Am 27. Februar verstarb unsere Freundin und Kollegin Galina Michaleva, Professorin an der Moskauer RGGU und langjährige Lehrende im Studiengang Integrierte Europastudien an der Universität Bremen. Als Gründerin und Vorsitzende der Gender-Fraktion der Russischen Vereinten Demokratischen Partei (Jabloko) war Galina eine leidenschaftliche Vorkämpferin für Emanzipation, Frauenrechte und Demokratie in Russland. Sie setzte sich für diese Themen nicht nur innerhalb ihrer Partei ein, sondern trug sie auch mutig in eine breitere Öffentlichkeit und die Medien. Die promovierte Politikwissenschaftlerin lehrte ab 2000 an der Russischen Staatlichen Universität für Humanwissenschaften (RGGU) in Moskau, wo sie an der Fakultät für Geschichte, Politikwissenschaft und Recht die Studierenden für die Themen ihrer Vorlesungen begeisterte und sie zu eigenem politischem Engagement inspirierte.
Galina Michaleva veröffentlichte mehr als 300 wissenschaftliche Arbeiten auf Russisch, Deutsch und Englisch u.a. zu Zivilgesellschaft, politischen Parteien und politischen Strukturen Russlands. In den letzten Jahren setzte sie sich intensiv mit dem stalinistischen Gewalterbe auseinander und veröffentlichte eine Studie über Die Überwindung des Stalinismus, die große Aufmerksamkeit erregte. Ungeachtet wachsender Risiken war sie auch nach Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine eine von der russischen Medienöffentlichkeit gesuchte Expertin und Debattenrednerin. Das Echo auf ihren Tod in den sozialen Netzwerken zeigt, wie sehr sie auch von der jüngeren Generation der Jabloko-Anhänger geschätzt wurde.
Galina war nicht nur Forscherin und Hochschullehrerin, Politikerin und öffentliche Person, sondern auch eine treue und aufmerksame Freundin, die zwischen Russland und Deutschland und besonders zwischen Moskau und Bremen Brücken schlug. Ihre Beziehung zu Bremen begann bereits in den 1990er Jahren, als sie an der Forschungsstelle Osteuropa (FSO) mit ihrer Dissertationsschrift „Die Bildung der Parteien im Kontext der politischen Entwicklung in der russischen Provinz“ den Doktor der Philosophie erlangte. Zwischen 1992 und 2000 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FSO in Bremen tätig, publizierte sie grundlegende Werke zur Erforschung der russischen Politik und der Parteienlandschaft.
Für den Studiengang Integrierte Europastudien war sie seit dessen Gründung 2004 als Lehrbeauftragte und Betreuerin zahlreicher Bachelor-Arbeiten unersetzlich. Sie brachte ihr umfangreiches Fachwissen in den Bereichen Politik in Russland, Politische Theorien, Transformationen der postsozialistischen Länder in die Lehrveranstaltungen des Instituts ein, zuletzt: Diversität der russischen Regionen: Geschichte und Gegenwart, Geschichtspolitik in Osteuropa, Geschichtspolitik in Russland, Gesellschaft in Russland: Gestern und Heute. Von den Bremer IES-Studierenden regelrecht enthusiastisch aufgenommen wurden die mit Galina zusammen durchgeführten Workshops "Russland und Europa", die im jährlichen Wechsel an den Standorten Moskau und Bremen bis 2016 durchgeführt werden konnten.
Am Institut für Europastudien verlieren wir mit Galina Michaleva eine geschätzte Kollegin, eine großartige Hochschullehrerin und Forscherin. Wir, die Unterzeichneten, wollen unserer Trauer um den viel zu frühen Verlust unserer Freundin und Kollegin Ausdruck geben. Ihr Beispiel wird weiterwirken und uns in unserer künftigen Arbeit weiter inspirieren.
Prof. Dr. em. Ulrike Liebert, Jean-Monnet-Chair am Centrum für Europastudien (CEuS) Mitbegründerin des Studiengangs Integrierte Europastudien
Prof. Dr. em. Wolfgang Stephan Kissel, Professur für Kulturgeschichte Ost- und Ostmitteleuropas, Gründer und erster Direktor des Instituts für Europastudien
Prof. Dr. Yvonne Pörzgen, Professur für Slavistik, insbesondere Linteraturwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum, ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin und Geschäftsführerin Integrierte Europastudien
Mitglieder und Studierende des Instituts für Europastudien