Auf einen Espresso mit… Yves Nagel

Ein Bild von Yves Nagel

Yves Nagel, Jahrgang 1968, studierte ab 2015 an der Universität Bremen den berufsbegleitenden Studiengang Entscheidungsmanagement (Professional Public Decision Making), den er 2019 mit einem Master abschloss. Er hatte damals schon lange Jahre in der Verwaltung der Freien Hansestadt Bremen gearbeitet und ist seit November 2021 Bürgermeister der niedersächsischen Samtgemeinde Harpstedt – rund 30 Km von Bremen entfernt.

Warum haben Sie sich für ein Studium an der Universität Bremen entschieden?

Das war ein rein pragmatische Entscheidung. Ich habe zuvor im Bremischen Öffentlichen Dienst gearbeitet. Dieser Studiengang war ein mit Stipendien ausgestattetes Studium, bei dem die Mitarbeiter:innen des gehobenen Dienstes einen Aufstieg in den höheren Dienst machen konnten. Ich habe dann tatsächlich so gut bei dem Zugangstest abgeschnitten, dass ich eines der Stipendien erhalten habe.

Dieser berufsbegleitende Studiengang ist ja eher ungewöhnlich für die Universität Bremen. Wie muss man sich das vorstellen? Waren Sie damit ein bisschen die Exoten an der Uni Bremen?

Wir waren in unserer Kohorte 15 Stipendiat:innen, die alle aus dem Öffentlichen Dienst kamen, und nur eine andere Kommilitonin, die sich dieses Studium selbst finanziert hat. Wir haben mit dem Stipendium auch eine Freistellung von 180 Stunden pro Semester bekommen, also ungefähr 20 Prozent von unserer Arbeitszeit. Den Rest mussten wir dann in unserer Freizeit erledigen. Das war schon ein beachtlicher „Workload“, aber für mich war das nichts Neues, wenig Freizeit zu haben. Wir waren tatsächlich ziemlich isoliert von dem sonstigen Unibetrieb. Wir hatten andere Vorlesungszeiten, meisten en block von donnerstags bis samstags, und waren auch im Unicom-Gebäude, also am äußeren Rand des Campus. Von daher hatten wir mit anderen Studierenden eigentlich nichts zu tun.

Was war für Sie in diesem Studium die prägendste Erfahrung?

Interessanterweise hat uns gleich am Anfang ein Professor gesagt, dass die Dozent:innen ein bisschen Angst vor uns hatten. Wir waren alle berufserfahrene, gestandene Leute mit einem Durchschnittsalter von 40 bis 50 Jahren, und hatte in unseren speziellen Bereichen Erfahrungen, die weit über das hinausgehen, was ein:e Uni-Professor:in aus der Praxis kennt. Wir hatten natürlich selbst auch etwas Angst, weil wir uns nicht vorstellen konnten, was uns erwartet, was ein wissenschaftliches Studium bedeutet. Wir hatten also gegenseitig durchaus Respekt voreinander. Am Ende war es ein sehr befruchtender Prozess und tatsächlich schon anders als in einem „klassischen“ Studium. Wir hatten alle eine ganz andere Motiviation, wir wollten alle einen Karrieresprung machen und brauchten dafür den Abschluss. Von daher war die Beteiligung, die Pünktlichkeit, das Auftreten der Studierenden schon anders als sonst üblich.

Was haben Sie denn für Ihr Amt als Bürgermeister von diesem Studium mitgenommen?

Ein Bürgermeister ist ein Wahlbeamter, insofern war die Einstufung in den höheren Dienst unerheblich. Aber bei Entscheidungsmanagement geht es ja darum, möglichst schnell, eine möglichst effektive Entscheidung zu treffen. In meinem Arbeitsalltag muss ich z.B. in der Personalführung schnell und variabel handeln können. Aber natürlich auch in anderen Bereichen. Da ist dieses Studium sehr hilfreich. Ich bereue wirklich keine Minute dieser Zeit.

Sie sind erst seit einigen Monaten Bürgermeister der Samtgemeinde Harpstedt. Haben sich Ihre Erwartungen an dieses Amt erfüllt?

Ehrlich gesagt, meine Erwartung war natürlich nicht, dass die Corona-Pandemie weitergeht und dass die Ukraine-Krise noch dazu kommt. Die Herausforderungen sind schon sehr groß. Was ich absolut nicht erwartet habe, ist, dass ich Dinge, die ich aus der bremischen Verwaltung kenne, hier in Niedersachsen teilweise vollkommen anders sind. Ein kleine Begebenheit kann das schön illustrieren. Bei der Landratswahl stand in der Zeitung, dass der bisherige Amtsinhaber dem neuen Landrat seinen roten Stift übergeben hat. In Bremen hat der/die Dienststellenleiter:in immer einen grünen Stift und sein:e Stellvertreter:in einen roten. Ich hatte mir jedenfalls schon grüne Tinte gekauft, die jetzt zuhause rumsteht. Aber es gibt auch Grundlegenderes: In Bremen ist das Personalvertretungsgesetz sehr weitreichend, aber hier sitzt der Personalrat längst nicht so oft mit am Tisch. Das bedeutet natürlich auch, dass ich die Fürsorge für das Personal dann schon mal von meiner Seit mehr mitbedenken muss. Und dann das Thema Schulden der öffentlichen Haushalte. Im Prinzip sind wir hier schuldenfrei und haben sogar noch Geld auf der hohen Kante. Davon träumen die Bremer:innen.

Klimawandel, Klimaschutz ist eine der größten aktuellen Herausforderungen. Was können Sie da auf kommunaler Ebene bewegen?

Sehr, sehr viel. Die Samtgemeinde Harpstedt ist im Landkreis Oldenburg die flächengrößte Gemeinde. Wir haben sehr viel Windenergie-Erzeugung, Photovoltaik und auch Biogas. Wir sind Netto-Stromerzeuger und können deshalb das Vierfache von dem, was wir als Gemeinde verbrauchen, ins Netz einspeisen. Und wir projektieren sogar weitere Windparks.

Für den Standort Bremen hat die Universität eine sehr große Bedeutung. Strahlt dieser Wissenschaftsstandort auch ins Umland aus?

Ja, auf ganz verschiedene Weise. Wir sitzen in dem Kommunalverbund Bremen-Niedersachen oft mit Bremen an einem Tisch und da spürt man, dass die Vertreter:innen aus Bremen oft ein akademisches Know-how haben und das ist sicherlich befruchtend, auch wenn für eine ländliche Gemeinde nicht immer eins-zu-eins anwendbar ist, was in Bremen gemacht wird. Etliche junge Leute gehen zum Studium an die Uni Bremen. Manche ziehen dann auch nach Bremen, weil die Verkehrsanbindung nicht optimal ist. So verlieren wir auch junge Menschen. Das sehen wir durchaus mit Sorge, weil wir natürlich den demographischen Wandel auf dem Lande stark spüren. Aber es zieht ja auch eine nicht-unwesentliche Zahl von Menschen aus Bremen in unsere Region und diese Leute bringen dann eine Mentalität mit, die uns hier gut tut.

 

Wer sich für das Studium Entscheidungsmanagement interessiert: Hier gibt es weitere Informationen.

Link: www.uni-bremen.de/emma