Das Global Framework Agreement von H&M

Ein Gastbeitrag von Amy Christians

Beim Bummeln durch die Einkaufspassagen führt nichts daran vorbei, dass einem Schilder, fett und rot mit „Sale“ beschriftet, ins Auge springen. Preise, die schon so viel zu niedrig erscheinen, werden weiter gesenkt, weil das, was aus der Mode ist, schnell Platz für Neues machen muss. Dieses Phänomen ist das Ergebnis unseres Wunsches, schnell, viel und billig unseren Kleiderschrank aufzufüllen, von dem Fast Fashion Brands wie H&M kapitalisieren, meist auf Kosten der Arbeiter*innen, die viele Tausend Kilometer entfernt sitzen (Greenpeace, 2017). Mit der Globalisierung ist es eine gängige Strategie in Unternehmen geworden, die Produktion in andere Länder, meist Entwicklungsländer, zu verlagern, nur noch in den wenigstens Fällen ist die Lieferkette auf einzelne Länder beschränkt. Sogenannte „Multinational Coporations (kurz MNCs)“ nutzen diesen Vorgang, um dort zu produzieren, wo Kosten gering und Effizienz hoch sind, sodass sie im Wettrennen „Schneller, Billiger, Mehr“ mithalten können. Doch in diesem Wettbewerb um Kunden verliert schlussendlich kein Unternehmen, vielmehr sind die Arbeiter*innen, die täglich um ihre Existenz kämpfen, betroffen. Denn von den Profiten, die das Unternehmen macht, kommt am Ende bei jenen nur wenig an. In diesem Fall sind vor allem die Näher*innen massiv betroffen, so dass bereits von „Ausbeutungsbetrieben“ gesprochen wird (Hinzmann, 2009). So lassen sich in öffentlichen Skandalen wie in Karatschi 2012, wo 300 Menschen bei einem Großbrand in einer Textilfabrik umgekommen sind, nur Bruchteile der schlechten Arbeitsbedingungen erahnen, denn von dem Ausmaß der Unterdrückung der Arbeiter*innen hinter verschlossen Türen sind meist selbst die Unternehmen im unklaren (Amann, 2012). Arbeiter*innen fehlt es in derartigen Fabriken an jeglichem Schutz, da Arbeitsrechte schlecht implementiert oder gar nicht erst gegeben sind, während die unterschiedlichen Gesetze von Land zu Land sowie die Unerreichbarkeit des Haupsitzes eines Unternehmens ein individuelles Vorgehen erschwert. Beispielsweise berichtet eine Näherin aus Nicaragua: "Wir arbeiteten von 7 Uhr morgens bis 19 oder 21 Uhr abends. Wenn Eilaufträge vorhanden waren, wurden wir gezwungen, 24 Stunden am Stück zu arbeiten. Wir arbeiteten auch das Wochenende durch, oft gab es keinen Tag Pause dazwischen. Sie behandelten uns wie Tiere, oder so, als ob wir Maschinen wären. Sie brüllten uns an, beschimpften und beleidigten uns. Manchmal wurden Mitarbeiter sogar geschlagen" (Hinzmann, 2009). Doch genau da kommt das Global Framework Agreement (GFA) ins Spiel, um gegen diese Ausbeutungsbetriebe vorzugehen und für mehr Rechte für die Arbeiter*innen bei allen Zulieferern eines Betriebes einzustehen. Bei einem GFA verhandeln und unterzeichnen MNCs mit globalen Gewerkschaftsverbänden (Global union federations „GUF“) eine freiwillige Vereinbarung, die globale Arbeitsbeziehungen regulieren und den sozialen Dialog fördern sollen, mit dem Ziel, Arbeitgeber*innen sowie Arbeitnehmer*innen einen fairen Produktionsprozess zu versichern und Transparenz zu schaffen. GFAs sind dabei besonders auf den globalisierten Arbeitsmarkt angepasst, da sie alle Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen eines Unternehmens unter den gleichen Bedingungen zusammenbringen, sodass kollektive Arbeitsregelungen sich den nationalen überordnen (Hadwiger, 2016).

Vor diesem Hintergrung unterzeichnete auch H&M, eine der größten Fast Fashion Brands weltweit, im November 2015 mit den Partnern „IF Metall“, einer Gewerkschaft aus Schweden, sowie dem globalen Gewerkschaftsverband für den Energie-, Bergbau- und Industiesektor „IndustriAll“ ein Global Framework Agreement, welches im September 2016 dauerhaft verlängert wurde (H&M, 2016). Im Rahmen dieses GFAs werden gemäß der Richtlinien der International Labour Organisation (ILO) und der UN Regulationen für die gesamte Lieferkette des Unternehmens festgehalten. Diese betreffen alle Mitarbeiter*innen, die in Verbindung mit der Produktion und den Verkauf der Waren von H&M stehen. Die wichtigsten Gesichtspunkte der Vereinbarung sichern den Arbeitnehmer*innen folgende Rahmenbedingungen zu: Einerseits sollen sie zukünftig von fairen Arbeitszeiten, fundamentalen Arbeitsstandards, einem Arbeitsvertrag in einer ihnen verständlichen Sprache sowie angemessen Existenzlöhnen profitieren, andererseits erhalten sie das Recht, als Arbeitnehmer*innenvertretung und Gewerkschaft mit Arbeitgeber*innen kollektiv zu verhandeln. Zudem soll innerhalb der Lieferkette aktiv gegen Kinderarbeit und Diskriminierung vorgegangen werden, gleichzeitig aber auch Diversität und Gleichberechtigung in den Vordergrund rücken (IndustiAll, 2015).

Um diese Regelungen in der Praxis umzusetzen, haben die drei Parteien ein System entwickelt, dass auf Aufklärung, Kommunikation und friedliche Konfliktlösung setzt, in welchem die Implementierung auf drei Instanzen aufgeteilt werden: Vorerst sollen alle lieferkettenbeteiligten Fabriken identifiziert und über das GFA durch H&M informiert und aufgeklärt werden, während H&M gleichzeitig auch verpflichtet ist, eine Liste aller Fabriken den anderen Parteien zur Verfügung zu stellen und für die Übersetzung der Dokumente zu sorgen. Sodann werden auch Mitgliedsorganisationen vor Ort durch die IF Metall und IndustriAll eingeschaltet, mit dem Ziel bei jeder Fabrik die Bedingungen für faire Arbeitsstandards zu evaluieren und gegebenenfalls Verbesserungen durchzuführen, wobei sich H&M auf das Management konzentriert und der Fokus der IF Metall und IndustriAll auf den Arbeitnehmer*innenvertretung und den Gewerkschaften liegt. Ferner werden von IndustriAll und H&M jeweils mindestens zwei Repräsentant*innen bestimmt, die zusammen sogenannte „National Monitoring Committees (NMC)“ bilden. Diese befassen sich mit allen Fabriken auf nationaler Ebene, sind also für alle zuvor genannten Fabriken eines Landes verantwortlich, wodurch jedes produktionsbeteiligte Land ein eigenes NMC besitzt. Dadurch, dass NMCs auf die nationalen Gesetze spezialisiert sind, stellen sie individuelle Strategien für die Umsetzung der Vereinbarungen auf und überwachen diese. Bei den lokalen Gewerkschaften und Arbeinehmer*innenvertreter gelten sie deshalb auch als Anlaufstelle für Beratung und versuchen dabei, konfliktvermeidend und konfliktlösend anzuleiten. Wenn auch die NMCs Unterstützung brauchen, haben sie die Möglichkeit, sich an das „Joint Industrial Relations Development Committee (JIRDC)“ zu wenden, wo sich die gleiche Anzahl an Mitgliedern aus allen drei Parteien zusammensetzen und die Implementierung des GFAs auf globaler Ebene planen sowie überwachen. Insgesamt wird also lokal, national und global im Rahmen des GFAs gearbeitet, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen und die Kommunikation zwischen allen Stationen der Lieferkette zu ermöglichen (IndustriAll, 2015).

Schaut man zusammenfassend auf die vergangenen zwanzig Jahre, ist H&M nur eines von vielen Unternehmen, die in Hinblick auf eine Verbesserung der globalen Arbeitstandards ein GFA mit einer GUF unterzeichnet haben. Nicht nur in der Textilindustrie ist das GFA eine Möglichkeit, die Einhaltung der Menschenrechte im internationalen Markt zu gewährleisten, sondern auch in anderen Sektoren werden Ergebnisse erzielt. Mit der stetig voranschreitenden Globalisierung sowie der hinzukommende Faktor der Nachhaltigkeit unseres Konsums wird das GFA auch in Zukunft nicht an Bedeutung verlieren, vielmehr aber in seiner Effizienz steigen (Hadwiger, 2016).

Literaturverzeichnis

Greenpeace (2017): Konsumkollaps durch Fast Fashion: greenwire.greenpeace.de/system/files/2019-04/s01951_greenpeace_report_konsumkollaps_fast_fashion.pdf (Stand 20.08.2022).

Hadwiger, Felix (2016): Global Framework Agreements, Achieving decent work in global supply chains: Background paper: www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---ed_dialogue/---actrav/documents/publication/wcms_759477.pdf (Stand 20.08.2022).

Hinzmann, Berndt (2009): Arbeits- und Menschenrechte in der Textilindustrie www.bpb.de/themen/recht-justiz/dossier-menschenrechte/38751/arbeits-und[1]menschenrechte-in-der-textilindustrie/ (Stand 20.08.2022).

H&M Deutschland (2016): H&M verlängert das globale Rahmenabkommen mit IndustriAll und IF Metall dauerhaft: about.hm.com/de_de/news/general-2016/hm-permanently-collaborates-with-industriall-and-ifmetall.html (Stand 20.08.2022).

IndustriAll (2015): IndustriAll global union and H&M sign global framework agreement: www.industriall-union.org/industriall-global-union-and-hm-sign[1]global-framework-agreement (Stand 20.08.2022).