Projektdetails

Die „Adipositas-Epidemie“ als politisches Problem: Gesellschaftliche Wahrnehmung und staatliche Intervention

Laufzeit: 01.01.2011 - 31.12.2014
Forschungsteam:

Dr. Friedrich Schorb (Projektleitung);

 
Projektpartner:innen: Prof. Dr. Henning Schmidt-Semisch
Projekttyp: Promotionsprojekt

Beschreibung

Kurzbeschreibung

Übergewicht und Adipositas werden schon seit längerem als ein soziales Problem betrachtet, von dem weite Teile der Bevölkerung betroffen sind. Erst seit wenigen Jahren aber wird Adipositas als eine weltweite Epidemie verstanden, die nur durch politische Maßnahmen in den Griff zu bekommen sei. Die Forschungshypothese lautet, dass sich die gegenwärtigen Maßnahmen zur Bekämpfung von Übergewicht in die politische Rationalität des Aktivierenden Staates fügen.

Zur Überprüfung dieser These sucht die Arbeit nach den Voraussetzungen für die Neuformulierung von Adipositas als einer globalen Epidemie mit politischem Handlungsbedarf. Dabei wird zunächst nach der diskursiven Basis für diese Neuformulierung gefragt. Dies geschieht mit Hilfe des von Michael Schetsche vorgelegten Modells zur empirischen Analyse sozialer Problemkarrieren. Es unterscheidet zwischen dem Vorhandensein eines Sachverhalts, seiner Deutung als Problem und der Etablierung und Institutionalisierung der Problemwahrnehmung.

Empirische Grundlage der Untersuchung sind Dokumente der maßgeblichen Akteure, die einer Sekundäranalyse unterzogen und um Experteninterviews ergänzt werden. Besondere Berücksichtigung bei der Darstellung der Problemwahrnehmung Adipositas-Epidemie erhalten die mit Schetsche so bezeichneten konkurrierenden Problemdeutungen. So hat sich mit der Fat-Acceptance-Bewegung eine kleine aber zunehmend global agierende Gegenbewegung entwickelt, die aus dem Diskurs um die „Adipositas-Epidemie“ nicht mehr wegzudenken ist.

Neben den Interessen der beteiligten Akteure ist eine Analyse der politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen für ein umfassendes Verständnis der „Adipositas-Epidemie“ als einem politischen Problem unverzichtbar. Das Bestreben, durch die Senkung der Lohnnebenkosten die Wettbewerbsfähigkeit des nationalen Wirtschaftstandortes zu steigern, korrespondiert mit der theoretischen Neuausrichtung des Sozialstaates an einem Modell, in dem soziale Rechte zunehmend an Vorleistungen geknüpft werden, die wiederum rhetorisch als Freiheitsgewinne verkauft werden. Zur Untersuchung dieser Form der Verhaltenslenkung, die weniger auf unmittelbarem Zwang, als auf Formen der mittelbaren Lenkung durch die Beschränkung und Erweiterung von Möglichkeiten basiert, haben sich in den letzten Jahren die Gouvernementalitätstudien etabliert.

Durch die Verknüpfung des sozialkonstruktivistischen und des gouvernementalitätstheoretischen Ansatzes möchte die Arbeit die diskursiven und politisch-ökonomischen Voraussetzungen für den Erfolg der Problematisierung von Übergewicht als „Adipositas-Epidemie“ aufzeigen und damit zum Abbau der damit einhergehenden nicht intendierten Wirkungen wie etwa die Stigmatisierung der Betroffenen beitragen.




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