Wintersemester 2015/16: Max Bruch, "Odysseus"

Homers „Ilias" und „Odyssee"

Homers Epen "Ilias" und "Odyssee" sind phänomenale Werke mit außerordentlicher Ausstrahlungskraft. Auch wer sie nicht gelesen hat, kennt doch die Handlung in groben Zügen und sogar unsere alltägliche Sprache ist nachhaltig davon geprägt: Wir haben ‚Trojaner‘ auf unseren Computern, bezeichnen unsere Schwäche als ‚Achillesferse‘, lassen uns nicht ‚bezirzen‘, hören ‚Kassandrarufe‘ und ‚Sirenengesang‘, müssen zwischen ‚Scylla und Charybdis‘ wählen und erleben immer wieder eine ‚Odyssee‘. Die „Ilias" und die „Odyssee" sind die ältesten literarischen Texte des Abendlandes überhaupt und immer noch aktuell. Sie werden seit ihrer Dichtung vor mehr als 2700 Jahren ununterbrochen gelesen und inspirieren bis heute permanent zu neuen Kunstwerken. Die Figur des Odysseus erweist sich dabei als besonders stimulierend; sie hat im Laufe der Jahrtausende ganz unterschiedliche Interpretationen erfahren.

Max Bruchs „Odysseus"

Zentrales Thema von Max Bruchs "Odysseus" ist Odysseus‘ Sehnsucht, nach Hause und zu seiner Frau Penelope zurückzukehren. Dabei spielen der Begriff ‚Heimat‘ und die Schilderung der Gefahren des stürmischen Mittelmeeres rings um Griechenland eine wichtige Rolle. 2016, zur Zeit der Einstudierung und Aufführung von Bruchs "Odysseus" durch Orchester & Chor der Universität Bremen, setzten auf demselben Meer Zehntausende ihr Leben aufs Spiel auf der Flucht aus ihrer Heimat in Vorderasien oder Afrika. Odysseus dagegen überwand vor fast 3000 Jahren zehn Jahre lang hartnäckig ein Hindernis nach dem anderen um in seine vertraute Heimat Ithaka zurückzugelangen. Gemeinsam sind beiden ‚Odysseen‘ die starken Gefühle, die sich dabei mit dem Wort ‚Heimat‘ verbinden. Diese Gefühle lotet Bruch musikalisch in seinem „Odysseus" in ihrer großen Tiefe und mit all ihren Nuancierungen aus und ist damit überraschend aktuell.

Bruchs "Odysseus" in Bremen

Am 6. Mai 1872 sind im Saal des Künstlervereins in Bremen die Hauptszenen aus Max Bruchs "Odysseus" uraufgeführt worden. Gesungen hat die "Sing-Academie in Bremen", einstudiert vom damaligen Bremer Musikdirektor Carl Martin Reinthaler. Die Uraufführung wurde von Max Bruch persönlich dirigiert, der von der Leistung der Sing-Academie so beeindruckt war, dass er das Werk ihr widmete. Den Kontakt zu Bruch hatte Reinthaler hergestellt, der selbst auch ein aktiver Komponist war. Ihm verdankt Bremen auch die Uraufführung der wichtigsten Teile von Johannes Brahms' "Ein deutsches Requiem" vier Jahre zuvor im April 1868 im Bremer Dom.

"Odysseus" wurde schnell zu einem der erfolgreichsten Werke von Max Bruch; schon drei Jahre nach der Uraufführung, 1875, aus Anlass der Aufführung durch Johannes Brahms bei seiner Verabschiedung als Dirigent vom Wiener Singverein, schrieb Bruch, dass es sich hierbei bereits um die 36.ste Stadt handele, in der sein "Odysseus" aufgeführt werde. Auch in England und den U.S.A. war das Werk erfolgreich. In Bremen wiederholte die Sing-Akademie es 1873, 1882 und 1894. Die Aufführung 1894 war die letzte in Bremen bis zur Wiederaufführung durch Orchester & Chor der Universität Bremen mehr als 120 Jahre später am 6. Februar 2016. Auch außerhalb Bremens gab es ab 1900 nur noch wenige Aufführungen des Werks. 1997 schnitt der NDR eine Aufführung durch hauseigene Ensembles live mit und veröffentlichte sie bei ALLmusic. Der Klavierauszug kann auf IMSLPeingesehen werden. Es lohnt sich!   

Hörbeispiel aus dem Konzert in der Glocke am 6. Februar 2016

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Max Bruch: Odysseus; Ausschnitt aus: „Das Gastmahl bei den Phäaken“ mit Martin Kronthaler/Bariton als Odysseus, Sabrina Franzke als Nausikaa, Dagmar Hildebrand als Arete, Nils Roese als Alkinoos und Orchester & Chor der Universität Bremen unter der Leitung von Susanne Gläß; Live-Mitschnitt: Gerd Anders
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Seminar, Einführungsvortrag, Programmheft und Dank

Die Aufführung 2016 durch Orchester & Chor der Universität wurde durch ein Seminar begleitet, das das Programmheft verfasst hat. Das Heft kann als PDF-Datei angesehen und heruntergeladen werden. Das Seminar hat außerdem am 30. Januar 2016 um 11 Uhr einen öffentlichen Einführungsvortrag zum Konzert im Haus der Wissenschaft/Sandstr. gehalten. Der Bericht  darüber im Weser-Kurier (4.2.16) kann ebenfalls als PDF-Datei angesehen und heruntergeladen werden.

Orchester & Chor danken der Hochschule für Künste Bremen für die Leihe der A-Klarinette, der Waldemar Koch Stiftung für die großzügige Unterstützung des Projekts und Christiane Marwecki für die grafische Gestaltung!

Werk- und Satztitel, Ausführende und Konzertdatum

Max Bruch: Odysseus - Szenen aus der Odyssee, op. 41

Aufführung einer gekürzten Fassung mit den Sätzen Vorspiel - Odysseus in der Unterwelt - Der Seesturm - Das Gastmahl bei den Phäaken - Penelope ein Gewand wirkend - Fest auf Ithaka - Schlusschor

Ausführende

Penelope: Kerstin Stöcker/Alt
Odysseus: Martin Kronthaler/Bariton
Leukothea und Nausikaa: Sabrina Franzke/Sopran (Mitglied des Chores)
Antikleia und Arete: Dagmar Hildebrand/Mezzosopran (Mitglied des Chores)
Teiresias und Alkinoos: Nils Roese/Bass (Mitglied des Chores)
Moderation: Jan-Christoph Dwortzak (Mitglied des Chores und Teilnehmer am Seminar)
Orchester & Chor der Universität Bremen
Gesamtleitung: Susanne Gläß

Konzertmeister: Sören Schulze
Korrepetition Chorproben: Stefanie Adler
Stimmbildung Chor: Nils Roese
Coaching hohe Streichinstrumente: Anette Behr-König (Bremer Philharmoniker)
Coaching tiefe Streichinstrumente: Johannes Krebs (Bremer Philharmoniker)
Coaching Holzblasinstrumente: Raphael Schenkel (Bremer Philharmoniker)

Konzert

Sonnabend, 6. Februar 2016, 20 Uhr, Glocke/großer Saal

Susanne Gläß und Martin Kronthaler
Martin Kronthaler (Bariton) in der Rolle des Odysseus und Susanne Gläß (Dirigentin)