Projektdetails

Die Lebenssituation von gleichgeschlechtlich liebenden Frauen und Männern in der ambulanten und teil-/stationären Altenpflege

Laufzeit: 30.03.2011 - 30.11.2017
Forschungsteam:

Heiko Gerlach (Projektleitung);

 

Markus Schupp (Projektleitung);

 
Projektpartner:innen: Prof. Dr. Ingrid Darmann-Finck
Projekttyp: Promotionsprojekt

Beschreibung

Diese bundesweite qualitative Forschungsarbeit geht der Frage nach, wie die reale Lebenssituation von gleichgeschlechtlich liebenden Frauen und Männer in der ambulanten und stationären Altenpflege aussieht. Erforscht werden die vorhandenen Wünsche und Bedürfnisse gleichgeschlechtlich liebender Frauen und Männer sowie deren Erfüllung, respektive deren Befriedigung. Hierfür werden bundesweit Interviews mit gleichgeschlechtlich liebenden Frauen und ebensolchen Männern durchgeführt.
In einem zweiten Teil der Forschungsarbeit sollen Erfahrungen, Einstellungen sowie Haltungen von Pflegenden in der Altenpflege zum Thema gleichgeschlechtliche Lebensweise erforscht werden. Auch hier werden bundesweite qualitative Interviews durchgeführt.

Datenerhebung und Methode
Die Datenerhebung findet anhand halbstrukturierter narrativer Interviews statt. Die Auswertung des Datenmaterials erfolgt in Anlehnung an die Grounded-Theory-Methodologie nach Strauss/Corbin. Der Auswertungsprozess wird unter Heranziehung der vier Aufmerksamkeitsebenen der integrativen, texthermeneutischen Analysemethode nach Jan Kruse ergänzt.

Intention und Hintergrund
Im Jahr 2004 führte die Stadt München eine Befragung unter gleichgeschlechtlich liebenden Frauen und Männern zur Einschätzung ihrer Lebenssituation im Alter und zu ihren diesbezüglichen Wünschen, Bedürfnissen und Ängsten durch. Obwohl die Befragten zu dieser Zeit keine Dienstleistungen der Altenhilfe in Anspruch genommen hatten, weder ambulant noch stationär, zeigte sich ein klares Bild ihrer Befürchtungen: Mehr als 90% der Befragten waren der Meinung, dass Einrichtungen der Altenhilfe nicht kompetent mit den Bedürfnissen von gleichgeschlechtlich liebenden Frauen und Männern umgehen können. Etwa 96% waren der Meinung, dass die zu dieser Zeit bestehenden Einrichtungen ihre Angebote nicht auf gleichgeschlechtlich liebenden Frauen und Männer ausgerichtet haben und 77% der Frauen sowie 71% der Männer erwarteten, nicht diskriminierungsfrei leben zu können, sollten sie eine solche Einrichtung in Anspruch nehmen.
Eine Studie aus Frankfurt, an der 271 frauenliebende Frauen über 50 Jahre teilnahmen, kommt zu dem Ergebnis, dass diejenigen, die bereits Erfahrungen mit dem stationären und ambulanten Senior:innen- und Pflegeangebot gemacht haben, ihre Bedürfnisse nicht adäquat bei den herkömmlichen Angeboten berücksichtigt sahen.
Bei einem Vergleich der Ergebnisse der genannten Studien wird deutlich, dass sie weitestgehend auf Annahmen der Befragten basieren. Somit liegen ernstzunehmende Befürchtungen vor. Wissenschaftliche Erkenntnisse jedoch über das Erleben bei der Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen liegen bislang nicht vor. Bis auf die Fallstudie von A. Gogl konnten für keine der Arbeiten gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über die reale Situation von älteren gleichgeschlechtlich Liebenden in Senior:innen- und Pflegeeinrichtungen herangezogen werden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen:

    Es gibt in Deutschland keine Erhebung zur realen Situation von gleichgeschlechtlich liebenden Frauen und Männern in der ambulanten und stationären Pflege.

Diese Forschungsarbeit stellt den Konzeptentwicklungen in der Praxis wissenschaftlich erkenntnis-fundierte Ergebnisse zur Verfügung, um die Versorgung von älteren gleichgeschlechtlich liebenden Frauen und Männern aus der Grauzone der Annahmen zu führen. Grundlegende empirische Erkenntnisse dienen als Basis für die Weiterarbeit in verschiedenen Bereichen. Durch die Ergebnisse kann eine differenzierte und geschlechtssensible Konzeption der Pflege angeboten werden, die sich nicht nur positiv auf die Lebenssituation gleichgeschlechtlich liebender Menschen auswirkt, sondern auch auf die Arbeitssituation von MitarbeiterInnen der Pflege.
Eine solche Forschungsarbeit ist nach Ansicht der Forscher unabdingbar für qualifizierende Überlegungen der kultursensiblen und bedürfnisorientierten Betreuung und Pflege gleichgeschlechtlich liebender Menschen. Nur wenn offen gelegt wird, wo derzeit mögliche Defizite und bereits vorhandene positive Entwicklungen in der strukturellen und persönlichen Versorgung liegen, können adäquate Konzepte erstellt und weiterentwickelt werden. Die Ergebnisse sollen Eingang sowohl in der Pflegepraxis, als auch in die Aus-, Fort- und Weiterbildung für die Sozial- und Heilberufe nehmen, um eine individuelle, biographieorientierte und zielgruppengerechte Pflege und Betreuung der älteren gleichgeschlechtlich Liebenden umsetzen zu können.

Unterstützung und Kooperation
Frau Dr. Gabi Stummer unterstützt diese Forschungsarbeit bei der Durchführung der Interviews mit weiblichen Pflegebedürftigen.
Diese Forschungsarbeit erfuhr im Jahr 2011 eine Teilförderung durch das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) des Landes Nordrhein-Westfalen. Seit Juli 2012 wird sie in Teilen von der Hannchen-Mehrzweck-Stiftung gefördert. Eine Promotionsförderung von Heiko Gerlach findet durch die Hans-Böckler-Stiftung statt.
Von Beginn an wurde die Studie in Kooperation mit dem Schwulen Netzwerk NRW und der Landesarbeitsgemeinschaft Lesben (LAG) in NRW durchgeführt.


Weitere Informationen

Kontakt
Markus Schupp
Diplom Sozialwissenschaftler
Paul-Schallück-Straße
50939 Köln
Tel. 0221 - 22 20 81 75
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Heiko Gerlach
Diplom Pflegewirt (FH)
Falkenried 97
20251 Hamburg
Tel. 040 - 56 06 07 46
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