Auf einen Espresso mit ... Peter Senft
Peter Senft, Jahrgang 1949, gehörte zu den ersten Studierenden an der Universität Bremen. Sein Studium der Rechtswissenschaften schloss er 1979 ab. Von 1971 bis 1979 war er auch Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in England nahm er verschiedene Führungspositionen in Sozialverbänden und Gewerkschaften ein. Insgesamt acht Jahre arbeitete er als Diplomat des Auswärtigen Amtes in Südafrika, Ägypten und Tunesien.
Warum bist Du als Student an die neugegründete Universität Bremen gegangen?
Nach dem Abitur habe ich zunächst eine Banklehre absolviert und kurze Zeit in diesem Beruf auch gearbeitet. Ich bin der erste in meiner Familie, der Abitur gemacht und studiert hat. Ich habe die Phase der Neugründung der Uni Bremen als Schülervertreter und später als Gewerkschafter intensiv miterlebt. Außerdem war ich gerade in die Bürgerschaft gewählt worden. Von daher war es für mich aus politischen Gründen naheliegend, hier zu studieren. Es gab auch soziale Gründe: meine Eltern konnten ein Studium in einer anderen Stadt nicht finanzieren.
Welche Erfahrungen im Studium haben Dich besonders geprägt?
Ich habe das „Integrierte Sozialwissenschaftliche Eingangsstudium“ (ISES) in den ersten beiden Semestern sehr gut in Erinnerung. Da gab es lebhafte politische Auseinandersetzungen um die Gründungsphase der Uni. Das interdisziplinäre Arbeiten, das ich hier gelernt habe, hat mir sehr für spätere Teamarbeit geholfen.
An das ISES schloss sich die einphasige Juristenausbildung an, mit dem großen Plus direkt in Praktika zu kommen. Ich habe im dritten Semester ein Strafrechts-Praktikum am Gericht gemacht, das war prägend.
Beeinflusst haben mich im ISES vor allem Rudolf Hickel, später dann der Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler, der Verfassungsrechtler Ulrich K. Preuß und auch der Völkerrechtler Manfred O. Hinz. Entgegen dem gängigen Klischee in der Öffentlichkeit waren die inhaltlichen Ansprüche auch sehr hoch. U.K. Preuß, der Angehörige der Roten-Armee-Fraktion als Verteidiger vor Gericht vertrat, sagte zu uns: „Wenn Sie (bei ihm wurde selten geduzt) die Bundesrepublik Deutschland kritisieren wollen, dann müssen Sie besser sein als alle konservativen Juristen. In Bremen gibt es nur bestanden oder nicht bestanden, aber bei mir bekommen Sie nur ein bestanden, wenn Ihre Leistung einer Note ‚Gut‘ an einer anderen Uni entspricht.“
Gerade in diesen ersten Jahren war die Atmosphäre an der Uni Bremen ja sehr politisiert. Hast Du Dich neben Deinem Engagement als SPD-Bürgerschaftsabgeordneter auch an der Uni engagiert?
Sehr intensiv, soweit das zeitlich möglich war. Ich war schon vor dem Studium Mitglied im Sozialistischen Hochschulbund (SHB), bin dann aber im Dezember 1971 ausgetreten und wir haben mit einigen anderen den SHB-SF gegründet. SF stand für Sozialistische Fraktion. Nach Gründung der JUSO Hochschulgruppe wurde ich dort Mitglied. An der Uni galt ich als „Agent von Bürgermeister Hans Koschnick“, was ich als Kompliment verstand. Dieser Spagat zwischen dem kritischen Denken an der Uni und der praktischen Politik hat mich in meinem ganzen späteren Leben geprägt und mir einen kritischen Blick auf politische Entwicklungen bewahrt.
Die Auseinandersetzungen an der Uni waren immer sehr scharf, aber ich habe sie trotzdem als hilfreich empfunden. Die meisten Student:innenwaren damals politisch hoch gebildet, mit einem fundierten theoretischen Wissen – vielleicht war das anders als heute. Es hat Zusammenhalt gegeben, über die politischen Grenzen hinaus. Als beispielsweise bei den Jurist:innen nach zwei Jahren eine neue Prüfungsordnung eingeführt wurde, da hat sich unsere noch überschaubare Gruppe von Studierenden solidarisch zusammengeschlossen und wir haben uns alle gegenseitig unterstützt.
50 Jahre Uni Bremen – was verbindest Du damit?
Ich wünsche mir, dass die Bedeutung der Universität in der Bremer Politik höher geschätzt wird. Nach der schwierigen Gründungsphase, in der die neue Uni gegen massiven konservativen Gegenwind durchgesetzt wurde. Diesem Gegenwind der Konservativen in Bremen und in Deutschland haben insbesondere Senator Moritz Thape und Senatsdirektor Curt Kreuser standgehalten. Das sollte nach 50 Jahren nicht vergessen werden.
Die Universität wurdedann erst mal eine längereZeit von der Politik allein gelassen, so habe ich es von außen wahrgenommen. Das ist in den letzten 15 Jahren wieder besser geworden, da hat sich die Uni auch stärker der Bremer Wirtschaft und der Stadtgesellschaft zugewandt. Diese positive Entwicklung bedarf aber einer intensiveren politischen Unterstützung.