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Vegetarier spielen im Schlachthof

„Büchsenfleisch, kauft Büchsenfleisch, frisches, saftiges Büchsenfleisch!“ Wieder und wieder skandieren Moritz Jerzembeck, Student der Politikwissenschaften, und Elektrotechnikstudent Sven Ole Schmidt den Text. Regisseur Franz Eggstein ist noch nicht zufrieden. „Das muss absolut synchron gesprochen…

Die Theatergruppe, organisiert als Verein, ist für ihre qualitativ hochwertigen Produktionen weit über die Grenzen der Universität hinaus bekannt. Diesmal haben die Regisseure Franz Eggstein und Roland Klahr, beide Lehrbeauftragte im Institut für historische Publizistik, Kommunikations- und Medienwissenschaften (IPKM) im Fachbereich Kulturwissenschaften, einen besonders dicken dramatischen Brocken auf die Schippe genommen. Bertolt Brechts „Heilige Johanna der Schlachthöfe“ wollen sie am 6. Juli zur Premiere bringen. 34 Studierende aus allen Fachbereichen sind involviert, um die Geschichte von brutalster Ausbeutung, Aussperrung und Generalstreik, Widerstand und Gewalt, Konkurs und Monopolbildung auf Chicagos riesigen Schlachthöfen während der Zeit der Weltwirtschaftskrise lebendig werden zu lassen. Ein Lehrstück in politischer Ökonomie, Karl Marx wird lebendig.

Mit Kapitalismuskritik wachrütteln

Was im Theatersaal unter der Mensa Probe für Probe Gestalt annimmt, ist sinnliches Theater voller zwischenmenschlicher Spannungen, Zweifeln und Verrat, Tugend und Schuld, Versagen und Untergang. Die Heilige Johanna, angelehnt an Jeanne d’Arc (Brecht nennt sie Johanna Dark) spielt eine Star-Schauspielerin des Ensembles, die hochtalentierte Psychologiestudentin Inken Janßen. „Am Anfang habe ich die Johanna als recht naiv eingeschätzt“, sagt sie „nun sehe ich immer mehr Vielschichtigkeit“. Ihren Gegenspieler, den Fleischkönig Mauler, gestaltet Niccolo von Blanckenburg, Student der Wirtschaftspsychologie. Ihm geht es auch um die Kapitalismuskritik: „Ich will die Leute wachrütteln, das System zu erkennen“, sagt er. MaricaTomiak, sie studiert Geschichte und Germanistik, ist Slift, die rechte Hand des Fleischkönigs. Für sie ist es einen besondere Herausforderung, die gesamte Zeit über auf der Bühne präsent zu sein, denn: „Auch wenn ich nichts sage, spiele ich mit“. Witzige Fußnote: Alle Hauptdarsteller, die vor dem blutigen Hintergrund der Fleischerzeugung agieren, sind Vegetarier.

Multimedial aufpoliert

Damit es flüssig läuft, sitzt Johannes Schürmann am Klavier. Der Student der Musikwissenschaften studiert den Chor der Heilsarmee ein. Das ganz Besondere: Er hat alle Lieder neu vertont. Der typische Sound der Brecht-Songs weicht swingenden, groovigen Melodien. Auch sonst wird optisch und akustisch wieder viel geboten. Lars Grochla, bereits seit zahlreichen Produktionen für Public Relations, Bühnenbild, Finanzen und Organisation im TIC verantwortlich, wird die Handlung multimedial aufpolieren. „Ohne ihn ginge es gar nicht“, sagt Franz Eggstein. Und der Student der Digitalen Medien wird es wieder krachen lassen. „Ich kriege zehn bis zwölf Bildschirme, über die Videos laufen werden mit Szenen aus Schlachthöfen bis hin zu Charlie Chaplin und Pink Floyd“, verrät er schon einmal.

Theater der Gemeinsamkeit

Bis sich der Vorhang am Sonntag, 6. Juli, heben kann, ist noch viel disziplinierte Probenarbeit nötig. Die Mitwirkenden engagieren sich intensiv in ihrer Freizeit, einstudiert wird donnerstags bis sonntags. Das Theaterangebot gehört zu den General Studies, es gibt Credit Points sowie eine Note dafür. „Gemeinsam ein Projekt umzusetzen, lernt man beim Theater wunderbar“, sagt der erfahrene Regisseur Eggstein. Das TIC wird die neue Produktion vom 6. bis zum 19. Juli zeigen. Tipp: Hingehen!

Premiere: Sonntag, 6. Juli 2014 um 19 Uhr
Weitere Termine: Mittwoch, 9. Juli, Donnerstag, 10. Juli, Dienstag, 15. Juli, Mittwoch, 16. Juli, Freitag, 18. Juli, Samstag, 19. Juli, jeweils um 19 Uhr.

Mann und Frau mit Handy
Inken Janßen alias Johanna sendet eine Nachricht an die Heilsarmee, die ihr Niccolo von Blanckenburg als Fleischkönig Mauler ins Handy diktiert.
Zwei Männer im Gespräch
Regisseur Franz Eggstein (links) in einer Proben-Besprechung mit Ausstatter Lars Grochla.
Chor mit Klavier im Vordergrund
Der Chor der Schwarzen Strohhüte probt unter Leitung von Johannes Schürmann am Klavier einen Song.