Projektdetails

Lebensweltorientierte Physiotherapie als Beitrag zu gesundheitlicher Chancengleichheit

Laufzeit: Seit 01.04.2019
Forschungsteam:

Nadia El-Seoud (Projektleitung);

 
Projektpartner:innen: Prof. Dr. Henning Schmidt-Semisch
Projekttyp: Promotionsprojekt

Beschreibung

Ausgangslage

Dass die Zahl chronischer Erkrankungen zunimmt, ist auch in den therapeutischen Berufen zu spüren. Die Behandlung chronischer Erkrankungen wie Rückenschmerz, Lungenerkrankungen, Depressionen und Krebserkrankungen, aber auch die Berücksichtigung intermediärer Risikofaktoren wie Adipositas, arterielle Hypertonie und Diabetes mellitus sind im Praxisalltag keine Seltenheit mehr und mit steigender Tendenz zu beobachten (Fuchs & Prütz, 2017, S. 64). Zudem haben Gesellschaft und Politik längst erkannt, dass trotz gegenteiliger Bemühungen, der Anteil und das Ausmaß gesundheitlicher Folgen, verursacht durch soziale Ungleichheiten, steigen (Robert Koch Institut, 2015). Der sozioökonomische Status steht nachweislich in enger Verbindung mit der Entwicklung chronischer Erkrankungen und einer verkürzten Lebensdauer (ebd.).

Angesichts der o.g. Ausgangslage und der Einschätzung, dass soziale Ungleichheiten und die Anzahl der damit einhergehenden Erkrankungen steigt, wird deutlich, dass es auch Aufgabe der Physiotherapie ist, Einzelpersonen und Bevölkerungsgruppen mit ihren persönlichen Lebensbedingungen zu berücksichtigen. Die Alltagserfahrung zeigt, dass besonders die physiotherapeutische Orientierung an gesellschaftlichen Gesundheitsbedarfen als ein bisher wenig fokussierter Aspekt herausgestellt werden kann. Die Möglichkeit zur Unterstützung gesundheitlicher Chancengleichheit ist in diesem Zusammenhang gleichwohl sehr bedeutend. Die Fähigkeiten der Berufsgruppe in Hinblick auf gesellschaftliche Gesundheitsbedarfe scheinen bislang noch nicht ausgeschöpft und teilweise durch die PhysTh-APrV und das Masseur- und Physiotherapeutengesetz (MPhG) 1994 begrenzt zu sein.

 Ziel:

Ziel der Arbeit ist es, Möglichkeiten der Physiotherapie aufzuzeigen, die den Lebensbedingungen der Menschen Beachtung zu schenken, da diese die Rahmenbedingungen für deren Lebenswelt darstellen. Anhand der von Thiersch für die Soziale Arbeit formulierten Handlungsmaximen: Prävention, Alltagsnähe, Dezentralisierung/Sozialraumorientierung, Integration und Partizipation (Thiersch et al., 2012) soll das Konzept der Lebensweltorientierung auf seine Anwendbarkeit im physiotherapeutischen Handlungsfeld überprüft werden. Durch die Übertragung dieses Handlungsrepertoires und die Berücksichtigung der Lebenslagen und der Lebenswelten im Handlungsfeld der Physiotherapie soll diese Arbeit einen weiteren wichtigen Beitrag dazu leisten, gesundheitsbezogene Folgen sozialer Ungleichheiten aufzugreifen und ihnen entgegenzuwirken. Die Übertragung des Konzepts der Lebensweltorientierung der Sozialen Arbeit in den physiotherapeutischen Kontext kann Lösungsansätze liefern, die den Zugang zum Gesundheitssystem bzw. zu Gesundheitsinformationen unter Berücksichtigung sämtlicher sozialer Milieus verbessern.

Fragestellung

Welche Chancen und Grenzen bietet der lebensweltorientierte Ansatz in der Physiotherapie, um Lebenslagen und Lebensbedingungen der Nutzer:innen berücksichtigen zu können?

Methodisches Vorgehen

Zunächst werden mittels Literaturrecherche, das Konzept der Lebensweltorientierung und die dahinterstehenden theoretischen Ansätze untersucht und die entsprechenden Struktur- und Handlungsmaximen in Bezug auf das physiotherapeutische Handlungsfeld analysiert. Daran anknüpfend werden leitfadengestützte Experteninterviews und teilnehmende Beobachtungen in physiotherapeutischen Handlungsfeldern (Praxen, Akut- und Rehakliniken) durchgeführt. Um konkrete Ansätze diskutieren zu können, sind im dritten Schritt Gruppeninterviews mit Fachexpert:innen und Expert:innen in eigener Sache geplant. Die Auswertung erfolgt anhand qualitativer inhaltsanalytischer Verfahren.


Weitere Informationen

Zeitschriftenbeitrag referiert

Maric, F.; El-Seoud, N.; Becker, M.; Czernik, C.; Halm, E.; Moers, S.; Richter, R.; Rogan, S.; Vogel, B.; Zuber, S.; Höppner, H., 2021: Kritische Physiotherapie: die deutschsprachige Sektion des Critical Physiotherapy Network (DCPN) stellt sich vor, in: physioscience, 17, S. 34 - 38



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