Projektdetails
„Sucht“ aus körpersoziologischer Perspektive ‒ zur Verkörperung und Einverleibung eines Phänomens
Dr. Sophie Rubscheit (Projektleitung);
Beschreibung
Projekte der Suchtforschung, aber auch Suchttheorien fokussieren meist die Variablen „Drug“ (entsprechende Substanz) oder „Set“ (körperliche und psychische Verfassung der Konsument:innen) und vernachlässigen die vielfältigen Aspekte des „Settings“ (situative, soziale sowie kulturelle Rahmenbedingungen des Gebrauchs). Dies führt unter anderem dazu, dass die Wechselwirkungen zwischen Suchtdiskurs und individuellen Verhaltensweisen in aller Regel unberücksichtigt bleiben. Gleichzeitig werden die dominierenden Abhängigkeitsmodelle auf immer wieder neue stoff-gebundene und stoffungebundene (abweichende oder unerwünschte) Körperpraxen projiziert und auf diese Weise stetig neue „Süchte“ produziert, die einer professionellen Bearbeitung bedürfen. Da keine einheitliche Definition von „Sucht“ existiert, bedarf es einer Hinterfragung linearer und monokausaler Abhängigkeitsmodelle mit Blick auf die spezifischen situativen, körper(leib)lichen, kulturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, wenn das Zustandsbild „Sucht“ kommuniziert und verhandelt werden soll. Vor diesem Hintergrund untersucht die Arbeit auf empirische Weise die Wechselwirkungen zwischen dem Setting im Sinne eines soziokulturell geprägten Suchtwissens samt seiner gesellschaftlich anerkannten Umsetzung und den körperleiblichen Erfahrungen sowie dem entsprechenden Handeln der Subjekte.
Fragestellung
Welche Bedeutung haben Wechselwirkungen zwischen Körper(-wissen) und Leib(-erfahrung) im Hinblick auf „Sucht“? Inwieweit ist die leibliche Suchterfahrung geprägt durch soziokulturelle Rahmenbedingungen?
Ziele
Das gesundheitswissenschaftliche Dissertationsvorhaben bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Körper- und Wissenssoziologie, um „Sucht“ aus körpersoziologischer Perspektive zugänglich zu machen. Das Ziel besteht darin, die Interdependenz von Körper und Gesellschaft am Beispiel „Sucht“ zu rekonstruieren, um die naturwissenschaftliche Verengung medizinischer Suchttheorien aufzubrechen und auf diese Weise sowohl der Forschung als auch der Praxis innovative Überlegungen und Maßnahmen zu ermöglichen.
Methoden
Das Forschungsdesign sieht vor, etwa 12-15 problemzentrierte Leitfadeninterviews nach Witzel (2000) zu führen. Befragt werden Männer und Frauen zwischen 20-60 Jahren, die als Einschlusskriterien wiederholt Psychotropika (Alkohol, Sedativa, Opioide, Cocain, Cannabis, Halluzinogene, »Schnüffelstoffe«) konsumiert haben, sich bereits als „süchtig“ bezeichnen oder retrospektiv bezeichneten und sich in deutscher Sprache verständigen können. Die Auswertung erfolgt anhand der systematischen Metaphernanalyse nach Schmitt (2017).