(AKAD20) Objekte und Identität(en) - eine Einführung in Symboltheorien

Psychoanalyse – Philosophie – Soziologie

Symbole bestimmen unbemerkt unser Leben. Die Art, wie wir uns kleiden, wie wir wohnen, welche Fortbewegungsmittel welcher Marken wir nutzen, sind Ausdruck von Symbolen, die sich je nach Kultur, Nation, Landschaften unterscheiden. Wir leben in einer Kultur, die Konsum (Kauf von Objekten als Symbole des Prestiges) zur Normalität erhoben hat. Dennoch gibt es Symbole jenseits des Konsumdenkens, die identitätsstiftend sind.
 

Ausgangsfragen

  • Können Objekte identitätsbildend sein?
  • Wie verändern Objekte als Symbole die Weltsicht?
  • Wie beeinflussen Symbole unsere Wahrnehmung?
  • Wie hängen äußere Objekte und Sozialstrukturen zusammen?
     

Diesen Fragen wird mit drei unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen nachgegangen. Allen gemein ist, dass sie den Zugang zur Welt über das Verstehen suchen. Donald W. Winnicott macht in seinen frühen Untersuchungen (1971) deutlich, dass ein Spielzeug (Teddybär oder Schmusetuch) dem Baby das Schlafen erleichtert. Er geht noch weiter und formuliert, dass ein Teddy ein „Übergangsobjekt“ (von der Mutter zum Objekt) sei und eine Vorstufe des Spielens und der kreativen Entwicklung. Mit Textauszügen werden wir der kreativen Entwicklung eines Kindes nachgehen.

Tilmann Habermas (der Sohn des Philosophen) nimmt diesen Faden auf, erweitert die freudsche These, dass nur Menschen Liebesobjekte sein könnten. Er macht deutlich, dass auch Dinge, Objekte, geliebt werden können und zur Identitätsbildung beitragen. Er benutzt hier den Begriff des Symbols als Instrument der Identitätsbildung, geht dabei noch weiter: Nicht nur Dinge, Objekte sind Symbole, auch Orte, Räume und Religionen können zur Identität beitragen. Raum, Identität und Macht sind Themen, die es zu reflektieren gilt. Habermas handelt das im Rahmen der jugendlichen Entwicklung ab, im Seminar werden seine Ausführungen erweitert um das Thema „Raum und Alter“.

Wir folgen den Habermasschen Analysen und reflektieren mit ihm das Thema „Dinge als Kulturgegenstände: sozilogische und kulturanthropologische Aspekte“. Es geht also von der Betrachtung der individuellen Identitäten zur Betrachtung kollektiver Verständnisse von Identitäten, kollektiver Repräsentanzen über. Der Brand von Notre Dame machte deutlich, dass es sich nicht einfach nur um ein Gebäude handelte, sondern um die symbolische Repräsentanz einer Stadt, eines Volkes, einer Kultur. Objekte, Bauten, Artefakte, also Symbole bilden das kollektive Fundament einer Kultur.

Um selbst den analytischen Blick einzustudieren begeben wir uns ins Überseemuseum und richten den Blick auf fremde Kulturen. Erst dieser Blick sensibilisiert für den analytischen Blick auf die eigene Kultur, die oftmals in ihrer unbewussten Dimension nicht reflektiert werden kann. Nichts ist so schwer, wie das Unbewusste der eigenen Kultur zu erfassen.
Damit sind wir bei Kulturen als Symbolsystemen. Hier nun kommt die Philosophie ins Spiel, mit ihm Ernst Cassirer, dem deutschen Philosophen, der vor den Nazis ins Exil gehen musste und in Vergessenheit geriet. Er formuliert radikal:

„Der Mensch kann der Wirklichkeit nicht mehr unmittelbar gegenübertreten; er kann sie nicht mehr als direktes Gegenüber betrachten. Die physische Realität scheint in dem Maße zurückzutreten, wie die Symbolhaftigkeit an Raum gewinnt. Statt mit den Dingen hat es der Mensch nun gleichsam mit sich selbst zu tun. So sehr hat er sich mit sprachlichen Formen künstlerischen Bildern, mythischen Symbolen oder religiösen Riten umgeben, dass er nichts mehr sehen und erkennen kann, ohne dass sich dieses artifizielle Medium zwischen ihn und die Wirklichkeit schöbe.“
Cassirer, Was ist der Mensch, 1990, S. 50

Wir werden dieser These nachgehen, indem wir Werbung analysieren, Filme in den Fokus nehmen, Beobachtungen in den Räumlichkeiten der Unis, vornehmen. Die Analyse eines Konzertbesuches, die Analyse einer Reise, nicht zuletzt die Analyse von Kreuzfahrten und ihre vermeintlichen Einblicke in fremde Kulturen werden den Blick schärfen für die Gültigkeit der cassirerschen Thesen.

Ein großer Franzose, der Soziologe Pierre Bourdieu, hat Cassirer (im Gegensatz zur deutschen Philosophie, die Cassirer fast vergessen hat) sehr wohl zur Kenntnis genommen. Ein spätes Buch Bourdieus heißt dann auch „Soziologie der symbolischen Formen“, in Abwandlung zur Cassirers Hauptwerk „Die Philosophie der symbolischen Formen“.  Aber seine philosophische Auseinandersetzung mit Cassirer kommt für mich vor allem in seinem Hauptwerk „Die kleinen Unterschiede“ zum Vorschein. Beider Anliegen ist, Kulturwissenschaft als eine „Verstehende Wissenschaft der Welt“ zu entwerfen. Bourdieu macht in seinem Hauptwerk deutlich, dass „Dinge“, Artefakte in den unterschiedlichen „Klassen“, so noch die Begrifflichkeit von Bourdieu, auch unterschiedliche Bedeutungen annehmen, dass sich „in den Klassen“ differenzierte Symbolsysteme entwickelt haben, die es wahrzunehmen gilt. Vor allem der „Habitus“ als Symbolsystem wird zu anregenden Diskussionen führen. Der Habitusbegriff wird im Seminar eingeführt. Wir werden mit Bourdieu das Thema „Raum“ als Symbolsystem aufnehmen und auch hier „Raum und Macht“ sozilogisch reflektieren.

 

Den Teilnehmer/-innen des Seminars wird ein kleiner Reader mit Schriften der behandelten Wissenschaftler zur Verfügung gestellt. Dies kann erst nach der zweiten oder dritten Woche nach Semesterbeginn geschehen, um die Anzahl der Reader auszuloten.

Eine Exkursion ins Überseemuseum ist geplant.

Angefragt ist die Teilnahme an einer Sitzung durch den Cassirer-Experten Prof. Dr. Hans Jörg Sandkühler.
 


Dozentin:          Dr. Monika Thiele

Termine:                  donnerstags, 16.10.2025 – 29.01.2026

Zeit:                         12:00 (s.t.) bis 13:30 Uhr

Veranstaltungsart:   hybrid, in Präsenz (Akademie, Raum B 0660) oder wahlweise Online-Teilnahme

Hinweis:         Teilnehmerbegrenzung: 40 Personen in Präsenz

Kontakt

Wir sind für Sie da:

Nicole Lehmkuhl
Maike Truschinski
Jaroslaw Wasik

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Zentralbereich / Raum B0670
Bibliothekstraße 2A

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