KarstenHölscher die Ergebnisse vor. Der hat eine Liste mit Mindestanforderungen vor sich liegen und hakt ab. Wie kann der Bibliothekar einen Leser hinzufügen, einen anderen aus der Liste löschen? Das muss einfach handhabbar sein. Die Gruppe hat ihre Notebooks aufgeklappt und verfolgt die Aktionen am Beamer. Schon nach kurzer Zeit ist der Klassiker zu hören: „Heute Morgen war das noch da“. Carina Harrius ist mit dem Design noch nicht zufrieden. „Wir arbeiten seit Januar gemeinsam an der Software“, sagt sie. „Ich war mal in einer zehnminütigen Pause in der Schulbibliothek“, erzählt Oliver Grahlke. „Die Bibliothekarin hat die gesamte Zeit gebraucht, um ein Buch zurückzunehmen, weil sie die Karte im Karteikasten nicht fand.“

Suche nach sozialen Einrichtungen als Kunden

„Für uns hat sich das Projekt schon jetzt gelohnt“, sagt Jürgen Meyhöfer, seit zwei Jahren Leiter der kleinen Schul- und Stadtteilbibliothek mit 9.000 Bänden. Die Zuordnung Buch-Leser, Karte-Buch sei sehr häufig eine Fehlerquelle gewesen. „Wir wollen vom Karteikartensystem weg.“ Seit mehr als einer Woche ist er gemeinsam mit vier Helferinnen dabei, jedes Buch für die elektronische Erfassung fit zu machen. Einige haben eine ISBN-Nummer mit dem dazugehörigen Strichcode, ältere Bücher jedoch nicht. Passende Schülerausweise zum Scannen gibt es schon. „Einige Studierende wollen sogar eine App für Smartphones entwickeln“, freut sich Meyhöfer. Er hofft, dass die elektronisch aufgefrischte Bibliothek auch für Jahrgänge in der Mittelstufe wieder interessant wird, die Lesen uncool finden. „Wir sind sehr gespannt, ob die Software ihre Nagelprobe besteht“, sagt der Bibliothekar, der sich auf die Präsentation Anfang März an der Uni Bremen freut. Toll für die Schule: Sie erhält diese Hilfe kostenlos. „Wir wollen auch für zukünftige Software-Projekte soziale Einrichtungen als Kunden gewinnen. Die Studierenden sind einfach motivierter, und das Ganze dient auch noch einem guten Zweck", erklärt Dozent Koschke.

Weitere Informationen finden Sie unter:
www.tzi.de

www.rockwinkel.schule.bremen.de

 

Die Informatikstudierenden Mathias Franke (von links), Gerrit Berghaus und Patrick Lorenz erfassen vor Ort die Anforderungen an ihre Software. Foto: Jürgen Meyhöfer.
Die Schulbibliothek Rockwinkel ist für Schülerinnen und Schüler ein beliebter Rückzugsort. Foto: Jürgen Meyhöfer.
Carina Harrius und Julian Stoick tüfteln an der Software. Foto: Jürgen Meyhöfer.