Übersicht

Steckbrief

In Ihrem TnL-Studium lernen Sie die vielfältigen historischen und generischen transnationalen und -kulturellen Verflechtungen von literarischen Gattungen und Strömungen, Theater oder Film kennen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Kulturproduktion der romanischen Sprachen sowie auf dem deutschsprachigen und anglophonen Kulturraum. Dabei erwerben Sie ein breites Fundament von Kenntnissen im Bereich literatur-, film-, theater-, medien- und kulturwissenschaftlicher Theorien. Der jeweilige historisch-kulturelle Kontext, diachrone Entwicklungen von Mittelalter und Früher Neuzeit bis zur Moderne werden in Ihrer Auseinandersetzung mit transnationalen Phänomenen eine ebenso wichtige Rolle spielen wie die Analyse postmoderner und zeitgenössischer Kunst und Medialität in und außerhalb von Europa.  

In Ihrem TnL-Studium erarbeiten Sie im Grund- und Theoriemodul in partizipativen Vorlesungen und Seminaren sowie in der individuellen Selbststudieneinheit zunächst die Grundlagen der historischen Dimensionen literarischer und filmischer Transnationalität, lernen grundlegende theoretische Kategorien der drei Studienschwerpunkte Literatur, Theater und Film kennen und erweitern Ihr Wissen an literarischen und filmischen Texten. In den Profilmodulen schließlich können Sie aus einer großen Bandbreite von Seminaren zu unterschiedlichen theoretischen Konzepten des Transnationalen in Literatur, Theater und Film sowie zu den facettenreichen Ausprägungen innerhalb der unterschiedlichen ‚Nationalliteraturen‘ in Vergangenheit und Gegenwart wählen.

Einen großen Stellenwert werden in Ihrem TnL-Studium zudem die Praxismodule Literatur, Theater und Film einnehmen, in denen Sie Ihre kritisch erarbeiteten Erkenntnisse der analyseorientierten Seminare konkretisieren und Ihnen Leben einhauchen können. Ziel ist es, Theorie und Praxis nicht als separate Bereiche zu begreifen, sondern Theorie schon immer als Praxis und Praxis schon immer als Theorie zu denken. So haben Sie im Rahmen der Praxis z.B. die Möglichkeit, ihre Fremdsprachenkenntnisse gezielt zu vertiefen, einen eigenen Kurzfilm zu drehen und diesen in einem Bremer Kino vorzuführen, das Zusatzzertifikat Performance Studies zu erwerben oder Erfahrungen in der Organisation von Literaturfestivals und im Verfassen von Rezensionen zu sammeln.

 

Zum Konzept der Transnationalität

Historische Relevanz und Diachronie der Transnationalität

Der sogenannte transnational turn, der in den 1990er Jahren seinen Anfang nimmt, versteht sich zunächst als Reaktion auf die fortschreitende gesellschaftliche wie kulturelle Globalisierung der Gegenwart und die hierdurch veränderten Produktions- und Rezeptionskontexte literarischer Texte. Die tendenzielle Abnahme nationalstaatlicher Souveränität im Zuge globaler politisch-ökonomischer Prozesse verweist dabei zunehmend auf den Umstand, dass Literaturen nicht ausschließlich in ihrem nationalen Rahmen begriffen werden können. So postulierte bspw. der argentinische Kulturkritiker Néstor García Canclini Anfang der 1990er Jahre, dass es im Zeitalter der Globalisierung nurmehr ‚Grenzkulturen‘ gebe, in denen sich kulturelle Artefakte stets im Verhältnis zu anderen und jenseits eines abgegrenzten Territoriums entwickelten. Die Forschung zu Phänomenen des Transnationalen hat sich jedoch insbes. in den letzten Jahren zusätzlich für unterschiedlichste historische Zusammenhänge interessiert und sich entsprechend breit positioniert. Denn ähnliche Vernetzungen und Wechselwirkungen lassen sich auch schon weit früher beobachten – so entstehen bspw. mit der Erfindung des Buchdrucks in der Frühen Neuzeit weitreichende kulturelle Vernetzungs- und Translationsbewegungen (vgl. z.B. McLuhan, Curtius), etwa zwischen den romanischen Ländern, Deutschland und Großbritannien oder zwischen Europa und der sog. ‚Neuen Welt‘. Der transnational turn ist in dieser Hinsicht also weder als ein postmodernes Phänomen noch als ein rein chronologischer Bruch zu begreifen. Demgemäß liegt der Fokus der transnationalen Literaturwissenschaft nicht nur auf der Analyse von Gegenwartsliteraturen und dem zeitgenössischen Kino, sondern auch auf der kritischen Relektüre kanonischer wie nicht-kanonischer Texte und Filme einer vermeintlich geschlossenen Nationalkultur, die deren transnationale Dimensionen erst sichtbar macht. Die Verflechtungen literarischer, kultureller und auch politischer Strömungen bzw. Ereignisse der Vergangenheit (z.B. Revolutionen), deren Resonanz mitunter bis heute spürbar ist, sind daher ein wesentlicher Bestandteil der transnationalen Literaturwissenschaft in Bremen.

Theoretische und methodische Relevanz

‚Transnationalität‘ ist ein überaus facettenreiches Konzept. Übersetzungsprozesse, Translationsbewegungen, rhizomatische Strukturen, Psychoanalyse, Genre-Theorie u.v.m. lassen sich vor diesem Hintergrund (neu) lesen. Eine enge Verwandtschaft besteht außerdem zum gleichfalls vielschichtigen Konzept der Hybridität. Michail Bachtin attestierte dem Roman die Fähigkeit, gesellschaftliche Spannungen zu erfassen und hybrid zu artikulieren, indem die Vielfalt der Stimmen im Roman als Neben- bzw. Mit- oder Gegeneinander unterschiedlicher Diskurse und als Vermischung mehrerer sozialer Sprachen verstanden wird. In Zusammenhang mit postkolonialer Theoriebildung ist insbesondere für frühe Forschungsansätze der Transnationalität darüber hinaus u.a. die Hybridität von Kulturproduktion (Bhabha), subalterne Subjektpositionen (Spivak) sowie die Erzeugung neuer geographischer Forschungsfelder (Gilroy/Ette) von wesentlicher Bedeutung.

Doch Transnationalität ist kein Phänomen, das sich nur im abstrakten Bereich einer als autonom verstandenen Sphäre der Kunst entfaltet. Von zentraler Bedeutung ist daher nicht zuletzt das Verhältnis zwischen Transnationalität und Machtdiskursen. Kritiker (Pease/Goodlad) der Transnationalitätsdiskurse erster Stunde heben bspw. das subversive Potenzial des neuen geographischen Imaginären (Black Atlantic, La Frontera, Borderlands etc.) hervor, das die mitunter schockierende Unterseite nationaler Narrative hervorkehrt, weisen jedoch auch auf die Gefahr hin, dass Machtstrukturen im Rahmen einer unreflektierten Überhöhung hybrider Kulturproduktion verschleiert werden können. Jüngere Tendenzen (Hill/Goodlad) des transnational turn zeigen denn auch ein verstärktes Interesse der Forschung an dem Verhältnis von literarischer Form und dem Wechselspiel zwischen lokalen literarischen Praktiken und (globalen) politisch-ökonomischen Machtstrukturen. Konzeptuell schließen diese Studien an Modelle der rezenteren Forschung zur Weltliteratur an, ohne jedoch die eurozentrische Vorstellung einer autochthonen Literatur der westlichen Metropole zu übernehmen. Vielmehr gilt es, historisch fundierte, wechselseitige transnationale Vernetzungen aufzuzeigen.  

Bedeutung des (Trans-)Medialen

Im TnL-Studium werden regelmäßig Lehrveranstaltungen angeboten, die den Studienfokus des Transnationalen mit der Dimension der Transmedialität verknüpfen. Transmedialität betont den Reichtum der Dialogizität und Intertextualität sowie der Koexistenz von literarischen, dramatischen, picturalen, kinematographischen und nicht zuletzt digitalen Medien. So ist beispielsweise die ekphrastische Dimension der frühen Erzählungen Théophile Gautiers schwer ohne Gautiers Dialog mit Gemälden von Peter Paul Rubens oder Eugène Delacroix zu denken. Verhandlungen des Wechselspiels verschiedener Medien, wie der Fotographie, der Schreibmaschine und dem gesprochenen Wort, finden sich auch in Julio Cortázars viel gerühmter Kurzgeschichte »Las babas del diablo« (1959), die von Michelangelo Antonioni in seinem Meisterwerk Blow up (1966) durch die Transposition ins filmische Medium transnational und -medial erweitert wurde. Nicht zuletzt ist die spannungsreiche Zusammenkunft verschiedener Medien im Werk des international ungemein einflussreichen Master of Suspense Alfred Hitchcock von zentraler Bedeutung: z.B. im Konflikt zwischen Mode und Dokumentarphotographie in Rear Window (1954) oder in der Verknüpfung von Spuk, Phantasma, Gemälde und Architektur in Vertigo (1958). Ein neues Feld der Forschung zur Transmedialität aus transnationaler Perspektive bilden zudem Video Game Studies und die wechselseitige Verwobenheit von Videospielen und anderen Medien. So bietet der Studiengang auch hier Perspektiven auf ein breites synchrones wie diachrones Spektrum, das vom grenzübergreifenden frühneuzeitlichen Medienstreit zwischen Literatur und Malerei zu zeitgenössischen Serienproduktionen reicht.

 

Literatur

Bachtin, Michail, Die Ästhetik des Wortes, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1979.

Bhabha, Homi, The Location of Culture, London [u.a.]: Routledge 1994.

Curtius, Ernst Robert,Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Tübingen: Francke 2016.

Ette, Ottmar, TransArea: Eine literarische Globalisierungsgeschichte, Berlin/Boston: de Gruyter 2012.

García Canclini, Nestor, Hybrid cultures. Strategies for entering and leaving modernity, Minneapolis [u.a.]: Univ. of Minnesota Press 1995.

Gilroy, Paul, The Black Atlantic. Modernity and double consciousness, Cambridge: Harvard University Press 2000.

Goodlad, Lauren E., The Victorian Geopolitical Aesthetic: Realism, Sovereignty, and Transnational Experience, Oxford: Oxford University Press 2015.

Hill, Christopher Laing, Figures of the World: The Naturalist Novel and Transnational  Form, Evanston: Northwestern University Press 2020.

McLuhan, Marshall, The Gutenberg Galaxy. The Making of Typographic Man, Toronto: Univ. of Toronto P. 1962.

Pease, Donald E., „Introduction: Re-Mapping the Transnational Turn”, in: Winfried Fluck        (Hgg.), Re-Framing the transnational turn in American studies, Hanover: Dartmouth    College Press 2011, S. 1-46.

Spivak, Gayatri Chakravorty, „Can the Subaltern Speak?”, in: Cary Nelson/Lawrence    Grossberg (Hgg.), Marxism and the Interpretation of Culture, Basingstoke: University of Illinois Press 1988, S. 271-313.

Mögliche Tätigkeitsfelder

Der erfolgreiche Studienabschlusseröffnet u.a. folgende fachwissenschaftliche Tätigkeitsfelder:

  • Wissenschaft und Forschung im Feld Geistes- und Kulturwissenschaft
  • Verlagswesen
  • Theater
  • Film
  • Internationales Kulturmanagement
  • Wissenschaftsadministration
  • NROs

Der Abschluss berechtigt zur Aufnahme einer Promotion.


Zielgruppe/Adressaten

  • AbsolventInnen neuphilologischer BAs bzw. gleichwertige Qualifikation
  • AbsolventInnen kulturwissenschaftlicher BAs
  • AbsolventInnen theater- oder filmwissenschaftlicher BAs

Dauer

  • 4 Semester (120 CP)
  • Auslandssemester nicht obligatorisch, aber dringend empfohlen und anrechenbar

Besonderheiten

  • Die Schwerpunktbildung in Literatur, Theater oder Film, die durch das Studium entsprechender Profil- und Praxismodule erreicht wird
  • Intensive praxisorientierte Angebote in den Praxismodulen Sprache und Theater/Film (z.B. Theaterarbeit; Inszenierungen; Kurzfilmproduktion; Sprachpraxis)