Buchvorstellung „Aufbruchstimmung“

Bild von Podiumsdiskussion
v.l.: Christine Strotmann, Prof. Cornelius Torp, Peter Senft , Dr. Moritz Mälzer und Uni-Rektorin Jutta Günther

„So viel Aufbruch war selten in Bremen“, schreibt der Bremer Historiker Cornelius Torp am Anfang der jetzt von ihm herausgegebenen Monographie „Aufbruchstimmung – Die Universität Bremen und das Projekt Hochschulreform“. Die Aufsatzsammlung beleuchtet das Spannungsfeld, in dem sich diese wohl profilierteste deutsche Reform-Uni der 1970er Jahre befand: Zwischen geradezu ungestüm experimentierfreudiger, oft auch heiterer Aufbruchsstimmung und einem „finsteren Bild der linken Kaderschmiede“. Das sehr lesenswerte Buch wurde jetzt bei einer gut besuchten Podiumsdiskussion vorgestellt. Dabei hat sich ein Phänomen seit den Gründerjahren stabil gehalten: kritische Reflektion gepaart mit ausgelassener Heiterkeit.

„Wir waren gar nicht so in Aufbruchsstimmung“, sagte unser Alumnus Peter Senft in der Diskussionsrunde und meinte damit die wirklich allererste Generation von wenigen Hundert Studierenden, die 1971 an der Uni Bremen anfingen. „Viele von uns kamen nach einer Lehre über den zweiten Bildungsweg und haben das Studium ganz nüchtern als nächste Ausbildungsstufe betrachtet“. Tatsächlich landeten sie in einem bildungspolitischen Realexperiment, dessen endlose, aber auch inspirierenden Diskussionen schnell zu einem Markenzeichen wurden. Viele universitäre Strukturen erarbeiteten sich Lehrende und Studierende im Alltag und oft gemeinsam. „Wir haben im Jura-Studium erst nach mehreren Semestern eine Prüfungsordnung bekommen“, berichtete Senft. „Das drittelparitätische Mitbestimmungsmodell bedeutete: Es gab 275 Gremienplätze für 429 Studierende“. Staunendes Gelächter bei den jüngeren Zuhörer:innen. Die Mitbestimmung war natürlich ein zentraler Reformgedanke, so Torp, um die verkrusteten und den wissenschaftlichen Fortschritt hemmenden Strukturen der alten Ordinarienuniversitäten zu überwinden. Bremen ist bei der Mitbestimmung in Deutschland vorgeprescht, viel weiter als andere Reform-Unis wie Konstanz oder Bielefeld. Doch 1976 wurden diese Ansätze durch ein neues Hochschulrahmengesetz weitgehend zurückgedreht.

In den Debatten über die Reform-Unis werde oft übersehen, so Torp und sein Historiker-Kollege Moritz Mälzer, dass in der Nachkriegszeit die Studierendenzahlen explodierten - ein weltweiter Trend zur Durchsetzung eines Verwissenschaftlichungsparadigmas - und so ganz neue Strukturen des akademischen Betriebs notwendig machten, um die Studierendenmassen zu bewältigen.

Prägen die Reformbewegungen der frühen Jahre die Uni auch heute noch? „Wir betreiben Wissenschaft und Forschung interdisziplinär und aus einem gesellschaftlichen Verantwortungsbewusstsein. Das gehört zur DNA der Universität Bremen“, so Uni-Rektorin Jutta Günther. Das spiegele sich auch in dem gerade erst veröffentlichten neuen Leitbild der Universität, das einen starken Fokus auf den Klimaschutz lege.

Mit dem Projektstudium und einer praxisbezogenen Lehrerausbildung habe die Uni Bremen damals ganz neue Maßstäbe gesetzt, stellte Helmut Zachau fest, Alumnus und bekannter studentischer Aktivist in den 1970er Jahren. Doch diese produktiven Reformen seien heute leider in den Hintergrund geraten.

Was ist im Alltag von den Reformen geblieben, wollte die kompetente Diskussionsleiterin Christine Strotmann von der Rektorin wissen. „Ich muss im Unterschied zu vielen meiner Kolleg:innen in den Rektoraten, keine Amtskette tragen. Darüber bin ich sehr froh.“ Allgemeine Heiterkeit.

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