Filmprogramm

LIMITE

Frau mit dunklem Haar, die nach unten schaut

FILM ZU VORTRAG 1 // FR 12.5. / 20:00 Uhr

Limit, BRA 1931, Regie: Mário Peixoto, mit Olga Breno, Taciana Rey, Raul Schnoor, 114 Min., OmdtU
* der Film wird live begleitet von Ezzat Nashashibi
* mit Einführung von Paul A. Schroeder Rodríguez

In diesem experimentellen Stummfilm treiben ein Mann und zwei Frauen in einem Ruderboot auf dem Atlantik. Von den misslichen inneren Zuständen der drei, was sie bewegte, ehe sie sich ohnmächtig umgeben von Wasser wiederfanden, erfährt man in Flashbacks. Auf diese Weise werden die Protagonist*innen in den poetischen Filmbildern sowohl innerlich als auch äußerlich in einem Zwischenzustand verortet. 

Inspiriert von einer Fotografie von André Kertész hat der Schriftsteller Mário Peixoto mit Limite seinen ersten und einzigen Film geschaffen. In den 1930er Jahren noch seiner Zeit voraus, wurde der Film 1988 von der Cinemateca Brasileira zum besten brasilianischen Film aller Zeiten gekürt. Neben Orson Welles und Sergei Eisenstein hat auch David Bowie das von Mário Peixoto geschaffene Meisterwerk bewundert. 
 


Pressestimmen:

“ ‘Limite’ is a great work in world cinema in the sense that it is a completely independent film that has a unique place in Brazilian and film history,” said Kent Jones […]. “It’s a glorious film, a work of exquisite, handcrafted visual beauty that exceeds its reputation.” 
(New York Times) 
 

LA DIGNIDAD DE LOS NADIES

Frau mit kurzen Haaren, die nach hinten über ihre linke Schulter schaut

FILM ZU VORTRAG 2 // SA 13.5. / 17:30 Uhr

Die Würde der Niemande, ARG 2005, Regie: Fernando Solanas, 112 Min., OmdtU

In seinem Dokumentarfilm widmet sich der argentinische Filmemacher Fernando Solanas den Frauen, Männern und Kindern, die unter den Folgen der Wirtschaftskrise in Argentinien zu Beginn der 2000er Jahre leiden, die von hoher Arbeitslosigkeit und Verarmung betroffen sind. Sie kämpfen um ihre Würde und setzen der Teilnahmslosigkeit des argentinischen Staates ihren Erfindungsreichtum und vielfältig gelebte Solidarität entgegen.

Der 2020 in Paris im Alter von 84 Jahren an Covid-19 verstorbene Solanas zählt zu den wichtigsten Vertretern des New Latin American Cinema, der mit Dokumentar- und Spielfilmen über die argentinische Gegenwart und Geschichte hervorgetreten ist. Seine Überzeugung, der Sozialismus sei unausweichlich, prägten den Film La hora de los hornos (1968), der ihn bekannt machte. In seinem mit Octavio Getino verfassten Manifest über das so genannte Dritte Kino stellte er den Film als ein revolutionäres und die Revolution beförderndes Medium in den Mittelpunkt und regte ein Filmschaffen an, das sich Hollywood entgegenstellte. 

Mit der Dokumentation aus dem Jahre 2005 wird ein Werk gezeigt, in dem Solanas zu seinen Anfängen als Filmemacher zurückkehrte und sich nach der wütenden Kritik am Neoliberalismus von Memorias del saqueo (2004) wieder den Menschen zuwandte.

 

 

LA NACÍON CLANDESTINA

Mann in den Bergen, der einen mit Federn geschmückten Rucksack trägt

FILM ZU VORTRAG 3 // FR 12.5. / 14:00 Uhr

Die geheime Nation. BOL 1989, Regie: Sanjinés, Jorge, 128 Min., OmdtU
 

Sebastián Mamani tauscht den Poncho gegen Jeans, verlässt sein Dorf und seine Kultur, findet aber in der Stadt nicht sein Glück, sondern nur den Alkohol. Er will heimkehren, um in einem alten Aymara-Tanzritual zu sterben und sich erneut zu finden. 

Das Identitätsproblem des Protagonisten zeigt das zentrale Thema des Films auf. Trotz der jahrhundertelangen politischen, religiösen, gesellschaftlichen und kulturellen Prägung durch die Nachfahren spanischer Eroberer hat sich die Weltanschauung der Aymara erhalten, die sich als kollektives Wesen verstehen. Der Film entwirft ein subtil gewobenes Bild dieser „verborgenen Nation“. Der Film folgt der indigenen Kultur mit ihrem anderen Zeitbegriff und bewegt sich frei zwischen Mythen und Realität, zwischen Vergangenheit und Gegenwart. 
 

 

Pressestimmen:

„Wir glauben, dass politischer Kampf und ein starkes Bewusstsein der kulturellen Identität nicht unbedingt identisch sind, sondern dass das Bewusstsein oft durch politische Vorschläge von aussen unterwandert wird. Die können sehr wohl ihren Beitrag leisten zu einem revolutionären Prozess, aber sie dürfen den eigenen revolutionären Weg nicht entstellen.“ 
(Jorge Sanjinés, nach trigon film-verleih)

 
„Sanjinés gelingt es, den politischen Diskurs mit einem eindringlichen und faszinierenden Ansatz über Kultur und Identität zu verbinden.“ 
 (Filmfestival Locarno, Pardo News)

 

 

BLONDER TANGO

Mann und Frau im Restaurant

FILM ZU FORUM 1 //  DO 11.5. / 20:00 Uhr

DDR 1985, Regie: Lothar Warneke, mit Alejandro Quintana Contreras, Gerhard Meyer, Karin Düwel, 119 Min., dtOV

 Aufgrund des Militärputsches in Chile am 11. September 1973 muss Rogelio seine Heimat verlassen und findet Asyl in der DDR. Dort arbeitet er fortan als Beleuchter in einem Theater und bleibt durch Briefaustausch in Kontakt mit seiner Mutter, die noch in Chile lebt und von ihrem alltäglichen Leben vor Ort berichtet. 

Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Omar Saavedra Santis stellt Lothar Warneke in seinem Film das Leben eines Exil-Chilenen in den Mittelpunkt und geht auf die Herausforderungen eines Lebens fernab der Heimat ein. Infolge seiner Einsamkeit beginnt Rogelio damit, sein Leben in der DDR in den Briefen an seine Mutter neu zu erfinden und verstrickt sich dadurch in komische sowie tragische Umstände. 
 

Claudia Sandberg wird in ihrem Vortrag auf die Sichtbarkeit der Militärdiktatur Chiles in DEFA-Produktionen eingehen und darlegen, inwiefern diese Exilerfahrungen und Solidarität die Länder des Globalen Südens thematisieren. 

 

Pressestimmen:

„Eine glaubwürdige und anspruchsvolle Inszenierung, die eine Vielzahl von Denkanstößen liefert.“ 
(filmdienst.de)

 

 

 

 

 

OS FUZIS

Vier Personen, eine Frau schaut einen Mann an

FILM ZU FORUM 2 // DO 11.5 / 14:30 Uhr

Die Gewehre, BRA/ARG 1964, Regie: Ruy Guerra, mit Ávila Iório, Nelson Xavier, Maria Gladys, 80 Min., OmengU
* mit Einführung von Anna-Sophie Philippi 
 
Der Film spielt im Sertão, der halbwüstenartigen Landschaft des Nordosten Brasiliens. In zwei Geschichten entfalten sich verschiedene Perspektiven auf die Hoffnungen und Probleme, die durch die Dürre des Landes innerhalb der Bevölkerung ausgelöst werden. Eine Geschichte spielt rund um eine Gruppe von Pilger*innen, die einem Ochsen folgen, da sie sich durch diesen das Ende der Trockenheit versprechen. In der anderen Geschichte sind Soldaten in der Stadt Milagres stationiert, um zu verhindern, dass die Lebensmittelvorräte durch die hungernde Bevölkerung geplündert werden. 

Ruy Guerra ist einer der wichtigsten Filmschaffenden des brasilianischen Cinema Novo und zeichnet mit seinem Film ein bewegendes Bild der Lebensumstände im Sertão. 

Anna-Sophie Philippi erörtert in ihrem Vortrag, inwiefern sich Bezüge auf eine „Ästhetik des Hungers“ diskursiv und metaphorisch in Filmen des Post-Cinema-Novo finden. 

 

Pressestimnmen:

„Ruy Guerra beschreibt mit eindrucksvollen und leidenschaftlichen inszenatorischen Mitteln ein Klima von Elend, Unterdrückung und Mystizismus.“
 (Ulrich Gregor, Geschichte des Films ab 1960, aus: Filmpodium.ch)

 

 

 

LA CIÉNAGA

Menschen am Pool, eine Frau trinkt Wein, ein Mann raucht eine Zigarette

FILM ZU FORUM 3 // SA 13.5. / 20:00 Uhr

ARG/F/E 2001, Regie: Lucrecia Martel, mit Mercedes Morán, Graciela Borges, Martín Adjemián, 102 Min., OmdtU 
 * mit Einführung von Konstantinos Tzouflas 

Eine bourgeoise Großfamilie der privilegierten Mittelschicht lässt den Sommer in ihrem in die Jahre gekommenen, ländlichen Anwesen an sich vorbeiziehen. Am maroden Pool manifestieren sich Beziehungen zwischen Nähe und Distanz in träger und schwüler Atmosphäre, während in trüber Langeweile dunkle Familiengeheimnisse zwischen Alkohol, Hitze, Sex und Tod zum Vorschein kommen. 
 
Die feinfühlige Kameraführung zeigt auf beeindruckende Weise die stagnierenden Verhältnisse von class, race und gender auf.  Im Jahr 2022 wurde La Ciénaga nach einer Umfrage von den Filmmagazinen La vida útil, Taipei und La tierra quema während des Mar del Plata International Film Festival zum besten argentinischen Film gekürt.

Konstantinos Tzouflas wird in seinem Vortrag auf den sozioökonomischen Ursprung des Neuen Argentinischen Kinos eingehen, um zu reflektieren, ob die neue Filmästhetik als Produkt einer Geschichte der Ungleichheit zu verstehen ist. 

 

Pressestimmen:

„„La Ciénaga“ beeindruckt […] durch seine vielschichtige Choralität, die nahezu ausschließlich über die Atmosphäre entsteht und herkömmliche narrative Konventionen weitgehend beiseite lässt.“ 
(Wolfgang Hamdorf, Filmdienst)

 

 

 

BACURAU

Menschenmenge schwingt weiße Tücher

FILM ZU FORUM 4 // FR 12.5. / 22:15 Uhr

F/BRA 2019, Regie: Juliano Dornelles, Kleber Mendonça Filho, mit Sonia Braga, Udo Kier, Chris Doubek, 131 Min., OmdtU 
* mit Einführung von Oliver Fahle

Das kleine, brasilianische Dorf Bacurau in naher Zukunft: Die Bewohner*innen trauern um ihre Matriarcharin Carmelita. Nur wenig später bemerken sie, dass ihr Dorf von den Landkarten verschwunden ist. Etwas stimmt also bereits nicht, als wenig später mysteriöse Unbekannte mit ihren politischen Interessen die Ruhe des brasilianischen Landlebens stören. Ein undurchsichtiges Spiel von drohender Gewalt und gemeinschaftlicher Solidarität beginnt. 
 
Die Filmemacher zeichnen durch ihren Genremix ein präzises Bild der brasilianischen Gegenwartsgesellschaft in ihrer sozialen Konflikthaftigkeit zwischen Kolonialismus, Klasse und Ethnizität. Im Jahr 2019 feierte Bacurau Weltpremiere bei den Filmfestspielen in Cannes und erhielt den Preis der Jury. 

Oliver Fahle erörtert in seinem Forumsvortrag medienwissenschaftliche Fragen der Medialität von Infrastrukturen im Zusammenhang mit aktuellen ästhetischen Entwicklungen des brasilianischen Films. 

 

 

Pressestimmen:

„Die Weite und Einsamkeit der ausgedörrten Landschaft erinnern an einen Western, das von der Umwelt abgekapselte Dorf an eine Geisterstadt. Die Spannung wiederum baut sich wie in einem Mystery-Thriller auf […].“
(Anke Leweke, Deutschlandfunk Kultur)

TAMBIÉN LA LLUVIA

Mann hält eine Rede vor Publikum

FILM ZU FORUM 5 // MI 10.5. / 20:00 Uhr

Und dann der Regen, MEX/E/F 2010, Regie: Icíar Bollaín, mit Gael García Bernal, Luis Tosar, Juan Carlos Aduviri, 104 Min., OmdtU

Als der Regisseur Sebastián und sein Produzent Costa in Cochabamba, Bolivien, einen kritischen Spielfilm über Christoph Kolumbus und die Eroberung Amerikas drehen wollen, geraten sie mit ihrer Filmcrew unvermittelt in die Proteste der indigenen Bevölkerung, die sich gegen die Privatisierung der Wasserversorgung zur Wehr setzt. Als die Gewalt eskaliert, durchkreuzt der Protest die Dreharbeiten und die Filmemacher müssen sich entscheiden, ob sie den Film über die Ausbeutung und Unterdrückung der Indigenen der Vergangenheit fertigstellen oder ihren Kampf in der Gegenwart unterstützen wollen. 

Den realen Hintergrund des Spielfilms bildet der so genannte Wasserkrieg, der im Jahre 2000 Cochabamba erschütterte und der hier ebenfalls filmisch nacherzählt wird. Es geht um das Filmemachen selbst und um die Verantwortung von Filmschaffenden, die Vergangenheit und Gegenwart ins Bild zu setzen. 

Márton Árva fragt in seinem Forumsvortrag, inwiefern Spielfilme die Pluralität der bolivianischen Gesellschaft reflektieren und die Arbeit von Filmcrews zum Träger postkolonialer Erinnerungsprozesse wird. 
 

 

 

 

PERRO BOMBA

Mann steht vor einem Drahtzaun und schaut nach unten

FILM ZU FORUM 6 // SA 13.5. / 14:30 Uhr

CHI 2019, Regie: Juan Cáceres, mit Steevens Benjamin, Alfredo Castro, Blanca Le- win, 90 Min., OmdtU
* mit Einführung von Sergej Gordon 
 
Als junger haitianischer Migrant führt Steevens ein prekäres, aber geregeltes Leben in Chile. Das Konstrukt seines Alltags, bestehend aus seiner Arbeit am Bau, seiner Wohnung und seinen Freunden, erweist sich allerdings durch die gesellschaftlichen Machtverhältnisse als fragil und ungewiss. Als sein ebenfalls geflüchteter Jugendfreund auftaucht, wird die Instabilität der sozialen Gemeinschaft von Steevens sichtbar. 

Durch improvisierte Dialoge und freies Schauspiel aus den Lebensrealitäten der Schauspieler*innen entsteht eine Mischung aus Fiktion und Dokumentarfilm, die trotz politischer und gesellschaftlicher Ideale eine überhöhte Dramatisierung verweigert. 

Sergej Gordon wird in seinem Vortrag auf die Herausforderungen der Migration von Haitianer*innen nach Chile eingehen und darlegen, welche Bedeutung das Medium Film für die Integration haben kann. 

 

Pressestimmen:

“’Perro Bomba’ takes aim at the arcane racism affecting above all Chile’s working class, and immigrants’ suffering from laws born in the time of a xenophobic dictator Augusto Pinochet which remain today and affect more than half a million immigrants.“ 
Jamie Lang, Variety