Filmanalyse zwischen disziplinärem Ordnungswahn und audio-logo-visuellem Abenteuer?
In der Musikwissenschaft und den Sound Studies bildet die Hörerfahrung die Basis für die ästhetisch-wissenschaftliche Analyse. In der Kunstgeschichte und Bildwissenschaft ist die Seherfahrung die Grundlage für eine ästhetisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung. In der Literaturwissenschaft und Textforschung steht die Leseerfahrung im Zentrum der ästhetisch-wissenschaftlichen Untersuchung. In der Filmwissenschaft und Medienästhetik hat man mit allen diesen Gebieten zu tun – insbesondere aber mit ihren Verbindungen und Wechselspielen. Jede Analyse eines 90-minuten langen Films – oder eines anderen audio-logo-visuellen Kunstwerks – wird daher zu einer Überforderung, auf die die Wissenschaft im Grunde mit zwei Möglichkeiten reagiert: mit einem disziplinären Ordnungswahn, der das Werk in seine Schranken weist, oder indem sie sich treiben lässt, hinein in ein audio-logo-visuelles Abenteuer. Wie man sich auch entscheidet, jede Analyse wird vor diesem Hintergrund zu einem „Großprojekt“, dass sich nur im Format einer Doktorarbeit ausgiebig bearbeiten lässt, also z.B. in einem Buch von mindestens 200 Seiten – und meistens reicht nicht einmal das. – Einen Ausweg bietet eine „theoriegeleitete Analyse“, die nicht den ganzen Film zum Gegenstand macht, sondern die mit Hilfe von Theoriewissen Fragen oder Hypothesen formuliert. Analysiert werden dann spezifisch ausgewählte Fragmente des Werks, um diese Fragen zu beantworten bzw. die Hypothesen zu überprüfen. Ergänzt wird diese Analysemethode z.B. durch eine archäologische Kontextanalyse, die sich der Produktions- oder Rezeptionsgeschichte des Werks widmet.
Der Workshop findet im Rahmen des ForstA-Projekts statt (Seminar Forschungsmethoden).