Projektdetails

Beratung und formative Prozessevaluation an der Bremer Krankenpflegeschule e.V.

Laufzeit: 01.11.2003 - 01.09.2006
Forschungsteam:

Prof. Dr. Ingrid Darmann-Finck (Projektleitung);

 

Sabine Muths;

 
Projekttyp: Drittmittelprojekt
Finanzierung: Bremer Krankenpflegeschule der freigemeinnützigen Krankenhäuser e.V., Robert Bosch Stiftung GmbH Stuttgart (10/2004 - 09/2006 Implementierung des Problemorientierten Lernens)

Beschreibung

Zielsetzung

Die strukturellen, politischen und ökonomischen Veränderungen im Gesundheitswesen stellen neue Anforderungen an Pflege, auf die auch Ausbildungseinrichtungen für Pflegende reagieren müssen.

Um diese Anforderungen gestalten zu können, gilt es, ein professionelles Pflegeverständnis zu entwickeln, das sich nicht auf die Anwendung von Regelwissen beschränkt, sondern Regelwissen und Fallverstehen zusammenbringt. Außerdem müssen Pflegende neben der inhaltlichen Sach- und Fachkompetenz mit sozialen und personalen Kompetenzen ausgestattet sein und ihr berufliches Handeln in seiner sozialen und ökonomischen Bedingtheit reflektieren können. Curriculare Veränderungen sind hierfür ebenso erforderlich wie solche auf der Ebene der konkreten Lehr-/Lernprozesse. Die Realisierung von beidem ist Gegenstand dieses Forschungs- und Implementierungsvorhabens:

  • Zum einen sollen die bildungstheoretischen, fachdidaktischen und curricularen Voraussetzungen in einem formativen Beratungs- und Evaluationsprozess in der engen Kooperation zwischen Schule und Universität entwickelt und untersucht werden und zur Entwicklung und unterrichtlichen Realisierung eines schuleigenen, lernfeldorientierten Curriculums führen.
  • Zum anderen soll mit der Methode des Problemorientierten Lernens (POL) als Lehr- Lernkonzept zur Förderung von Fallverstehen und transferfähigem Wissen und Können eine Form des "situierten" Wissens- und Kompetenzerwerbs als Basiselement auf mikrodidaktischer Ebene etabliert werden. Auch diese Implementierung wird formativ evaluiert.

Ausgangspunkt für den Prozess der Curriculumentwicklung an der BKS bilden die Erfahrungen mit dem so genannten Oelke Curriculum und die Analyse seiner Stärken und Schwächen. Damit verbunden wurde der Anspruch, Unterricht zukünftig noch stärker fächerintegrierend und situationsorientiert zu gestalten, und sich dabei auf exemplarische und bildungshaltige Situationen der Berufswirklichkeit zu beziehen, um so letztlich zu einem lernfeldorientierten Curriculum zu gelangen. Lernfelder werden dabei als curriculares Strukturprinzip verstanden, mit dessen Hilfe Unterrichtsinhalte zu Sinneinheiten zusammengefasst werden, die die Berufspraxis reflektieren.
Im Sinne eines emanzipativen Bildungsverständnisses (Klafki) zielt dieses Curriculum auf die Befähigung zur reflexiven, wissensbasierten, situations- und personenadäquaten Urteilsbildung. Bei der Curriculumkonstruktion werden für die Auswahl von Inhalten, anhand derer diese angeeignet werden können, unterschiedliche fachdidaktische Referenzrahmen herangezogen.
Die Zusammenstellung der Lernfelder basiert auf einer allgemeinen Berufsfeldanalyse gegenwärtiger und zukünftiger Handlungsfelder der Pflege, die nach dem Prinzip der Exemplarizität mit für diese Handlungsfelder typischen Situationsmerkmalen verknüpft werden. Die Aneignung der Bildungsziele erfolgt dann ausgehend von komplexen, problemhaltigen Situationen der Berufswirklichkeit.

Parallel zum Prozess der Curriculumentwicklung werden die Lernfelder konkretisiert, unterrichtlich umgesetzt, evaluiert und entsprechend den Ergebnissen der Evaluation überarbeitet. In diesen Lernfeldern werden neben traditionell wissensbasierten Unterrichtseinheiten vor allem handlungs- und erfahrungsorientierte Unterrichtseinheiten und sog. Lerninseln realisiert. Lerninseln (vgl. Dubs 2000) basieren auf Fallsituationen, die aus Narrativen zu Schlüsselproblemen der Berufswirklichkeit gewonnen wurden.
Zur Analyse dieser Situationen konnte auf mikrodidaktischer Ebene das Instrument einer pflegedidaktischen Heuristik, die von Prof. Darmann auf der Grundlage ihrer qualitativen Studie zur "Interaktion im Pflegeunterricht" entwickelt wurde, im Kontext von Unterrichtsplanung und -realisierung überprüft und weiterentwickelt werden. Mit Hilfe der Heuristik können die bildungsermöglichenden Inhalte einer Situation aufgeschlüsselt und entsprechende Lernziele abgeleitet werden, die auf ein vertieftes interaktions- und reflexionsorientiertes Pflegeverständnis zielen.

Einen Schwerpunkt unter den neu eingeführten Lehr-/Lernformen an der BKS bildet das Konzept des Problemorientierten Lernens (POL). POL basiert nach der hier vertretenen Auffassung auf den wissenschaftstheoretischen Konzepten des symbolischen Interaktionismus und des Konstruktivismus. Der Theorie-Praxis-Transfer erfolgt durch die Erweiterung von Deutungs- und Reflexionswissen. In jedem Unterrichtsblock sollen die Schüler:innen eine oder mehrere Fallsituationen mit Hilfe des problemorientierten Lernens selbständig erarbeiten. Die Lehrer:innen übernehmen dabei die Rolle von Tutoren oder Lernbegleitern. Damit wird auch die Reflexion der eigenen Rolle ein wichtiger Teil des Schulentwicklungsprozesses im Lehrerteam.

Die systematische Einbindung des POL in dieser Form in die Erstausbildung von beruflich Pflegenden ist in der Bundesrepublik neuartig und soll hier auch insofern weiterentwickelt werden, als es darum gehen muss, die zu bearbeitenden Fälle dem Kompetenzniveau der Auszubildenden anzupassen und mit der wachsenden Kompetenz der Schüler:innen den Komplexitätsgrad der Fälle zu erhöhen. Dabei soll auch untersucht werden, welche Wirkungen dieses Lehr-Lern-Arrangement auf die Lernprozesse der Auszubildenden hat und wie sich die im Verlauf der Ausbildung zunehmende praktische Erfahrung und die Reflexionsprozesse im Rahmen von POL im Sinne von Wissenstransfer wechselseitig beeinflussen.

Für den Schulträger etabliert sich mit der Einführung einer in dieser Form neuartigen Lehr-/Lernmethode ein Qualitätsmerkmal der Einrichtung, das Wettbewerbsvorteile schaffen und die Außenwirkung der Schule durch gut darstellbare Ausbildungselemente verbessern soll.

Methoden der Evaluation

Im vorliegenden Projekt ist wissenschaftliche Begleitforschung primär als formative Prozessevaluation geplant und soll dazu dienen, Verbesserungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Umsetzung der entwickelten Lehr-Lernformen zu bestimmen. Der Prozess wird fortlaufend dokumentiert, die unmittelbaren "Nutzer" des Programms (Schüler:innen, Lehrer:innen, Mentor:innen/Praxisanleiter:innen) werden nach den jeweiligen Prozessschritten befragt und die Ergebnisse wiederum in den Prozess zurückgemeldet, wo sie Einfluss auf die weitere Prozessentwicklung und -qualität haben (User Participation in Quality Assessment - UPQA-Methode). Außerdem werden die Lehr-/Lernprozesse in unterschiedlichen Lernsituationen beobachtet. Die Prozessevaluation untersucht etwa die Qualität der Vorbereitung auf die POL-Gruppenarbeit, die Moderation der POL-Gruppen und die angebotenen Fälle. Die Kriterien für die Evaluation werden einerseits aus der Perspektive der Beteiligten gewonnen, andererseits werden didaktische Kriterien zugrunde gelegt.

Transfer der Ergebnisse

Geplant ist eine Veröffentlichung als Fallsammlung mit erarbeiteten Lösungsbeispielen, wobei darauf geachtet wird, dass keine Musterlösungen im Sinne klassisch operationalisierter Unterrichtsmethoden dargestellt werden. Vielmehr sollen die Lösungsansätze die Komplexität von Praxissituationen nicht negieren, sondern gerade verdeutlichen. Die Dokumentation und Evaluation der Arbeitsprozesse soll auch zu Präsentationen auf Kongressen zur Ausbildung im Berufsfeld Gesundheit/Pflege führen.

Dadurch wird der Transfer des Verfahrens auf andere Ausbildungseinrichtungen und Bildungsgänge ermöglicht.

Erwartete Ergebnisse und deren Relevanz

Die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation der prozessbezogenen Entwicklung und Implementierung eines lernfeldorientierten Curriculums liefern weiterführende Erkenntnisse hinsichtlich förderlicher und hinderlicher Faktoren in der Entwicklung und Erprobung von neuen Lehr- und Lernformen in der Pflegeausbildung. Diese Erkenntnisse werden auch für die Gestaltung von anderen Aus- und Weiterbildungen von Relevanz sein.
Neben dem Beitrag zur Kompetenzentwicklung der Auszubildenden wird mit diesem Implementierungsprozess so ein wesentlicher Beitrag für die Curriculumdiskussion in der Pflegepädagogik geleistet.

Schlagworte

  • Curriculumentwicklung
  • Problemorientiertes Lernen
  • Erfahrungsbezogener Unterricht
  • Handlungsorientierter Unterricht
  • Lernfeldansatz
  • Pflegeausbildung
  • Theorie-Praxis-Transfer
  • Praxisanleitung/praktischer Unterricht

Literatur

  • Bruckmoser, Sepp; Konschak, Jana; Mandl, Heinz (2001): Problemorientierte Blockkurse im Rahmen des Medizincurriculums an der LMU München. In: Mandl, Heinz; Putz, Reinhard V.; Peter, Klaus; Höfling, Siegfried (Hrsg.): Lernmodelle der Zukunft am Beispiel der Medizin. München: Hanns-Seidel-Stiftung, S. 23-39.
  • Darmann, Ingrid (2003): Problemorientiertes Lernen - Transfer durch die Erweiterung von Situationsdeutungen, unveröffentlichtes Manuskript.
  • Dubs, Rolf (1995): Konstruktivismus : Einige Überlegungen aus der Sicht der Unterrichtsgestaltung. In: Zeitschrift für Pädagogik 1995 41(6); S. 890-903
  • Görres, Stefan (1998): Evaluationsforschung - dargestellt am Beispiel der Einrichtung von Qualitätszirkeln in der Pflege. In: Wittneben, Karin (Hrsg.): Forschungsansätze für das Berufsfeld Pflege. Stuttgart: Thieme. S. 199-215.
  • Heiner, Maja (1998): Experimentierende Evaluation. Weinheim, München: Juventa.
  • Klafki, Wolfgang (1993): Neue Studien zur Bildungstheorie und zur Didaktik. Weinheim, Basel: Beltz. 3. Auflage.
  • Krogstrup, Hanne K. (1997): User Participation in Quality Assessment. A dialogue and learning oriented evaluation method. In: Evaluation, 3 (2) 205-224.
  • Oelke, Uta; Menke, Marion (2002): Gemeinsame Pflegeausbildung. Medellversuch und Curriculum für die theoretische Ausbildung in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege. Bern [u.a.] : Huber
  • Oelke, Uta (2003): Der Lernfeldansatz: Neue Herausforderungen an den Lernort "Pflegeschule". Manuskript für einen Artikel, der Ende 2003/Anfang 2004 in Pr-Internet/Pflegepädagogik erscheint.
  • Reetz, Lothar (1996): Wissen und Handeln. - Zur Bedeutung konstruktivistischer Lernbedingungen in der kaufmännischen Berufsausbildung. In: Beck, Klaus u.a. (Hrsg.): Berufserziehung im Umbruch. Weinheim : Deutscher Studienverlag. S. 173-188.
  • Roth, Heinrich (1973): Pädagogische Psychologie des Lehrens und Lernens. Hannover [u.a.] : Schroedel
  • (2003): Problemorientiertes Lernen - neuer Wein in alten Schläuchen oder eher alter Wein in neuen Schläuchen? In: www.PR-INTERNET.com für die Pflege, 5 (1) 36-45.
  • Wittneben, Karin (2003): Pflegekonzepte in der Weiterbildung zur Pflegelehrkraft. Frankfurt/Main: Lang. 5. Auflage.
  • Wittneben, Katharina (2002): Entdeckung von beruflichen Handlungsfeldern und didaktische Transformationen von Handlungsfeldern zu Lernfeldern - Ein empirischer Zugriff für Bildungsgänge in der Pflege. in: Darmann, Ingrid; Wittneben, Katharina (Hrsg.) (2002): Gesundheit und Pflege. Bildungshaltigkeit von Lernfeldern. Wissensbestände und Wissenstransfer. Bielefeld : W.Bertelsmann; S. 19 - 36



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