Projektdetails

Regionale Fortbildungsbedarfsanalyse bei alternden Belegschaften in der stationären und ambulanten Altenpflege - Entwicklung, Umsetzung und Evaluation mobiler Inhouse-Schulungen zur Einführung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen

Laufzeit: 01.10.2010 - 31.01.2013
Forschungsteam:

Prof. Dr. Stefan Görres (Projektleitung);

 

Christin Adrian, M. Sc.  Public Health;

 

Dr. Jaqueline Bomball;

 

Aylin Schwanke;

 

Dr. Martina Stöver;

 
Projekttyp: Drittmittelprojekt
Finanzierung: Stiftung Katholische Altenhilfe im Bistum Hildesheim

Beschreibung

Problemhintergrund

Der sich vollziehende demografische Wandel, gekennzeichnet durch eine immer älter werdende Gesellschaft, stellt insbesondere für das Gesundheitswesen eine große Herausforderung dar. Die steigende Lebenserwartung, einhergehend mit chronischen Krankheiten, Multimorbidität und einer Zunahme an demenziell erkrankten Menschen, erfordert gut ausgebildetes, engagiertes und leistungsfähiges Pflegepersonal, das diesen veränderten Anforderungen gewachsen ist und eine hohe Pflegequalität gewährleisten kann.
Die gestiegenen Ansprüche an Pflege führen zu enormen Anforderungen an die Berufsgruppe der Pflegenden. Folglich sind psychische und physische Höchstbelastungen berufs- und institutionsbedingt Teil des Pflegealltags. Diese Überlastungen gehen nicht selten mit einer Minderung der Pflegequalität einher (vgl. z.B.BGW 2007) und wirken sich somit nicht nur nachteilig auf den Gesundheitszustand und die Lebensqualität der Pflegenden, sondern gleichermaßen auf Patient:innen und Bewohner:innen  aus.
Die belastenden Arbeitsbedingungen in der Pflege bedingen einen überdurchschnittlich hohen Krankheitsstand, eine vergleichsweise hohe Fluktuation sowie den häufigen Wunsch nach einem frühzeitigen Berufsausstieg. Angesichts dieser Tendenzen und dem schlechten Image des Pflegeberufs sowie geburtenschwacher Jahrgänge ist in naher Zukunft ein Mangel an professionellen Pflegekräften zu befürchten. Hinzu kommt, dass im Zuge des demografischen Wandels nicht nur ein erhöhter Bedarf an Pflegefachkräften besteht, sondern auch die Gruppe der Pflegenden selbst immer älter wird. So waren beispielsweise im Jahr 2002 bereits 23% der Pflegekräfte in Einrichtungen der stationären Altenpflege älter als 50 Jahre (Hasselhorn et al. 2005). Damit wird der Aspekt „alternde Belegschaften“ in der stationären Altenpflege, insbesondere als Inhalt von Fort- und Weiterbildungen, zu einem überaus relevanten Thema.
Erfahrungen mit traditionellen Fort- und Weiterbildungen an arbeitsplatzfernen Orten zeigen lediglich mittelmäßige Effekte, weil der Transfer des Gelernten in den Alltag nur bedingt gelingt. Um eine intensive Auseinandersetzung der Pflegenden mit Gesundheit, Gesundheitsförderung und Prävention sowie einen nachhaltigen Transfer in die Pflegepraxis zu gewährleisten, muss die Integration entsprechender Maßnahmen idealerweise direkt am Arbeitsplatz stattfinden. Eine systematische Entwicklung diesbezüglicher Strategien, die Etablierung zielgruppenspezifischer Angebote (z.B. Rückenschule, Autogenes Training, Supervision) sowie die Einbindung gesundheitswissenschaftlicher Themen in die Aus-, Fort- und Weiterbildung bilden die Grundlage für eine Schärfung des Gesundheitsbewusstseins und folglich für einen besseren Umgang mit körperlichen und psychischen Arbeitsbelastungen. Damit kann die Pflegeeinrichtung einen entscheidenden Beitrag zu einer erhöhten Arbeitszufriedenheit und durch eine stärkere Identifikation mit dem Beruf und der arbeitgebenden Organisation zu einem längeren Verbleib im Pflegeberuf und in der Institution leisten. Letztlich führt ein bewusster Umgang mit der eigenen Gesundheit zu einer Sensibilisierung für die Gesundheitspotenziale der Pflegeempfänger und unterstützt demzufolge eine gesundheitsorientierte und selbstständigkeitsfördernde Pflege und damit die Versorgungsqualität.

Zielsetzungen

Im Rahmen des Vorhabens werden mittels der Ergebnisse einer mitarbeiterbezogenen Bedarfsanalyse, im Gegensatz zu traditionellen Outhouse-Schulungen, mobile Inhouse-Schulungen zu spezifischen Themen und insbesondere mit dem Fokus auf ältere Mitarbeiter/innen entwickelt, durchgeführt und auf ihre Wirksamkeit hin überprüft. Das Ziel dieser zielgruppenbezogenen, mobilen Fortbildungsmaßnahmen besteht in der Gesundheitserhaltung bzw. -förderung speziell älterer Mitarbeiter:innen mit der Intention, die Verbleibsdauer im Pflegeberuf zu erhöhen und insgesamt eine Qualitätssicherung bzw. -verbesserung für die Bewohner:innen bei gleichzeitiger Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und eine langfristige Personalbindung zu erreichen. Damit verbunden sind mittel- bis langfristige Effekte, die in einer wirtschaftlichen Effektivität durch einen niedrigen Krankenstand, geringe Fluktuation der Mitarbeiter/innen und Wettbewerbsvorteile bzw. Attraktivitätssteigerung der Einrichtungen bzw. des Arbeitgebers gesehen werden und zur Verbesserung der Versorgungsqualität beitragen.

Methodisches Vorgehen

Auf der Grundlage eines Reviews über etwa 1000 relevante Studien benennen Kramer, Sockoll & Bödeker (2008) als Voraussetzungen bzw. Erfolgsfaktoren für eine gelingende Implementierung von Maßnahmen betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention fünf Aspekte: eine starke Vernetzung von Maßnahmen auf individueller (Verhaltens-) und organisatorischer (Verhältnis-) Ebene, die sorgfältige Bedarfsanalyse vor Implementierung eines Programms, die Entwicklung von individuell auf die Beschäftigten zugeschnittenen Maßnahmen, die Partizipation der Mitarbeiter/innen sowie ein beständiges Angebot der Maßnahmen (ebd.). Diese Kriterien sollen für das Projektvorhaben handlungsleitend sein. Im Einzelnen gliedert es sich in folgende Phasen:
Phase 1: Fortbildungsbedarfsermittlung (IPP)
Es wird eine systematische Fortbildungsbedarfsanalyse der Fach- und Führungskräfte mittels standardisierter Fragebogenerhebungen in 7 vollstationären Altenpflegeeinrichtungen der Caritas (Diözese Hildesheim) und 4 kooperierenden katholischen Einrichtungen durchgeführt (Vollerhebung, n= ca. 1.000).
Phase 2: Entwicklung der Schulungskonzepte (Caritas)
Die Entwicklung der inhaltlichen Schwerpunkte der Inhouse-Schulungen erfolgt anhand der Ergebnisse der Bedarfsanalyse (Themen: z.B. Stressabbau, körperliche Fitness, rückenschonendes Arbeiten, Kommunikation etc.). Zur Konzeption der einzelnen Trainingsprogramme wird eine interdisziplinäre Expertengruppe (Pflegekräfte, Psychologen:innen, Physiotherapeuten:innen, Ökotrophologen:innenetc.) gebildet. In dieser Arbeitsgruppe werden die Schulungsinhalte und das didaktische Konzept diskutiert, Schulungshandbücher erstellt sowie die Trainer:innen geschult. Thematisch sind die entsprechenden Maßnahmen zu Gesundheitsförderung und Prävention gleichermaßen auf Verhaltens- und Verhältnisebene angesiedelt.
Phase 3: Programmdurchführung (Caritas)
In den Einrichtungen der Caritas (Diözese Hildesheim) und den kooperierenden katholischen Einrichtungen werden systematisch Inhouse-Schulungen zu den ermittelten Fortbildungsbedarfen angeboten. Die Durchführung erfolgt bewusst direkt vor Ort in den jeweiligen Einrichtungen, um der Zielgruppe durch ein zugehendes Angebot („Bring-Struktur“) einen leichten Zugang und damit eine hohe Akzeptanz der Intervention zu ermöglichen.
Phase 4: Programmevaluation (IPP)
Im Rahmen einer begleitenden wissenschaftlichen Evaluation werden die Programmeffekte überprüft. Die Hauptfragestellungen der Programmevaluation lauten:

  • Sind die entwickelten Inhouse-Schulungen eine wirksame Intervention zur Reduktion der (psychischen) Arbeitsbelastungen bei Mitarbeiter/innen in der stationären Altenpflege?
  • Verbessern die Inhouse-Schulungen das Wissen über (psychische) Arbeitsbelastungen und das Erkennen von Belastungsgrenzen?
  • Sind die entwickelten Inhouse-Schulungen eine wirksame Intervention zur Reduktion gesundheitlicher Beschwerden bei Mitarbeiter/innen in der stationären Altenpflege?
  • Sind die entwickelten Inhouse-Schulungen eine wirksame Intervention zur Erhöhung der Arbeitszufriedenheit bei Mitarbeiter:innen in der stationären Altenpflege?
  • Lassen sich durch die Intervention ökonomische Effekte (höhere Verbleibsdauer in der Einrichtung, Verringerung des Krankenstands) nachweisen?
  • Liefern die Ergebnisse der Programmevaluation Erkenntnisse zu Unterschieden zwischen den Effekten bei jüngeren und älteren Mitarbeiter:innen?

Die Überprüfung der Programmeffekte findet im Rahmen einer Vorher-Nachher-Studie (vgl. Behrens & Langer 2004: 140) statt. Die Intervention besteht aus der Durchführung der Inhouse-Schulungen zu speziellen Themenbereichen, die vorab anhand der Bedarfsanalyse ermittelt wurden.
Vorgesehen sind drei Erhebungszeitpunkte zur Überprüfung der Wirksamkeit der Schulungen. Die erste Erhebung (t0) erfolgt vor Beginn der Intervention, die zweite Untersuchung unmittelbar nach Ende der Intervention (t1) und die dritte Befragung zur Ermittlung der mittel- bis langfristigen Programmeffekte (t2) nach weiteren sechs Monaten.
Phase 5: Verstetigung des Programms in Einrichtungs- oder trägerbezogene Konzepte der Personalentwicklung
Abschließend werden Empfehlungen für die kontinuierliche Anwendung und Verstetigung des Programms in Konzepte der Mitarbeiterqualifizierung erarbeitet.

Zielgruppe

Zu den Studienteilnehmer:innen zählen Pflegekräfte (examinierte und nicht examinierte Mitarbeiter:innen sowie Mitarbeiter:innen der Leitungsebene) aus sieben vollstationären Pflegeeinrichtungen der Caritas (Diözese Hildesheim) und vier katholischen Einrichtungen. Es wird eine möglichst vollständige Beteiligung der Pflegenden bzw. Leitungskräfte in allen o. g. Einrichtungen angestrebt.

Zu erwartende Ergebnisse und Relevanz

Anstelle der üblichen Fortbildungsmaßnahmen, die in der Praxis häufig extern und ohne vorherige Bedarfsermittlung angeboten werden, stellt das Programm „Regionale Fortbildungsbedarfsanalyse bei alternden Belegschaften in der stationären Altenpflege - Entwicklung, Umsetzung und Evaluation mobiler Inhouse-Schulungen zur Einführung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen“ einen mitarbeiterorientierten Lösungsansatz dar, der die Entwicklung von individuell auf die Beschäftigten und hier insbesondere auf ältere Mitarbeiter:innen zugeschnittene Schulungen fokussiert. Die Programmevaluation liefert Ergebnisse:

  • zur Wirksamkeit der Inhouse-Schulungen im Zusammenhang mit den formulierten Zielen der Gesundheitserhaltung bzw. -förderung insbesondere älterer Mitarbeiter
  • zur Wirksamkeit der Inhouse-Schulungen hinsichtlich des Erkennens von Belastungsgrenzen und der Anwendung von Strategien zur Gesundheitserhaltung bzw. -förderung
  • zur Wirksamkeit der Inhouse-Schulungen bezüglich einer Reduzierung der (psychischen) Arbeitsbelastungen von Mitarbeiter:innen in der stationären Altenpflege
  • zur Wirksamkeit der Inhouse-Schulungen im Zusammenhang mit einer Erhöhung der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter:innen
  • zur Wirksamkeit der Inhouse-Schulungen hinsichtlich ökonomischer Effekte (höhere Verbleibsdauer in der Einrichtung, Verringerung des Krankenstands)

Zusammengefasst führen die auf der Grundlage einer sorgfältigen Bedarfsanalyse implementierten und evaluierten Inhouse-Schulungen zur Unterstützung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen bei gleichzeitig erwarteter Reduzierung insbesondere psychischer Belastungen. Die daraus resultierenden Effekte können langfristig einen Beitrag zur Erhaltung und Erhöhung der Pflegequalität in den Einrichtungen der stationären Langzeitpflege leisten.




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