Aufmerksamkeit

Die Auswahl von Informationen, die für das aktuelle Verhaltensziel relevant sind, ist ein unverzichtbares Merkmal eines jeden Systems, das von einer Flut von Eingangssignalen überwältigt wird, die es zu jedem Zeitpunkt erhält. Aufmerksamkeit ist ein Konzept/Mechanismus, mit dem das Gehirn seine Rechenressourcen auf bestimmte Aspekte des aktuellen Reizes konzentriert, um die Informationsverarbeitung zu verbessern. In Zusammenarbeit mit dem Labor von Andreas Kreiter untersuchen wir neuronale Signaturen und Mechanismen der Aufmerksamkeit im visuellen System, indem wir Datenanalysen von Multielektroden-Daten und Simulationen neuronaler Netzwerke durchführen.

Unsere Forschung konzentriert sich insbesondere auf die Rolle der oszillatorischen Aktivität als Aufmerksamkeits-Gating-Mechanismus: Ist es möglich, den Informationsfluss zwischen visuellen Arealen selektiv zu steuern, indem die entsprechenden neuronalen Populationen mit einer angemessenen Phasenverzögerung synchronisiert werden? Wie sieht die entsprechende Architektur und Dynamik der Netzwerke aus, die an der Aufmerksamkeitssteuerung beteiligt sind? Wirkt die Synchronisation als "Träger" für die Verarbeitung und Übermittlung visueller Informationen aus besuchten Regionen des Gesichtsfeldes?

Informationsweitergabe durch Aufmerksamkeit

Die Betrachtung eines visuellen Reizes geht mit einem starken Anstieg der neuronalen Aktivität im Gamma-Band (30-90 Hz) in den visuellen Arealen V1 und V4 einher. Welche funktionelle Bedeutung hat diese oszillatorische Aktivität für die Informationsverarbeitung im visuellen System?
Eine Möglichkeit ist, dass die Synchronisation dazu dient, die Unterscheidbarkeit zwischen verschiedenen visuellen Reizen zu erhöhen. Wir entdeckten diesen Effekt in lokalen Feldpotentialen (LFPs), wo die Aufmerksamkeit die Klassifizierungsleistung visueller Reize erheblich verbesserte. Derzeit untersuchen wir mögliche neuronale Mechanismen, die dieses Phänomen unterstützen. Unsere Grundidee ist, dass die Synchronisation von zufällig gekoppelten Integrations- und Feuerneuronen dazu dient, Unterschiede in den speziellen Eingangsmustern zu verstärken, die diese Neuronen durch visuelle Stimulation erhalten.

Eine zweite Hypothese besagt, dass Gamma-Oszillationen als Gating-Mechanismus dienen, der Informationen dynamisch zwischen verschiedenen visuellen Bereichen weiterleitet. Diese Idee wird durch eine Kombination von experimentellen und Modellierungsstudien untersucht. Die Experimente werden in der Gruppe von Prof. A. Kreiter durchgeführt. Ihr Ziel ist es, zu quantifizieren, wie viel Information über unabhängige Leuchtdichteänderungen in zwei visuellen Reizen an V4-Neuronen weitergeleitet wird, und zwar in Abhängigkeit davon, ob die Aufmerksamkeit auf den einen oder auf den anderen Reiz gerichtet ist. Die Modellierung umfasst Simulationen von neuronalen Populationen, deren Aktivität durch Gamma-Oszillationen moduliert wird. Unser Ziel ist es, mutmaßliche Mechanismen und Netzwerkarchitekturen zu identifizieren, die sowohl das Gating implementieren als auch die aus den Experimenten gewonnenen neuronalen Daten reproduzieren.

Klassifizierung von kognitiven Zuständen

Es ist bekannt, dass die Aufmerksamkeit auf eine Stelle im Gesichtsfeld die neuronalen Reaktionen auf visuelle Reize stark moduliert. Können wir diese Signaturen der Aufmerksamkeit nutzen, um den aktuellen kognitiven Zustand aus aufgezeichneter Hirnaktivität zu lesen?
In Zusammenarbeit mit Prof. A. Kreiter untersuchen wir neuronale Signaturen der Aufmerksamkeit in Multielektroden-Aufnahmen lokaler Feldpotentiale (LFP) von wachen, sich verhaltenden Makakenaffen. Mit Hilfe von Methoden des maschinellen Lernens, die von linearen Klassifikatoren bis hin zu Support-Vector-Maschinen reichen, sagen wir den aktuellen Stimulus und den aktuellen kognitiven Zustand aus den Gehirnsignalen voraus. Insbesondere identifizieren wir spezifische Signalmerkmale, die Informationen über den Stimulus und über die Richtung der Aufmerksamkeit auf bestimmte Stellen im Gesichtsfeld enthalten. Mit Hilfe zeitaufgelöster Vorhersagetechniken versuchen wir auch zu quantifizieren, wie die Aufmerksamkeitsbelastung von den Aufgabenanforderungen abhängt.

Die hohe Klassifizierungsleistung, die in diesem Projekt erreicht wurde (>99% korrekt für die Klassifizierung des aufmerksamen Ortes), birgt ein hohes Potenzial für zukünftige Gehirn-Computer-Schnittstellen, die auf im visuellen System aufgezeichneten Signalen basieren (siehe z.B. Kalomed).