Stoff auswählen
Bei der Didaktischen Reduktion entscheiden Sie, welche Inhalte wirklich wichtig sind und welche weggelassen werden können. So ist der Stoff leichter zu bewältigen und die Studierenden lernen effizienter.
Weniger ist mehr!
Warum die Didaktische Reduktion so wichtig ist
Sie finden „alles ist wichtig“ und „man kann nichts weglassen“? Meist mangelt es nicht an der Stoffmenge, die man den Studierenden vermitteln möchte. Im Gegenteil: Das häufigste Problem ist, dass der Stoffumfang zu groß ist und alles relevant erscheint. Der Lernerfolg steigt jedoch nicht proportional zur Stoffmenge an, sondern ist größer und nachhaltiger, wenn Inhalte gezielt ausgewählt werden (Lehner, 2006, 2012).
„Ziel der didaktischen Reduktion ist es, einen fachlichen Tatbestand so zu vereinfachen, dass er einerseits wissenschaftlich wahr („gültig“) bleibt, andererseits aber auch für die Lernenden „fasslich“ (Gustav Grüner) bleibt.“ (Arnold & Krämer-Stürzl, 2011)
Nachfolgend werden Ihnen Techniken und Methoden gezeigt, mit denen Sie den Lehrstoff mittels Didaktischer Reduktion gezielt auswählen können (Arnold & Krämer-Stürzl, 2011).
Eine kurze Einführung in die Stoffreduktion
Unterschiedliche Methoden den Stoff zu reduzieren
Umfangsreduktion
Bei der Umfangsreduktion wird die Stoffmenge reduziert und dabei Wesentliches vom Unwesentlichen getrennt und Schwerpunkte gesetzt. Der Lernstoff wird tatsächlich reduziert.
Beispiel: Siebe der Reduktion
Das Sieb der Reduktion ist eine Methode, um übergeordnete Themen von Detailwissen abzugrenzen. Eine genauere Ausführung dieser Methode finden Sie hier.
Schwierigkeitsreduktion
Um die Fasslichkeit des Sachverhalts zu verbessern, wird der Gültigkeitsumfang einer wissenschaftlichen Aussage auf die elementaren Gesichtspunkte reduziert. Wichtig ist, den Wahrheitsgehalt nicht zu beeinträchtigen. Es muss die Balance zwischen der Gültigkeit der Aussage und des Verstehens gehalten werden.
Beispiel: Regeln aufstellen
Spinnen haben acht Beine. Insekten nur sechs.
Reduktion durch Darstellung
Hier werden Inhalte durch Beispiele, Metaphern oder Analogien veranschaulicht und konkretisiert. Das ermöglicht einen anderen Zugang zu den Inhalten.
Beispiel: Analogien bilden
Die Nervenverknüpfungen im Gehirn lassen sich mit Trampelpfaden vergleichen: Je öfter man sie benutzt, desto breiter werden sie und können besser benutzt werden.
Praxistipps
Mut zur Lücke – die Umfangsreduktion
Im Folgenden liegt der Fokus auf der Umfangreduktion und es geht darum die Stoffmenge bzw. die Menge der Inhalte zu reduzieren. Dieses Vorgehen der Didaktischen Reduktion lässt sich primär bei Veranstaltungen anwenden, in denen ein umfangreiches Themenspektrum behandelt wird und hauptsächlich Faktenwissen vermittelt wird (z.B. in Grundlagenveranstaltungen). Ausführlichere Beschreibungen der Thematik und weitere Methoden sind in den unten genannten Literaturhinweisen zu finden.
Wir haben für Sie als PDF-Download die einzelnen Schritte der Stoffauswahl und –reduktion in einem übersichtlichen Ablaufschema zusammengestellt (angelehnt an Ritter-Mamczek, 2011).
Vorbereitung für die Umfangsreduktion
Für eine erfolgreiche Auswahl des Stoffes ist es wichtig, zuvor die Rahmenbedingungen und die Ziele der Veranstaltung zu klären. Hierfür eignet sich z.B. die 3Z-Formel, mit der sich die Zielgruppe, das Zeitbudget und die Lernziele aufeinander abstimmen lassen (Lehner, 2006):
- Zielgruppe: Wer sind die teilnehmenden Studierenden und welche individuellen Voraussetzungen und Vorerfahrungen bringen diese mit?
- Zeitbudget: Welche curricularen Vorgaben gibt es bezüglich des zeitlichen Rahmens und der Inhalte? Wie lange dauert und wie häufig ist die Veranstaltung?
- (Lern-) Ziele der Veranstaltung: Was sollen die Studierenden am Ende der Veranstaltung können und in der Lage sein zu tun? Was ist das Lernergebnis?
Methode:
3Z-Formel
Die inhaltliche Dosis des Lehrstoffes hängt maßgeblich von den Rahmenbedingungen ab. Wer sitzt in der Veranstaltung, wie viel Zeit steht zur Verfügung und was sollen die Studierenden am Ende können? Wenn Sie sich über diese drei Punkte Gedanken machen, können Sie besser einschätzen, welche Inhalte wesentlich sind und welche Sie eventuell weglassen können.
Anschließend können Sie sich durch Brainstorming einen ersten Überblick über die Themen der Veranstaltung verschaffen:
- Was gibt es für Themen und Inhalte?
- Welche beteiligten Disziplinen gibt es?
- Was bedeutet das Thema für mich und für andere?
- Welche Themen und Inhalte gehören nicht dazu?
Methode:
Brainstorming
Das Brainstorming dient der Ideenfindung. Hier tragen Sie alles zusammen, was Ihnen zu einem Thema X einfällt. Hilfreich für ein Brainstorming zur Umfangsreduktion können die nebenstehenden Leitfragen sein.
Umsetzung der Umfangsreduktion
1. Strukturanalyse des Lehrinhaltes: Themen ordnen und Schwerpunkte setzen
Vor der eigentlichen Reduktion ist es sinnvoll, die Themen aus dem Brainstorming nach Schwerpunkten zu ordnen und die Zusammenhänge der einzelnen Schwerpunkte zu finden (Ritter-Mamczek, 2011).
Setzen Sie sich mit Ihrem Lehrstoff auseinander und filtern Sie die Information nach Kernthemen (Ankerbegriffe) und Unterpunkten („Inseln“).
Anschließend können Sie die Kernthemen und Ankerpunkte in Beziehung zueinander setzen und visualisieren. Dafür eignen sich Mindmaps.
Methode:
Ankerbegriffe finden
Entwickeln Sie Oberbegriffe, um ein Thema, ein Problem, eine Aufgabe etc. zu strukturieren.
Methode:
Mindmapping
Mindmaps dienen der strukturierten Darstellung eines Themengebietes. Im Zentrum wird das Hauptthema (z.B. Thema der Veranstaltung) platziert. Ordnen Sie die Ankerbegriffe um das Hauptthema herum an und verbinden Sie diese durch Äste. An jeden Ankerbegriff lassen sich die zugehörigen Unterpunkte anhängen, wodurch sich die Mindmap immer weiter verzweigt. Zu jedem der Ankerpunkte kann somit „Detailwissen“ zugeordnet werden, wodurch auch eine inhaltliche Vertiefung gewährleistet ist.
2. Und nun den Stoff reduzieren – so geht’s!
Als nächsten Schritt trennen Sie das Wesentliche vom Unwesentlichen, ohne dass die Gültigkeit der eigentlichen Aussage vermindert wird. Dabei kann die Stoffmenge (Stoffreduktion) und/oder die Komplexität des Stoffes (Inhaltsreduktion) reduziert werden. Die Methode „Siebe der Reduktion“ ist eine Vorgehensweise, mit der sowohl der Stoff nach seiner Wesentlichkeit, als auch die Inhalte in ihrer Komplexität konzentriert werden können (Lehner, 2006, 2012). Dabei werden die Stoffmenge bzw. die Inhalte nach einem zeitlichen Aspekt reduziert.
Methode:
Siebe der Reduktion
Stellen Sie sich vor, Sie haben nur 15 Minuten Zeit, Ihren Stoff zu vermitteln. Welches sind die Themen und Inhalte, die auf jeden Fall behandelt werden müssen? Was ist, wenn Sie eine Stunde Zeit haben? Oder gar 2 Tage? Je weniger Zeit zur Verfügung steht, desto weniger Details können behandelt werden. So können abhängig vom Zeitumfang (= Siebgröße) die zentralen Inhalte von Detailwissen abgegrenzt werden.
Stoffreduktion: Definieren Sie zunächst welchen Stoff Sie in 15 Minuten (grobes Sieb), anschließend in einer Stunde (mittleres Sieb) und zuletzt in zwei Tagen (feines Sieb) unterbringen können. Das feine Sieb kann die tatsächlich zur Verfügung stehende Zeit darstellen (z.B. 14 Präsenztermine á 2 SWS). Es ist ratsam, zuerst stark zu reduzieren (grobes Sieb) und den Stoff dann weiter anzureichern.
Inhaltsreduktion: Beim inhaltlichen Sieben stehen die Fakten, Methoden und Theorien im Fokus, die am Ende der Lehrveranstaltung erinnert, angewendet oder analysiert werden sollen. Grobes Sieb: welche zentrale Aussage (Kernaussage) oder Gesetzmäßigkeit soll erinnert, angewendet oder analysiert werden? Mittleres Sieb: Welche drei wichtigen Aussagen oder Gesetzmäßigkeiten sollen erinnert, angewendet oder analysiert werden? Feines Sieb: Es sollen zehn Aussagen oder Gesetzmäßigkeiten langfristig erinnert, angewendet oder analysiert werden; welche sind diese?
Beispiel: Das menschliche Auge
15 Minuten (grobes Sieb): Anatomie des Auges beschreiben und grob die Funktionen erläutern.
1 Stunde (mittleres Sieb): Die Funktionen der einzelnen anatomischen Bestandteile des Auges können genauer behandelt werden.
2 Tage (feines Sieb): Zusätzlich zu Anatomie und Funktion können Augenkrankheiten oder weitere Augenformen (z.B. Facettenauge) behandelt werden. Alternativ kann ein Teil des Auges sehr detailliert behandelt werden (z.B. die Netzhaut).
Der Vorteil: Themen können nicht nur für eine Veranstaltung, sondern für mehrere Veranstaltungen mit verschiedenen Zeitkontingenten vorbereitet werden.
Wichtig: Hier geht es alleinig um die Reduktion des Lernstoffes und der Inhalte, nicht um den Einsatz von Lehr-Lern-Methoden. Abhängig von der verwendeten Methode kann der Stoff unterschiedlich aufbereitet werden (z.B. als Vortrag oder als Gruppenarbeit), wobei wiederum die zeitliche Komponente zu beachten ist.
Tipp:
Bilden Sie bei der Reduktion keine übergeordneten Themenkomplexe, die wiederum viele Konzepte, Begriffe und Aussagen enthalten und so den Rahmen sprengen würden. Besser ist es, möglichst konkrete Aussagen zu den einzelnen Inhalten zu treffen, sodass jeder reduzierte Inhalt für sich stehen kann.
Qualitätskontrolle des reduzierten Stoffes
Nach der Reduktion sollten Sie den inhaltlichen Gehalt überprüfen. Sind alle wichtigen Themen abgedeckt? Geht es an den richtigen Stellen in die Tiefe? Finden sich exemplarische Beispiele, von denen sich auf das Ganze schließen lässt? Hierfür bietet es sich an, die Qualität der Inhalte zu überprüfen (Substanzcheck) oder den reduzierten Inhalt aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten (Inneres Reduktionsteam) (Lehner, 2006, 2012).
Methode:
Substanzcheck
Mit dem Substanzcheck überprüfen Sie, ob die reduzierten Inhalte einen tatsächlichen Gehalt haben und mit den Bedürfnissen der Zielgruppe und den Lernergebnissen in Einklang stehen. Wie oben bereits erwähnt, sollen die Inhalte nach der Reduktion möglichst präzise auf den Punkt gebracht sein. Betrachten Sie Ihren reduzierten Inhalt kritisch und stellen Sie sich folgende Fragen:
- Erreichen die Studierenden das Lernergebnis mit dem reduzierten Stoff?
- Kommen Sie auf den Punkt?
- Steht hinter den Aussagen und Begriffen ein konkreter Inhalt oder wird durch Verallgemeinerungen vermieden, eine präzise Aussage zu treffen?
- Wird das Wissen der Studierenden mit den ausgewählten Inhalten substanziell erweitert?
Beispiel
Folgende Ankerbegriffe wurden extrahiert. Laut Lernergebnissen sollen die Studierenden am Ende xyz können. Ist dies mit dem reduzierten Stoff möglich?
Lernergebnis: Studierende kennen die Rolle von CO2 beim Klimawandel.
Ankerbegriffe 1 | Ankerbegriffe 2 |
Erderwärmung | CO2 ist ein Treibhausgas, dessen Konzentration vom Menschen beeinflusst wird und das den Klimawandel verstärkt. |
Diese Ankerbegriffe bilden zu grobe Kategorien. Der Substanzcheck ist nicht bestanden. Besser ist, konkrete Aussagen zu den einzelnen Themen zu treffen. | Dies ist eine konkrete Aussage und bildet eine gute Ausgangslage für die Ausarbeitung der Inhalte. Der Substanzcheck ist bestanden. |
Methode:
Inneres Reduktionsteam
Hier wird der reduzierte Stoff jeweils aus einer anderen Perspektive analysiert. Betrachten Sie Ihre Stoffreduktion nacheinander aus den Blickwinkel unterschiedlicher Perspektiven: Die „Reduktionsbeauftragten“ fokussieren sich auf das Wesentliche und möchten weitere Elemente weglassen. Die „Spezialisten“ pochen auf Vollständigkeit und möchten, dass nichts fehlt. Die „Strukturexperten“ legen Wert auf eine klare Ordnung und möchten Zusammenhänge herausarbeiten. Nehmen Sie die verschiedenen Blickwinkel am besten unter Einbeziehung der herrschenden Rahmenbedingungen (siehe z.B. 3Z-Formel) ein.
Quellen, Downloads und Autorinnen
Quellen
Arnold, R. & Krämer-Stürzl, A. (2011). Dozentenleitfaden: erwachsenenpädagogische Grundlagen für die berufliche Weiterbildung. Berlin: Cornelsen.
Lehner, M. (2006). Viel Stoff - wenig Zeit: Wege aus der Vollständigkeitsfalle. Bern [u.a.]: Haupt.
Lehner, M. (2012). Didaktische Reduktion. Stuttgart: UTB GmbH.
Ritter-Mamczek, B. (2011). Stoff reduzieren: Methoden für die Lehrpraxis. Stuttgart: UTB GmbH.
Downloads
Autorinnen
Maren Praß, Raissa van der Borst