(G) Anarchismus - Ideen, politische Strategien, Lebensweisen

Bansky Graffiti in Bethlehem
Bansky Graffiti in Bethlehem

Dein Vater will es so. Der Staat will es so. Gott will es so. Warum aber ist da eine obere Instanz, die mir sagt, was ich zu tun, zu lassen, zu denken, zu glauben, was ich zu arbeiten und wen ich zu lieben habe?
Überall auf der Welt und zu allen Zeiten hat es Gedanken und Praktiken der Verweigerung gegenüber Staat und Obrigkeit gegeben, wurden Formen individueller Selbstbestimmung gesucht, Gruppen gegründet, die sich ihre eigenen Gesetze gaben. Aber man nannte es nicht Anarchismus. Ein Zustand ohne Herrschaft, auf Griechisch anarchía, war bis in die Neuzeit antiken Staatslehren gemäß negativ besetzt. Aber er war als positive Idee immer vorhanden.

In der Veranstaltung wollen wir herausfinden, welche politischen Strategien der Anarchismus hatte, und wie er gelebt wurde.
Politisch wurde der Anarchismus im 19.Jahrhundert, als Pierre-Joseph Proudhon (1809-1865) sich als erster offen Anarchist nannte und 1841 mit der offen publizierten These Eigentum ist Diebstahl ein Fanal setzte. In den Revolutionen in der Mitte des 19.Jahrhunderts wurden Strategien revolutionären Kampfes entwickelt.  Der charismatische Michael A. Bakunin (1814-1876) rief europaweit zu syndikalistischen, auf gegenseitiger Hilfe basierenden Vereinigungen aller Werktätigen auf, die sich nach anarchistisch libertären Ideen organisieren sollten. Freiheit stand im Vordergrund. Prompt geriet er auf der Ersten Internationalen Arbeiter Association (IWA) 1869 in heftigen Streit mit Marxisten, die strategisch auf straffe Parteiführung und Gehorsam setzten.  Eine bewegende Umsetzung anarchistischer Prinzipien finden wir in der ‚Stadt ohne Staat‘, der Pariser Commune, die im Frühsommer nach nur 40 Tagen 1871 durch die Armee der französischen Regierung blutig zerschlagen wurde.

Gelebt wurde der Anarchismus auf vielerlei Weise weiter, überall auf der Welt, verdeckt oder offen. Es wurde vieles ausprobiert.
Wir schauen in die kleine anarchistische Uhrmacherstadt Stadt St.-Imier im Schweizer Jura, in der gelebtes Rebellentum gegen jedwede Obrigkeit Tradition war. Wir betrachten individuelle Lebensläufe wie den des russischen Fürsten Kropotkin (1842- 1921), der zur legendären Figur wurde, oder den der neugierigen, lebenslustigen, selbstbewussten Emma Goldmann (1869-1940), die bei der Entwicklung einer anarchistischen Philosophie in Europa und Amerika eine große Rolle spielte.

Nach Ansicht der spanischen Anarchisten und Anarchistinnen, die sich in den Kämpfen gegen die Faschisten 1936-39 organisierten, war Anarchismus mehr als Politik, es war eine Lebensform, welche alltägliche Freiheit, soziale Gerechtigkeit und ein würdevolles Leben miteinander zu verbinden suchte, und das nicht nur im Großen sondern auch im Kleinen.      Wir analysieren filmische Dokumente aus dieser Zeit.

Die Ideen der Anarchistinnen und Anarchisten sind vielfältig und wandeln sich ständig. Ihre Aktionen sind immer wieder neu und überraschend, auch heute. Der Motor ist jedoch immer der gleiche: die Unzufriedenheit mit den herrschenden Verhältnissen und die Ablehnung jedweder Art von von oben gesetzter, wie auch immer und von wem auch immer begründeter Ordnung.

Angsterregende Störenfriede?
Alberne Phantasten?

Jedenfalls ist der Anarchismus nicht aus der Welt zu schaffen,
weil eine bessere Welt vorstellbar ist.

 

Literatur:

Daniel Guérin:  Anarchismus – Begriff und Praxis (edition suhrkamp 1971)
Daniel de Roulet: Zehn unbekümmerte Anarchistinnen. (Limmat Verlag Zürich 2020)
Eva Demski: Mein anarchistisches Album (Insel Verlag 2022)

 


Dozentin:    OStR Ingrid Davids

Termine:    3 Termine montags und donnerstags

  • Montag,           04.03.,
  • Donnerstag,   07.03.,
  • Montag,   11.03.2024

Zeit:    10:00 (s.t.) bis 12:00 Uhr

Entgelt:    50,- Euro

Veranstaltungsart/ -ort:    hybrid, in Präsenz (Gebäude GW2, Raum B2900) oder wahlweise Online-Teilnahme

Hinweis:    Teilnehmerbegrenzung: 60 Personen in Präsenz

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