Barrieren an der Universität
Die Universität als Lernort hält nicht nur Möglichkeiten zur Ausbildung und Weiterentwicklung offen, sondern stellt Studierenden auch Hindernisse in den Weg. Sie ist ein komplexer Ort, sowohl in baulicher, in sozialer als auch in akademischer Hinsicht. Dadurch können auf vielen verschiedenen Ebenen Hindernisse und daraus resultierende Probleme für die Studierenden auftreten, die sich in den vorherrschenden- teils sehr starren - Strukturen der Universität begründen.
Vielleicht wird bei dem Themenpaar „Behinderung und Hindernisse“ zuerst an die architektonische Barrierefreiheit - an Rampen, Fahrstühle und automatische Türen – gedacht. Barrieren gibt es aber ebenso auch bei der Konzeption von Lehrangeboten, in den sozialen Regeln und in allen weiteren Bereichen des universitären Kleinkosmos. Verschärft wird diese Situation durch ein Nichtwahrnehmen oder Ignorieren dieser Probleme. Ein Problem, das wahrgenommen wird, das bearbeitet wird, für das sich Menschen ernsthaft interessieren kann auch gelöst werden. Probleme, die nicht wahrgenommen werden, die vernachlässigt werden, die sogar lächerlich gemacht werden, können bald immer größere Ausmaße annehmen. So wird schließlich aus einigen Hindernissen ein ganzer Hindernisparcours.
Ein Hindernisparcours ist damit keine Ansammlung vieler zufälliger kleinerer Probleme, er ist vielmehr das Symptom einer strukturellen Vernachlässigung des Ortes Universität unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit. Dies trifft alle, die sich im universitären Rahmen bewegen oder eben auf Grund von Hindernissen nicht voran bewegen können. Vielmals wird die Überwindung dieses Parcours als alleinige Aufgabe der betroffenen Studierendengesehen und nicht als Aufgabe, deren Bewältigung in der Verantwortung der gesamten Universität liegt. Dies hat zur Folge das viele Studierende dem Druck ausgesetzt sind, sich immer wieder erklären und recht fertigen zu müssen. Bei Studierenden mit Beeinträchtigung wird fälschlicherweise häufig von einer „besonderen“ Zusatzleistung gesprochen, von einer speziellen Unterstützung und Hilfestellung, die Mitglieder dieses Personenkreises nötig hätten, weil sie besonders hilfsbedürftig seien und nicht so eigenständig studieren könnten wie „normale“ Studierende. Dieser Bedarf nach Unterstützung und speziellen Angeboten ist jedoch viel weniger ein Attribut dieser Studierenden, als vielmehr ein Bedürfnis, das erstdurch die Konfrontation mit den barriereunfreien Strukturen an der Universität zutage tritt.
Eine Universität sollte allen Studierenden angemessene Unterstützungen und Angebote zur Verfügung stellen, allen Studierenden ein barrierefreies Studium garantieren. Wenn wir hier also auf einen Hindernisparcours für Studierende mit Behinderung oder chronischer Erkrankung hinweisen, dann möchten wir nicht auf Bevorzugung hinarbeiten, sondern ganz im Gegenteil auf eine Gleichstellung aller Studierender.
Das Problem ist dabei nicht eine besondere Schutzbedürftigkeit von Studierenden mit Behinderung oder chronischer Erkrankung, sondern das Ignorieren ihrer Lebens- und Studiensituation auf struktureller Ebene. Eine barrierefreie Gestaltung des Lernortes Universität mit all seiner Komplexität kommt nicht nur einzelnen Studierenden zu Gute, die dann ein paar Treppenstufen weniger überwindenmüssen, sondern bietet allen Personen, die sich im universitären Rahmen bewegen, Strukturen, die Individualität zulassen, berücksichtigen und fördern und somit ein gemeinsames Vorwärtskommen aller ermöglichen.
Nicht zuletzt ist die Arbeit an einem barrierefreien Studium auch eine Möglichkeit für die Universität sich ihrer eigenen Stärken bewusst zu werden. Wenn die Probleme auf baulicher, sozialer und didaktischer Ebene liegen, so können in diesen Bereichen auch Lösungen erarbeitet werden. Bereiche, in denen eine Universität schon Studiengänge und Forschungen betreibt. Jetzt muss nur noch ein kompetentes Problembewusstsein hinzukommen.