Veränderungen des geschlechtlichen Phänotyps

Häufig wird das Geburtsgeschlecht (Basis-Items) als Proxy zur Abfrage der biologischen Dimensionen von Geschlecht verwendet. Dabei zielt diese Frage lediglich auf die geschlechtliche Einordnung des Individuums auf der Basis der äußeren Geschlechtsorgane zum Zeitpunkt der Geburt ab. Andere biologische Geschlechtsdimensionen, wie die inneren Geschlechtsorgane, Chromosomen oder Hormone werden nicht erfasst (Geschlechterkonzept). Obwohl es für einige Fragestellungen sinnvoll ist, den tatsächlichen, aktuellen geschlechtlichen Phänotyp detaillierter abzufragen, findet dieser in der gesundheitswissenschaftlichen Forschung zum jetzigen Zeitpunkt erst wenig Berücksichtigung (Committee on Measuring Sex, Gender Identity, and Sexual Orientation et al., 2022).

Der geschlechtliche Phänotyp ist im Lebenslauf veränderlich, d.h. einige Geschlechtsmerkmale unterliegen einer kontextabhängigen Entwicklung oder können aktiv umgestaltet werden (Committee on Measuring Sex, Gender Identity, and Sexual Orientation et al., 2022). Dies kann aus verschiedenen Gründen geschehen, sei es aufgrund geschlechtsangleichender Maßnahmen bei einer Transgeschlechtlichkeit, bei einigen Fällen von „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ (engl. "differences of sex development DSD") oder auch im Rahmen von medizinischen Eingriffen, z.B. bei einer Krebserkrankung oder aus ästhetischen Motiven. Zudem ist es möglich, dass sich die Exposition gegenüber endokrinen Disruptoren (hormonaktiven Substanzen) in der Umwelt auf den Geschlechtshormonhaushalt auswirkt (Varticovski et al., 2022).

Die im Folgenden vorgestellte Abfrage von Maßnahmen, die zur Veränderung des geschlechtsbezogenen Phänotyps durchgeführt werden, kann in unterschiedlichen Kontexten Anwendung finden und für verschiedene Studienpopulationen verwendet werden. Da die aufgeführten medizinischen Maßnahmen nicht nur im Rahmen einer Transition von trans* Personen eine Rolle spielen, sondern, wie bereits oben erläutert, aus vielen verschiedenen Gründen durchgeführt werden können, möchten wir Forschende dazu ermutigen, die im folgenden vorgestellten Items nicht nur einer spezifischen trans* oder inter* Population, sondern auch der Allgemeinbevölkerung vorzulegen. Zu diesem Zweck haben wir zwei verschiedene Varianten entwickelt.

Variante 1

Die erste Variante ist für die Allgemeinbevölkerung anwendbar. Den Teilnehmenden wird eine Liste mit medizinischen Behandlungen oder Eingriffen vorgelegt mit der Bitte die Maßnahmen auszuwählen, die bei Ihnen durchgeführt wurden.

 

Frage zu durchgeführten Veränderungen des geschlechtlichen Phänotyps

Im Laufe des Lebens kann es zu verschiedenen medizinischen Behandlungen oder Eingriffen kommen, die auch körperliche Geschlechtsmerkmale verändern. Dafür kann es viele Gründe geben, wie Erkrankungen, eine Geschlechtsangleichung, ästhetisch motivierte Entscheidungen und vieles mehr. Wurden im Laufe Ihres bisherigen Lebens eine oder mehrere der folgenden Behandlungen durchgeführt?

     ○ Haartransplantation

     ○ Lasergestützte Entfernung von Gesichtsbehaarung oder anderer Körperbehaarung

     ○ Hormonelle Behandlung mit Testosteron

     ○ Hormonelle Behandlung mit Östrogen

     ○ Einnahme von Testosteron-Blockern

     ○ Einnahme von Östrogen-Blockern

     ○ Vollständige Entfernung (nicht Verkleinerung) des Brustgewebes

     ○ Brustverkleinerung

     ○ Einsetzen von Brustimplantaten

     ○ Chirurgische Anpassung der Stimmbänder (Phonochirurgie)

     ○ Adamsapfelkorrektur

     ○ Gesichtsfeminisierende oder -maskulinisierende Operationen

     ○ Entfernung der Gebärmutter  

     ○ Entfernung der Eierstöcke

     ○ Entfernung des Penis

     ○ Entfernung der Hoden

     ○ Kolpopoese/ Anlegen einer Neovagina

     ○ Bougieren/ Weiten der Vagina

     ○ Phalloplastik oder Penoidkonstruktion, Metaidoioplastik/Klitorispenoid

     ○ Weitere geschlechtsbezogene, hier nicht aufgeführte Behandlungen, und zwar:

 

     ○ Es wurde keiner dieser Behandlungen durchgeführt

Entscheiden sich Forschende dazu das vorgestellte Fragebogenitem Studienteilnehmenden aus der Allgemeinbevölkerung vorzulegen, so können die verschiedenen medizinischen Behandlungen und Eingriffe aus den unterschiedlichsten Gründen durchgeführt worden sein. In diesem Fall empfehlen wir es eine Zusatzfrage einzufügen, die erscheint, wenn eine Maßnahme angekreuzt wurde. Die Teilnehmenden können hier unter verschiedenen Gründen für die durchgeführten Behandlungen und Eingriffe auswählen.

Aus welchem Grund wurde diese medizinische Behandlung oder dieser Eingriff durchgeführt?

Mehrfachantworten sind möglich

     □ Aus Krankheitsgründen, z.B. aufgrund einer Krebsbehandlung

     □ Zur Primärprävention

     □ Im Rahmen einer geschlechtlichen Transition

     □ Im Rahmen einer Genitalveränderung (einschließlich Behandlungen im Kindesalter und mit fehlender  Einwilligungsfähigkeit)

     □ Zur Verhütung

     □ Es war eine ästhetisch motivierte Entscheidung

     □ Aufgrund der Menopause

     □ Sonstiges

Um medizinische Behandlungen, für die sich die Betroffenen selbst entschieden haben, von solchen zu unterscheiden, die ohne ihre Einwilligung durchgeführt wurden, wird in dieser Toolbox die Bezeichnung „vollumfänglich informiert und einwilligungsfähig“ verwendet.


Seit den 1960ern war es gängige medizinische Praxis Kinder, deren körperliche Geschlechtsmerkmale nicht der männlichen oder weiblichen Norm entsprachen, bereits in sehr frühen Jahren medizinischen Behandlungen zu unterziehen, um ihre Körper anzupassen (Klöppel, 2010). Am 22. Mai 2021 trat das Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung in Kraft. Dieses fordert das Aufschieben von Behandlungen zur Anpassung des körperlichen Erscheinungsbildes des Kindes bis zu dessen Einwilligungsfähigkeit, solange diese Maßnahmen nicht überlebensnotwendig sind (Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Bundesministeriums der Justiz).

Je nach Fokus des Fragebogens ist es möglich, dass einige der hier abgefragten Behandlungen bereits an einer anderen Stelle im Fragebogen thematisiert werden. Wir empfehlen es Forschenden daher das Item bei Einsatz mit dem Rest des Fragebogens abzugleichen und gegebenenfalls anzupassen.

Nicht jeder der vorgeschlagenen Gründe trifft auf jede der aufgelisteten Behandlungen zu. So werden Haartransplantationen beispielsweise nicht zur Verhütung durchgeführt. Wir empfehlen es Forschenden daher die Liste dementsprechend anzupassen.

Variante 2

In einer zweiten Variante werden für die Maßnahmen aus Variante 1 die folgenden Antwortmöglichkeiten zur Verfügung gestellt. Diese Variante richtet sich spezifisch an eine trans* und/oder inter* Population und kann eingesetzt werden, um mehr Informationen zur Lebenssituation und den Motiven zu gewinnen, die mit einer Transition oder Geschlechtsangleichung einhergehen.

Frage zu durchgeführten Veränderungen des geschlechtlichen Phänotyps

Im Laufe des Lebens kann es zu verschiedenen medizinischen Behandlungen oder Eingriffen kommen, die auch körperliche Geschlechtsmerkmale verändern. Dafür kann es viele Gründe geben, wie Erkrankungen, eine Geschlechtsangleichung, ästhetisch motivierte Entscheidungen und vieles mehr. Beabsichtigen Sie eine oder mehrere der folgenden Behandlungen oder wurden diese im Laufe Ihres bisherigen Lebens bereits durchgeführt?

     ○ Haartransplantation

     ○ Lasergestützte Entfernung von Gesichtsbehaarung oder anderer Körperbehaarung

     ○ Hormonelle Behandlung mit Testosteron

     ○ Hormonelle Behandlung mit Östrogen

     ○ Einnahme von Testosteron-Blockern

     ○ Einnahme von Östrogen-Blockern

     ○ Vollständige Entfernung (nicht Verkleinerung) des Brustgewebes

     ○ Brustverkleinerung

     ○ Einsetzen von Brustimplantaten

     ○ Chirurgische Anpassung der Stimmbänder (Phonochirurgie)

     ○ Adamsapfelkorrektur

     ○ Gesichtsfeminisierende oder -maskulinisierende Operationen

     ○ Entfernung der Gebärmutter  

     ○ Entfernung der Eierstöcke

     ○ Entfernung des Penis

     ○ Entfernung der Hoden

     ○ Kolpopoese/ Anlegen einer Neovagina

     ○ Bougieren/ Weiten der Vagina

     ○ Phalloplastik oder Penoidkonstruktion, Metaidoioplastik/Klitorispenoid

     ○ Weitere geschlechtsbezogene, hier nicht aufgeführte Behandlungen, und zwar:

 

     ○ Es wurde keiner dieser Behandlungen durchgeführt

Zu jeder der oben aufgeführten Maßnahmen werden die folgenden ergänzenden Antwortkategorien angeboten:

     ○ Bereits in Anspruch genommen

     ○ In Zukunft geplant

     ○ Unsicher, ob gewünscht

     ○ Nicht gewollt

     ○ Nicht möglich (z.B. aus medizinischen Gründen)

     ○ Nicht notwendig

     ○ Trifft nicht zu

     ○ Keine Angabe


Zitierte Literatur

Committee on Measuring Sex, Gender Identity, and Sexual Orientation, Committee on National Statistics, Division of Behavioral and Social Sciences and Education, National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine, 2022. Measuring Sex, Gender Identity, and Sexual Orientation. National Academies Press, Washington, D.C. https://doi.org/10.17226/26424

Klöppel, U., 2010. XX0XY ungelöst: Hermaphroditismus, Sex und Gender in der deutschen Medizin: eine historische Studie zur Intersexualität, GenderCodes. Transcript, Bielefeld.

Varticovski, L., Stavreva, D.A., McGowan, A., Raziuddin, R., Hager, G.L., 2022. Endocrine disruptors of sex hormone activities. Molecular and Cellular Endocrinology 539, 111415. https://doi.org/10.1016/j.mce.2021.111415