Lokale Religionsgeschichte als globalhistorisches Projekt

Die lokale Religionsgeschichte hat die vermeintliche ‚Peripherie‘ im Sinne geographisch und wirkungsgeschichtlich abgeschiedener und unbedeutender Orte der Religionsgeschichte zum Gegenstand. In Bremen orientiert sie sich dabei an verschiedenen kulturwissenschaftlichen Ansätzen, allen voran den sog. Postkolonialen Studien, die den latenten Eurozentrismus in den allgemeinen Geschichtswissenschaften in den Fokus der Kritik gerückt haben: Dessen Konsequenz bestehe darin, dass alle Regionen außerhalb Europas nur als ‚Anhängsel‘ und unvollkommene Manifestationen der europäischen Geschichte in Gestalt einer maßstabsbildenden, allgemeinen historischen Entwicklung angesehen werden. Demgegenüber forderte die postkoloniale Theorie eine „Provinzialisierung Europas“ (Dipesh Chakrabarty) im Sinne der verstärkten historiographischen Fokussierung auf die vermeintliche ‚Peripherie‘ in Form der außereuropäischen Welt.

Diese Kritik lässt sich auch für eine kulturwissenschaftlich argumentierende Lokal- und Mikrogeschichte der Religion fruchtbar machen. Denn auch in der religions- und kirchenhistorischen Forschung wird der Fokus häufig auf die ‚bedeutenden‘ Entwicklungen in den Zentren der (europäischen) Geschichte gelegt. Demgegenüber sind Kontexte abseits dieser Zentren, die vermeintlich nur mittelbar von den historischen Entwicklungen berührt sind, eher selten Gegenstand kirchen- und religionsgeschichtlicher Arbeit, obgleich auch diese vermeintlich ‚provinziellen‘ Kontexte oftmals keineswegs isoliert und abgeschlossen von der Außenwelt gewesen sind.

Vor diesem Hintergrund ist die lokale Religionsgeschichte bestrebt, auch vermeintlich ‚kleine‘ Orte in ihrer Verflechtung zu überregionalen und teilweise auch globalen Diskursen zu untersuchen. Dabei erweist sich, dass auch die ‚Provinz‘ nicht allein als unvollkommenes Abbild der ‚großen weiten Welt‘ verstanden werden darf. Vielmehr präsentiert sie sich bei näherem Hinsehen als ein Schnittpunkt einer Vielzahl von Diskursen mit ihren ganz eigenen Dynamiken, die ihrerseits Auswirkungen auf breitere Kontexte entwickeln können.

Projektleitung:
Prof. Dr. Yan Suarsana