TP 6: Unternehmerische Habitusdispositionen

Unternehmerische Habitusdispositionen in der Umbruchgeneration vom Staats- zum Postsozialismus - ein deutsch-polnischer Vergleich

Bearbeitung: Anna Schwarz (Europa Universität Viadrina, Leitung), Anna Steinkamp (Europa Universität Viadrina), Jarina Kühn (Universität Bremen)

Fragestellungen:
  1. Welche spezifischen, sozio-kulturell verankerten Handlungsorientierungen weisen Angehörige der Systemumbruch-Generation (Geburtsjahrgänge 1975 bis 1990) quasi als Erbe der DDR und der VR Polen auf, die sie zu ökonomischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren bzw. UnternehmerInnen im Sinne von ProtagonistInnen für Veränderungsprozesse („change agents“) in Wirtschaft und Gesellschaft in Ostdeutschland und Polen heute machen?
  2. Welche Handlungsdispositionen erleichtern ostdeutschen und polnischen UnternehmensgründerInnen dieser Umbruchgeneration die erfolgreiche Etablierung am Markt, und welche habituellen Prägungen hindern sie dabei?
  3. Welche Wertorientierungen sowie politischen und zivilgesellschaftlichen Praxis- bzw. Mobilisierungsformen zeigen sich in dieser Umbruch-Generation? Inwiefern rekurriert diese Generation auf die Umbrucherfahrungen vor und nach 1990, und welche besonderen Kompetenzen, auch für unternehmerische Aktivitäten, sind daraus entstanden?
Vorgehensweise (Bearbeitung):

Das TP erweitert vorliegende Lebensverlaufsstudien zur Wendegeneration (Mayer 2010, Mayer/Schulze 2009) mit Blick auf die unternehmerischen Aktivitäten. In der Endphase der DDR und den ersten Transformationsjahren fiel die Zahl selbständiger UnternehmensgründerInnen relativ gering aus (Liebernickel/Schwarz 1992). Dennoch ergaben Einstellungsmessungen nach 1990 bei den Ostdeutschen überraschend starke „Leistungs“-Orientierungen (Meulemann 2003), gerade typisch für unternehmerische Mentalitäten. Seitdem wird quer durch die Disziplinen kontrovers debattiert, inwiefern die staatssozialistischen Prägungen eher als blockierend (z.B. Bauernschuster et al. 2012, Wyrwich 2013, Falck et al. 2015) oder partiell als Ressourcen für (auch unternehmerische) Selbstwirksamkeit anzusehen sind (z.B. Crawford/Lijphart 1997, Schwarz 2003). Speziell diese Umbruchgeneration wird zwar in Studien zur Werte- und Einstellungsforschung (DJI 1992, Shell-Jugendstudien 2010, 2016), und auch zum bürgerschaftlichen Engagement für Ostdeutschland nach 1990 (Corsten/Kauppert/Rosa 2007) erfasst, aber v.a. entlang expliziter Äußerungen, d.h. ohne systematischen Rekurs auf latente Habitusdispositionen.

Eine Forschungslücke besteht daher in der Analyse impliziter Habitusprägungen dieser Generation, weil gerade sie in bes. Weise mit komplexen Risiken, Neubeginn (auch der Eltern), diversen Um-Wertungen etc. konfrontiert war (Hacker et al. 2012). Der deutsch-polnische Vergleich lässt hier Erkenntnisgewinne erwarten, da oft unterschiedliche Grade von Individualitätsorientierungen zwischen Ostdeutschen und Polinnen bzw. Polen angenommen werden, die relevant für unternehmerische Dispositionen sein können. Zur Rekonstruktion der impliziten Prägungen nutzen wir v.a. qualitative Interviews, Gruppendiskussionen sowie hermeneutische Rekonstruktions-verfahren (Ullrich 1999). Im Falle einer Verlängerung des Projektes (4./5. Jahr)  ist eine Ausweitung der Analysen auf Tschechien geplant.

Dieses TP ergänzt die im TP 2 in den Blick genommenen Analysen zu den Innovations- und Gründungsschwächen. TP 6 wird zur Verbindung ökonomischer und soziologischer Expertise gemeinsam mit der UB bearbeitet (personelle Verknüpfung). Es wird auf der Ebene der Akteure analysiert, welche Erklärungsbeiträge das in Personen auszumachende „Erbe der DDR“ zur Erklärung von Entwicklungsdisparitäten leistet. TP 6 wird in enger Zusammenarbeit mit „Perspektive hoch drei e.V.“ durchgeführt. „Perspektive hoch drei e.V.“ steht mit Blick auf die Feldarbeit (Gewinnung von Interviewpartnern, Gruppendiskussionen) als Forschungspartner und mit Blick auf die Verbreitung und Diskussion der Befunde als Transferpartner zur Verfügung.

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