Projektdetails

Bedarfsanalyse zu Hospizplätzen in Bremerhaven und dem Landkreis Cuxhaven

Laufzeit: 01.09.2000 - 30.09.2000
Forschungsteam:

Prof. Dr. Stefan Görres (Projektleitung);

 

Dipl. -Psych. Ingo Markus Hinz;

 

Dipl.-Gerontol. Sabine Martin;

 
Projekttyp: Drittmittelprojekt
Finanzierung: Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales

Beschreibung

Problem und Fragestellung

Seit den 80er Jahren entstanden orientiert an Erfahrungen aus den angloamerikanischen und amerikanischen Ländern auch in der Bundesrepublik Deutschland Hospizbewegungen, die sich seither immer mehr verbreitet und ausdifferenziert haben. Momentan liegen die Zahlen im gesamten Bundesgebiet bei ca. 60 ambulanten Hospizdiensten oder Hausbetreuungsdiensten, ca. 70 stationären Hospizen und einem Tageshospiz, daneben existieren weitere 57 Palliativstationen (van Oorschot 2000).

Die Diskussion um das Verhältnis von ambulanter zu stationärer Hospizversorgung, Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Hospizbewegung und Palliativmedizin und der Fruchtbarmachung des Hospiz-Konzeptes im Rahmen bestehender Institutionen werden von Seiten verschiedenster Experten sehr kontrovers geführt (vgl. z.B. Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz 1999 & 2000). Um die Pflege Schwerstkranker bzw. Sterbender ausreichend sicherzustellen, bieten sich insofern stationäre Betreuungsmodelle (Hospize bzw. Palliativstationen) ebenso an, wie eine flankierende teilstationäre bzw. ambulante Versorgung. Allerdings verfügt die Bundesrepublik im stationären Bereich mit einem Hospizbett pro 1 Million Einwohner:innen nach wie vor über ein im internationalen Vergleich relativ geringes Bettenkontingent, welches durch die Situation regionaler Unter- und Überversorgung geprägt ist (van Oorschot 2000).

Vor allem aus versorgungsstruktureller Sicht stellt sich die Frage, inwieweit es bisher gelungen ist, ein flächendeckendes Angebot an Hospizbetten bereitzustellen und zu klären, welche Kriterien zur Bemessung des Bedarfs, auch unter Berücksichtigung der Finanzfrage, zugrunde gelegt werden sollen. Ausgegangen wird bisher von einem Verhältnis von 1:100.000, wobei jedoch regionale Besonderheiten unberücksichtigt sind. Uneinigkeit besteht nach wie vor bzgl. der Größe des Bedarfs: Angesichts der wenigen und umstrittenen rein quantitativen Bedarfsberechnung wird dabei u.a. der Einbezug der Ermittlung von Nachfrage und Akzeptanz von Seiten verschiedener zentraler Berufsgruppen, Expert:innen und Betroffenen selbst für dringend erforderlich gehalten.

Unter Förderung des Senators für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales wurde das Institut für angewandte Pflegeforschung (iap) der Universität Bremen in Kooperation mit dem Zentrum für Public Health (ZPH) damit beauftragt, eine Bedarfsanalyse zu stationären Hospizbetten im Raum Bremerhaven und dem Landkreis Cuxhaven zu erstellen.

Zielsetzung und eigene Vorarbeiten

Ziel des Auftrages war, verlässliche Planungsdaten für eine Einrichtung von Betten und deren Finanzierung durch entsprechende Leistungsträger zu gewinnen und die Frage der Akzeptanz eines stationären Angebotes eingehend zu analysieren. Relevante Bedarfsfaktoren wurden unter Einbezug verschiedener Expertinnen sowie Betroffener der Stadt Bremerhaven und des Landkreises Cuxhaven indiziert.

Methoden

Der Bedarfsanalyse wurde ein Methodenmix zugrundegelegt. Basis der Analyse waren drei zentrale Arbeitsschritte: Dokumenten- und Datenanalyse, Durchführung einer Repräsentativbefragung niedergelassener Ärzt:innen und Durchführung von Experteninterviews. Folgende teils quantitativ teils qualitativ-inhaltsanalytisch ausgewertete Erhebungsinstrumente kamen zum Einsatz:

  • Literaturrecherche
  • Fragebogen der Telefoninterviews mit niedergelassenen Ärzt:innen
  • Halbstrukturierter Interviewleitfaden der Experteninterviews
  • Halbstrukturierter Leitfaden der Gruppendiskussion mit Betroffenen

Die Auswertung erfolgte unter Zuhilfenahme eines SPSS gestützten Auswertungsprogramms.

Ergebnisse und deren Relevanz

Die Sichtung der Literatur, sowie Expertenmeinungen verweisen grundsätzlich auf die Forderung, bei der Abschätzung des Bedarfs neben einer rein quantitativen Analyse, qualitative und regionale Aspekte in starkem Maße mit zu berücksichtigen.

Ausgewählte Ergebnisse

  • Die gegenwärtige regionale Versorgungssituation für schwerstkranke und sterbende Menschen wird trotz der Tatsache, dass in Bremerhaven eine Palliativstation existiert, defizitär beschrieben
  • Mängel bestehen aus Sicht der befragten Expert/innen, der niedergelassenen Ärzt/innen sowie der Betroffenen insbesondere hinsichtlich der Qualifikation der beteiligten Akteure des Gesundheitswesens (Ärzt:innen, Pflegekräfte etc.). Hier erscheinen im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse der Patientengruppe vor allem psychologische und psycho-soziale Kompetenzen dringend erforderlich. Weiter ist die ambulante Hospizversorgung zu gering ausgebaut. Auch das Fehlen eines breit gefächerten und gut verzahnten Versorgungsangebotes (ambulant, stationär, Beratungseinrichtungen etc.) wird bemängelt.
  • Ein Bedarf für ein spezielles Versorgungsangebot wird von annähernd allen Befragten gesehen, die Einstellung zur Hospizidee kann von Seiten der befragten Personen als weitgehend positiv beschrieben werden.
  • Die Beschreibungen typischer Patientengruppen macht deutlich, dass die Merkmale potentieller Patient:innen einer stationären Hospizversorgung bzgl. der Erkrankungsart, des Alters und der Lebenssituation sehr differenziert zu betrachten sind. Die Erstellung einer Typologie erscheint vor diesem Hintergrund nur bedingt sinnvoll.
  • Die Befragten haben sehr detaillierte und differenzierte Vorstellungen von Leistungen und Merkmalen hospizlicher Versorgung, die insbesondere auf den Bereich der psychosozialen Begleitung fokussieren
  • Es zeigt sich, dass die Akzeptanz einer stationären Hospizeinrichtung sowohl aus Sicht der befragten niedergelassenen Ärzt:innen als auch der Expert:innen des Gesundheitswesens relativ hoch eingeschätzt wird, aus Sicht der Betroffenen aber nach wie vor ein Unsicherheitsfaktor darstellen dürfte und eine angemessene Öffentlichkeitsarbeit erfordert.

Auf der Basis vorliegender Analyse wurden abschließenden Empfehlungen der Einrichtung einer Versorgung mit stationären Hospizplätzen für das Einzugsgebiet Bremerhaven und Landkreis Cuxhaven zu Bedarf, Konzept, Kooperations- und Vernetzungsanforderungen, Notwendigkeit gezielter Öffentlichkeitsarbeit und wissenschaftlicher Evaluation abgeleitet.

Transfer der Ergebnisse

Die Ergebnisse der Studie wurden dem Auftraggeber in Form eines Abschlussberichtes vorgelegt, der die Grundlage für weitere Diskussionen und Verhandlungen der Verantwortlichen von Einrichtungen und Politik dient.

Schlagworte

  • Hospiz
  • Versorgungsforschung
  • Bedarfsanalyse

Publikationen

Bundesministerium für Gesundheit (1997). Modellprogramm zur Verbesserung der Versorgung Krebskranker - Palliativeinheiten: Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung. Schriftenreihe des Bundesgesundheitsministeriums, Band 95. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft.
Prönneke, R. (2000). Hospiz-Palliativ. Eine Standortbestimmung tut Not. In: Die Hospiz-Zeitschrift, 2, S. 7-8.
Rest, F. (1995). Leben und Sterben in Begleitung. Vier Hospize in Nordrhein-Westfalen. Konzepte und Praxis. Münster: LIT-Verlag.
Rest, F., Michel, S. (1995). Sterben zu Hause? Möglichkeiten und Grenzen der Arbeit der ambulanten Hospizdienste. Düsseldorf: Verlag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales.
Sabatowski, R., Radbruch, L., Loick, G., Nauck, F., Müller, M. (2000). Palliativmedizin 2000. Stationäre und ambulante Palliativ und Hospizeinrichtungen in Deutschland.
Student, J.-C. (1994). Was ist ein Hospiz? In: C. Student (Hrsg.) Das Hospizbuch. 3. aktual. & erg. Auflage. Freiburg im Breisgau: Lambertus, S. 19-30.
van Oorschot, B. (2000). Hospizbewegung und Palliativmedizin - ein Streit um Kaisers Bart? Die Hospiz-Zeitschrift, Ausgabe 2, S. 3-6.




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