Auf einen Espresso mit .. Günther Schwarz, Leiter eines Bürgerzentrums in England und jetzt Brexit-Flüchtling

Portrait von Günther Schwarz

Günther Schwarz, Jahrgang 1949, hat von 1972-1978 an der Universität Bremen Sozialpädagogik studiert. Nach einer Lehre und erster Berufstätigkeit hatte er über die Nicht-Abiturienten-Prüfung die Zulassung zur Uni bekommen. Nach dem Studium hat er verschiedene Jobs in der Sozialarbeit übernommen, bis er dann 1981 nach England übergesiedelt ist. Dort war er zuletzt 18 Jahre lang Leiter eines Bürgerzentrums in der südenglischen Kleinstadt Newbury.  

Was war für Dich die prägendste Erfahrung an der Uni Bremen?

Ich fand das sehr gut, dass Studierende im Rahmen der Drittelparität an vielen Entscheidungen beteiligt waren, in der Selbstverwaltung oder der Planung von Studiengängen. Ich selbst war in der Berufungskommission für zwölf verschiedene Professorenstellen tätig. Dabei kam ich nicht aus einem akademischen Haushalt, ich musste mir das alles auch erstmal erarbeiten. Ich hatte vor dem Studium bei Nordmende eine technische Ausbildung als Radio- und Fernsehtechniker gemacht und das war an der Uni plötzlich eine ganz andere Welt für mich.

Was war für Dich das Wichtigste, was Du von der Universität für Deine berufliche Laufbahn mitgenommen hast?

Diese Selbständigkeit, die ich dort gelernt habe. Dass man selbst Sachen ändern und verbessern kann, dass man neue Sachen machen kann. Dass man Initiativen ergreifen muss. Dass man nicht darauf wartet, dass andere das machen, sondern dass man das selbst macht. Dass man sich Freunde sucht und Leute, die ähnliche Interessen haben. Das habe ich dann eigentlich in meinen ganzen Berufsleben in England weiter so praktiziert. Dort sind die Hierarchien rigider und die Institutionen viel autoritärer. Da habe ich etliche Jahre kämpfen müssen, um mir Freiräume zu erarbeiten und eigene Sachen machen zu können.

Welche HochschullehrerInnen waren denn wichtig für Dich an der Uni?

Christian Marzahn war sehr wichtig, außerdem Annelie Keil und Christian Glass. Bei denen waren wir hauptsächlich. Aber wir mussten ja auch noch andere Kurse belegen, in Psychologie und Ökonomie, in Geschichte und Pädagogik. Christian Marzahn hat mir hervorragend geholfen, als ich in England anfangen wollte. Da hat er mir ein ausführliches Gutachten geschrieben über mein Studium an der Uni. Aufgrund dieses Gutachtens ist mein Uni-Abschluss aus Bremen dann in England anerkannt worden, was damals nicht üblich war.

Was kannst Du aufgrund Deiner Studienerfahrungen den heutigen Studierenden mitgeben?

Selbst denken. Kritisch hinterfragen. Sich Informationen aus allen Bereichen holen. Ich weiß nicht, wie die Uni heute organisiert ist. Damals mussten wir unsere Lehrpläne selbst zusammenstellen, auch wenn es ein Grundgerüst gab. Das war anfangs ganz schön schwer, aber dadurch hat man gelernt, selbst zu denken und zu planen, und diese Pläne dann auch schrittweise umzusetzen. Diese Selbständigkeit und auch die Kritikfähigkeit, dass man nicht alles glaubt, weil es in Büchern steht, das ist wichtig. Dass man immer wieder hinterfragt, wie sieht es denn in der Praxis wirklich aus. Die Theorie ist ja gut, und dass man eine hat auch. Aber ist diese Theorie schon mal in der Praxis überprüft worden? Da liegt letztlich der Beweis für jede Theorie.

Du hast gerade diese Qualitäten, die Du an der Uni Bremen gelernt hast, erfolgreich für Deine Tätigkeit als Leiter eines Bürgerzentrums in England nutzen können. Warum gehst Du jetzt trotzdem weg aus England?

Meine Arbeit war super toll. Ich konnte da wirklich sehr viel machen und hatte ein großes Team von bis zu 50 Leuten. Das hat Spaß gemacht. Aber ich habe mich dann frühzeitig pensionieren lassen, was in England ging. In den letzten Jahren wurde es aber immer schlimmer mit der ganzen Auseinandersetzung um den Brexit. Ich bin zum Schluss so enttäuscht gewesen von der Debatte, und dass es jetzt tatsächlich dazu kommen wird, dass ich gesagt habe: Das ist nicht mehr das Land, in dem ich leben möchte. Ich weiß von sehr vielen anderen Europäern, die genauso denken. Viele sind auch schon zurückgegangen. Einige wenige haben dann einen englischen Pass beantragt und mussten dafür einen Haufen Geld bezahlen. Aber das war für mich nie eine Option. Ich fühle mich als Europäer, egal, wo ich lebe.

Was verbindest Du mit dem 50-jährigen Jubiläum der Uni Bremen in 2021?

Kann ich mir gar nicht vorstellen, dass das schon so lange her ist. Ich habe 1972 an der Uni angefangen, da war die Uni gerade ein Jahr alt. Das meiste, was heute die Uni Bremen ausmacht, das gab’s damals noch gar nicht, so zwei, drei kleine Gebäude und das war’s. Dass die Uni jetzt so gewachsen ist, finde ich toll. Ich komme da gerne hin und schaue mich um. Ich muss mal sehen, wo ich mich weiter engagiere, auch im Alumni-Verein. Ich bin ja erst vor Kurzem wieder nach Bremen zurückgekommen.

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