Prof. Dr. phil. Anja Becker
Germanistische Mediävistik und Frühneuzeitforschung bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts
Prof. Dr. phil. Anja Becker
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Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung (Online-Zeitschrift, hrsg. von Anja Becker und Albrecht Hausmann)

Call for Papers für die Tagung:
Weiblicher Widerstand in mittelalterlicher Literatur. Formen, Narrationen, Funktionen
Bremen, 21.–23. September 2026; Organisation: Prof. Dr. Anja Becker (Universität Bremen) und Dr. Britta Bußmann (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg)
Das aktuelle Thema des Widerstands hat historisch viele Facetten, die unsichtbar bleiben, wenn man Widerstand auf den Bereich des Politischen und des aktiven Handelns reduziert. Gerade weiblichem Widerstand wird eine solche Verengung nicht gerecht. Frauen haben aber zu jeder Zeit Widerstand geleistet, wovon literarische Texte Zeugnis ablegen, auch im Mittelalter. Einmal sensibilisiert für dieses bislang in der literaturwissenschaftlichen Forschung weitgehend übersehene Thema fällt auf, wie zahlreich und vielfältig Frauenfiguren in lateinischen wie volksprachlichen Erzähltexten des Mittelalters als widerständig dargestellt werden oder zumindest in Konstellationen erscheinen, in denen sie sich einer Autoritätsinstanz verweigern. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man die untergeordnete, marginalisierte Stellung der Frau in vormodernen Gesellschaften bedenkt.
Ziel der Tagung ist es zunächst, weiblichen Widerstand in literarischen Texten des Mittelalters sichtbar zu machen und seine Dimensionen zu kartographieren. In welchen Konstellationen, mit welchen Mitteln und mit welchem Ausgang leisten Frauenfiguren in mittelalterlicher Literatur Widerstand? Welche Formen nimmt ihr Widerstand an? Thematisch fällt auf, dass weiblicher Widerstand vor allem dann zur Darstellung kommt, wenn es um Fragen der Verfügungsgewalt über den weiblichen Körper geht: Das betrifft einerseits das große Thema Heirat (z.B. die Entscheidung für einen von den Eltern nicht gewollten Mann; die Ablehnung einer Heirat zugunsten eines Klostereintritts), das Thema Religion (ebenfalls das Thema Klostereintritt; Konversion und Abkehr von der Religion des Mannes bzw. der Herkunftsfamilie etc.) und das Thema Sexualität (bes. Abwehr von sexuellen Übergriffen). Weibliche Figuren wehren sich – nicht immer, aber oft – passiv, indem sie ihre Zustimmung verweigern. Aus dieser Art des Widerstands kann eine eigene agency erwachsen, die jedoch nicht in den Blick kommt, wenn man Widerstand vor allem als aktives Ankämpfen gegen ein Unrecht definiert.
Angesichts dieser weit verbreiteten terminologischen Verengung gilt es auch, die begrifflich-konzeptionelle Basis der Tagung als Ausgangspunkt für weitere auch spezifisch begriffsgeschichtliche Diskussionen zu nutzen. Etymologisch beginnt der ‚Widerstand‘ in der deutschen Sprache im Sinne von ‚Gegenwehr, Weigerung, Behinderung‘ im Mittelalter mit dem mittelhochdeutschen Substantiv widerstant (Grimm 1960: 1262). Zugleich scheint für die Beschreibung der vielfach passiven widerständigen Akte weiblicher Figuren der Begriff ‚Verweigerung‘ treffender. Sollte man also eher von Verweigerung als vom Widerstand sprechen? Gibt es moderne Widerstandskonzepte, die heuristisch sinnvoll auf vormoderne Texte und deren Analyse übertragbar sind (z.B. das offene, funktionale und relationale Widerstandskonzept von Foucault 1977; Hechler [Hg.] 2008)? Oder bieten die historischen Volkssprachen bzw. die lateinisch-mittelalterliche Kultur selbst historisch passende Konzepte, um weibliches Sich-Entziehen aus aufoktroyierten Machtstrukturen zu beschreiben?
Das Thema des weiblichen Widerstands wurde in der Mediävistik bislang noch fast gar nicht systematisch erforscht. Es gibt vereinzelte Beiträge im thematischen Kontext (zu altfranzösischer Hagiographik unter dem Stichwort des ‚passiven weiblichen Heldentums‘ Wolfzettel 2010; zu mittelenglischen Pastourellen Baechle et al. [Hg.] 2022; zu den „Querelle des femmes“ Hassauer [Hg.] 2008). Die mediävistische Geschichtswissenschaft hat sich am Rande mit der Stellung von Frauen in politischen Aufständen (Cohn 2016) und mit weiblicher Widerständigkeit in kirchlichen Strukturen (Scheck 2008) befasst. Ein interdisziplinärer Band untersucht zudem Tyrannenbilder in Mittelalter und Früher Neuzeit (Gold et al. [Hg.] 2021). Die Tagung füllt somit eine Forschungslücke und birgt zudem innovatives Potential für die Widerstandsforschung im Allgemeinen, der sie Optionen der Differenzierung wie Historisierung aufzeigt.
Wendet man sich dem Thema des weiblichen Widerstands in mittelalterlicher Literatur zu, rücken einerseits Texte in den Fokus, die die mediävistische Forschung weniger intensiv erforscht hat (Viten von Märtyrerinnen, Kurzerzählungen, Liebes- und Abenteuerromane). Andererseits bietet der Suchfokus ‚Weiblicher Widerstand‘ eine neue Perspektive auf viel interpretierte Klassiker mittelalterlicher Literatur (Romane der Artustradition, Heldenepen wie das ‚Nibelungenlied‘, Brautwerbungserzählungen). Da es sich um literarische Narrationen widerständiger Akte handelt, gilt es zudem die Techniken und Verfahren des Erzählens in den Blick zu nehmen. Wer erzählt wie und mittels welcher Muster von weiblichem Widerstand? Entstehen z.B. Spannungen dadurch, dass primär Männer über Frauen schreiben? Gibt es gattungsspezifische Erzählverfahren? Oder werden in Szenen, die widerständiges Handeln weiblicher Figuren inszenieren, vorwiegend universale narrative Muster (z.B. David-gegen-Goliath) aktualisiert?
Da die zu untersuchenden Erzählungen meist Teile eines größeren narrativen Zusammenhangs sind, muss nach ihren Funktionen in Bezug auf das übergreifende Sinngefüge des literarischen Werks gefragt werden. Innerliterarisch kann untersucht werden, wie sich die Widerstandserzählung als Teil der plot-Struktur zur Sinnstruktur des Werkes verhält: Stabilisiert sie das übergreifende Sinngefüge oder trägt sie dazu bei, dass es unterlaufen, ggf. pluralisiert wird? Handelt es sich bei diesen Narrativen überhaupt um zentrale Elemente des Werkes oder sind sie randständig? Wenn sie randständig positioniert sind, legen sie Spuren zu im Erzählen abgewiesenen Alternativen, vielleicht sogar zu widerständigen kulturellen Imaginationen? Hiermit ist der Bogen zur außerliterarischen Funktion geschlagen. Haben die literarisch konstituierten Narrative Vorbildfunktion für die Rezipierenden, dienen sie also der Befähigung zur Selbstermächtigung für die Leser:innen/Hörer:innen? Oder arbeiten sie im Gegenteil an einer ‚Einhegung‘ der female agency (Howell 2019); dienen sie eher als warnende Exempel für Rezipierende? Welche Funktion erfüllt das Erzählen von weiblicher Widerständigkeit überhaupt in einer patriarchalen Gesellschaft? Zu diskutieren ist die Hypothese, dass es ein Ineinander von ordnungsstabilisierender und ordnungserschütternder Funktion der Narrative weiblichen Widerstands gibt.
Wir freuen uns auf Vortragsangebote aus allen Bereichen der mediävistischen Literaturwissenschaft (Latinistik, Germanistik, Romanistik, Anglistik, Skandinavistik, Niederlandistik, Judaistik, Byzantinistik etc.) und aus der historischen Sprachwissenschaft.
Mögliche Themengebiete sind (andere Vorschläge sind willkommen):
- die Wortfelder ‚Widerstand‘ und ‚Verweigerung‘ in historisch-semantischer Perspektive
- Formen und Konstellationen des erzählten Widerstands in der Vormoderne
- Typologie widerständiger Figuren in mittelalterlicher Literatur
- literarisch-poetische Inszenierung weiblicher Widerständigkeit
- Untersuchungen zu Widerstandserzählungen in bestimmten Gattungen (z.B. in Kurzerzählungen, Heiligenviten, höfischen bzw. heroischen Großerzählungen)
- komparatistische Analysen (bes. in Bezug auf Literaturbeziehungen zwischen verschiedenen Volkssprachen und/oder der lateinischen Literatur)
- Vergleiche zwischen literarischen Traditionen hinsichtlich der Darstellungen weiblichen Widerstands
- Widerstand und female agency (z.B. der Lebensort Kloster als Ermöglichungsraum von female agency)
- weiblicher Widerstand und männliche Autorschaft (z.B. Stichwort: male gaze)
- narratologische Analysen zu Erzählungen von weiblichem Widerstand
- Funktionen von Widerstandserzählungen innerhalb einzelner literarischer Werke bzw. Textgruppen
- widerständige Herrscherinnenfiguren in Geschichtserzählungen (z.B. Helena, Lucretia)
- literarische Erzählungen als kulturell-sinnstiftende und geschichtsmächtige Narrative und ihre außerliterarische Funktion
- weibliche Autorschaft und/als Widerstand
Um Arbeitstitel und kurze Abstracts (max. 2 Seiten) wird bis zum 16. November 2025 gebeten. Bitte senden Sie Ihr Vortragsangebot an die E-Mail-Adressen beider Organisatorinnen: anja.becker@uni-bremen.de; britta.bussmann@uni-oldenburg.de.
Die Tagung ist Teil des Explorationsprojekts „Narrative weiblichen Widerstands in deutscher Literatur des Mittelalters“, das durch die Zentrale Forschungsförderung der Universität Bremen gefördert und in Kooperation mit der Germanistischen Mediävistik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg durchgeführt wird.
Bahnfahrten (2. Klasse) oder ggf. Flugreisen sowie Übernachtungskosten für Vortragende und Moderierende werden übernommen.
Da eine zeitnahe Publikation der Beiträge vorgesehen ist (voraussichtlich Oktober 2027), benötigen wir die ausgearbeitete Version der Vorträge bis zum 31.12.2026. Eine intensive redaktionelle Betreuung und eine hochwertige Publikation (open access) des Tagungsbandes ist gewährleistet.
Bibliographie (Auswahl):
Baechle, Sarah; Harris, Carissa M.; Strakhov, Elizaveta (Hg.) (2022): Rape Culture and Female Resistance in Late Medieval Literature. With an Edition of Middle English and Middle Scots Pastourelles, University Park, PA.
Beutin, Heidi; Beutin, Wolfgang; Heilmann, Ernst (Hg.) (2009): Widerstand – gestern und heute, Frankfurt a.M. [u.a.] (Bremer Beiträge zur Literatur- und Ideengeschichte, Bd. 55).
Cohn, Samuel, JR. (2016): Women in Revolt in Medieval and Early Modern Europe, in: Firnhaber-Baker, Justine; Schoenaers, Dirk (Hg.): The Routledge History Handbook of Medieval Revolt, Florenz (Routledge History Handbooks), S. 208–219.
Foucault, Michel (1977): Der Wille zum Wissen, Frankfurt a.M. (Sexualität und Wahrheit 1).
Gold, Julia; Schanze, Christoph; Tebruck, Stefan (Hg.) (2021): Tyrannenbilder. Zur Polyvalenz des Erzählens von Tyrannis in Mittelalter und Früher Neuzeit, Berlin; Boston.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm (1960): Deutsches Wörterbuch. Band 29, Leipzig.
Hassauer, Friederike; Waldner, Kyra (Hg.) (2008): Heißer Streit und kalte Ordnung. Epochen der „Querelle des femmes“ zwischen Mittelalter und Gegenwart, Göttingen.
Hechler, Daniel; Philipps, Axel (Hg.) (2008): Widerstand denken, Bielefeld.
Howell, Martha (2019): The Problem of Women’s Agency in Late Medieval and Early Modern Europe, in: Moran, Sarah Joan; Pipkin, Amanda C. (Hg.): Women and Gender in the Early Modern Low Countries, 1500–1750, Leiden (Studies in Medieval and Reformation Traditions 217), S. 21–31.
Kintzinger, Martin; Rexroth, Frank; Rogge, Jörg (Hg.) (2015): Gewalt und Widerstand in der politischen Kultur des späten Mittelalters, Ostfildern (Vorträge und Forschungen 80).
Scheck, Helene (2008): Reform and Resistance. Formations of Female Subjectivity in Early Medieval Ecclesiastical Culture, Ithaca (SUNY series in Medieval Studies).
Spörl, Johannes (1972): Gedanken um Widerstandsrecht und Tyrannenmord im Mittelalter, in: Kaufmann, Arthur; Backmann, Leonhard (Hg.): Widerstandsrecht, Darmstadt (Wege der Forschung 173), S. 87–113.
Wolfzettel, Friedrich (2010): Weiblicher Widerstand als Heldentum. Interferenzen zwischen Epik und Hagiographie, in: Keller, Johannes; Kragl, Florian (Hg.): Heldinnen. 10. Pöchlarner Heldenliedgespräch, Wien (Philologica Germanica 31), S. 205–218.
Werdegang
- seit 04/2024 Professorin für „Germanistische Mediävistik und Frühneuzeitforschung bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts“ an der Universität Bremen
- 11/2014–2023 Akademische Oberassistentin und Privatdozentin für Germanistische Mediävistik, LMU München
- 10/2015–7/2017 Mutterschutz und Elternzeit
- 7/2014 Habilitation an der LMU München, venia legendi: Germanistische Mediävistik
- 10/2011–3/2012 Junior Researcher in Residence am Center for Advanced Studies der LMU
- 9/2010–8/2012 Stipendiatin des Programms „Fast Track – Exzellenz und Führungskompetenz für Wissenschaftlerinnen“ der Robert Bosch Stiftung
- 12/2006–10/2014 Wissenschaftliche Assistentin für Germanistische Mediävistik, LMU München
- 7/2007 Promotion zum Dr. phil. an der LMU München
- 12/2004–11/2006 Stipendiatin des Internationalen Doktorandenkollegs „Textualität in der Vormoderne“ (Elitenetzwerk Bayern), zudem ideelle Förderung durch die Studienstiftung des deutschen Volkes
- 2004 Erstes Staatsexamen in den Fächern Deutsch und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien (Sekundarstufe I und II)
- 1998–2004 Studium der Germanistik und Philosophie in Bochum, Göttingen und St. Louis (USA); gefördert durch die Studienstiftung des deutschen Volkes
Schwerpunkte
- Höfische Epik des Hochmittelalters
- Geistliche Literatur des frühen, hohen und späten Mittelalters sowie der Frühen Neuzeit
- Metaphernforschung, Metaphorologie, ›Remetaphorisierungen‹
- Erzählforschung, historisch ausgerichtete Narratologie
- Alterität vormoderner Literatur (Fremdheitsdiskurse, responsives Interpretieren)
- Historische Dialogforschung (epische und lyrische Dialoge)
- Liederbuchlyrik des 15. und 16. Jahrhunderts (Neujahrslieder, geselliger Gesang)
- Mittelniederdeutsche Literatur und Sprache (niederrheinische Lyrik, Austauschprozesse mit mittelniederländischer Literatur, Gebete aus norddeutschen Frauenklöstern)
Monographien:
Remetaphorisierungen. Der Heilige Geist in der deutschen Literatur des Mittelalters, Oldenburg 2022 (BmE Themenheft 13) (online).
Poetik der wehselrede. Dialogszenen in der mittelhochdeutschen Epik um 1200, Frankfurt a. M. [u. a.] 2009 (Mikrokosmos 79).
Online-Zeitschrift (Open Access):
Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung (BmE), hrsg. von Anja Becker und Albrecht Hausmann, 2018ff.: www.erzaehlforschung.de
Sammelbände:
Bibelepik. Mediävistische Perspektiven auf eine europäische Erzähltradition, Oldenburg 2023 (BmE Themenheft 15) (online). [hrsg. gemeinsam mit Albrecht Hausmann]
Mittelniederdeutsche Literatur. Heft 3/2017 der „Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes“ [hrsg. gemeinsam mit Albrecht Hausmann]
Alterität als Leitkonzept für historisches Interpretieren, Berlin 2012 (Deutsche Literatur. Studien und Quellen 8). [hrsg. gemeinsam mit Jan Mohr]
Aufsätze:
Pentecost in Medieval German Bible epics, in: Placial, Claire/Weissmann, Dirk (Eds.): Le Mythe de la Pentecôte : littérature, traduction, pensée, arts/The Myth of Pentecost: literature, translation, theory, arts, Bruxelles/Berlin [u. a.] expected 2025 (Recherches en littérature et spiritualité) (bei den Herausgebern).
Gesellige Minnegaben? Neujahrs-Liebeslieder des 15. Jahrhunderts (mit einem Ausblick auf geistliche Neujahrsgrüße). in: Kropik, Cordula/Rosmer, Stefan (Hrsg.): Geselliger Sang. Poetik und Praxis des deutschen Liebeslieds im 15. und 16. Jahrhundert, Berlin/New York (Frühe Neuzeit), S. 57-86. online
Bibelepik. Perspektiven für die historische Erzählforschung, in: Becker, Anja/Hausmann, Albrecht (Hrsg.): Bibelepik. Mediävistische Perspektiven auf eine europäische Erzähltradition, Oldenburg 2023 (BmE Themenheft 15), S. 1–24 (online). [gemeinsam mit Albrecht Hausmann]
Avas Jesus. Zur Figur des Heilands im ›Leben Jesu‹ der ersten deutschen Dichterin, in: Becker, Anja/Hausmann, Albrecht (Hrsg.): Bibelepik. Mediävistische Perspektiven auf eine europäische Erzähltradition, Oldenburg 2023 (BmE Themenheft 15), S. 129–161 (online).
Singen, Tanzen und Schenken. Neujahrslieder in der ›Berliner Liederhandschrift mgf 922‹ und der ›Gruuthuse Handschrift‹, in: Niederdeutsches Jahrbuch 145 (2022), S. 7–23.
Drei Jahre ›Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung‹, in: BmE 3 (2020), S. 1–7 (online).
Eine (widersprüchliche) Figur? Die Trinität im Gespräch mit sich selbst im ›Anegenge‹ und in der ›Erlösung‹, in: Lienert, Elisabeth (Hrsg.): Widersprüchliche Figuren in vormoderner Erzählliteratur, Oldenburg 2020 (BmE Themenheft 6), S. 205–243 (online).
Remetaphorisierendes Wiedererzählen. Die Pfingstszene in der ›Erlösung‹ und in ›Von Gottes Zukunft‹, in: Zacke, Birgit [u. a.] (Hrsg.): Text und Textur. WeiterDichten und AndersErzählen im Mittelalter, Oldenburg 2020 (BmE Themenheft 5), S. 179–217 (online).
Der Heilige Geist als Lehrer. Die Pfingstszene in der ›Erlösung‹, in: von Ammon, Frieder/ Waltenberger, Michael (Hrsg.): Lehrerfiguren in der Literatur. Literaturwissenschaftliche Perspektiven auf Szenarien personaler Didaxe vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Frankfurt a. M. 2020 (Mikrokosmos), S. 11–32.
Art. Herz, in: Glasner, Peter/Winkelsträter, Sebastian/Zacke, Birgit (Hrsg.): Abecedarium. Vom Apfel der Discordia bis zum Zauberstein. Dinge erzählen. 24 Gegenstände aus der Literatur des Mittelalters, Basel 2019, S. 98–107.
Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung. Eine neue Online-Zeitschrift für die Mediävistik, in: Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung 1 (2018), S. 1–15 (online). [zus. mit Albrecht Hausmann]
Pragmatische und lyrische Gebete an den Heiligen Geist. Zur poetischen Bedeutung von Remetaphorisierungen, in: Holznagel, Franz-Josef/Cölln, Jan (Hrsg.): Die Kunst der brevitas. Kleine literarische Formen des deutschsprachigen Mittelalters. Rostocker Kolloquium 2014, Berlin 2017 (Wolfram-Studien XXIV), S. 101–136.
Komplexe Trivialitäten. Niederrheinische Lyrik des Spätmittelalters aus der Berliner Liederhandschrift mgf 922, in: Becker, Anja/Hausmann, Albrecht (Hrsg.): Mittelniederdeutsche Literatur (Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 64,3 [2017]), S. 278–293.
Einleitung, in: Becker, Anja/Hausmann, Albrecht (Hrsg.): Mittelniederdeutsche Literatur (Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 64,3 [2017]), S. 221–225. [zus. mit Albrecht Hausmann]
Ave maris stella. Hans Sachs und Maria im Spannungsfeld von Tradition, Innovation und Reformation. Mit einer Vorüberlegung zum Analysieren vormoderner Übersetzungen, in: Rothenberger, Eva/Wegener, Lydia (Hrsg.): Maria in Hymnus und Sequenz. Interdisziplinäre mediävistische Perspektiven, Berlin [u. a.] 2017 (Liturgie und Volkssprache 1), S. 323–344 (online). [zus. mit Julia Schmeer:]
Gesprochenes Niederdeutsch um 1500. Andachtsbücher aus dem Kloster Medingen als Quelle?, in: Eggert, Elmar/Kilian, Jörg (Hrsg.): Historische Mündlichkeit. Beiträge zur Geschichte der gesprochenen Sprache, Frankfurt a. M. [u. a.] 2016 (Kieler Forschungen zur Sprachwissenschaft 7), S. 139–161.
Mittelalterliches Textwissen in Metaphern. Bemerkungen zu Konrads von Heimesfurt ›Diu urstende‹, in: Kellner, Beate/Lieb, Ludger/Müller, Stephan (Hrsg.): Höfische Textgeschichten. Festschrift Peter Strohschneider, Heidelberg 2015, S. 21–44.
Der Schatten des Heiligen Geistes. Metaphorologische Erkundungsgänge durch mittelalterliche Textwelten, in: Reich, Björn/Schanze, Christoph (Hrsg.): Schatten. Visuelle Signifikanz in mittelalterlicher Literatur (Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 180 [2015]), S. 122–147.
Drei Sonnen über Gelnhausen. Zu einer bislang unentdeckten historischen Anspielung Wolframs in seinem Lied ›Ez ist nu tac‹, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 137, H. 2 (2015), S. 240–247.
Die Lieder der Geißler von 1349. Zum Zusammenhang von imaginativer und pragmatischer Theatralität, in: Kern, Manfred (Hrsg.): Imaginative Theatralität. Szenische Verfahren und kulturelle Potenziale in mittelalterlicher Dichtung, Kunst und Historiographie, Salzburg 2013 (Interdisziplinäre Beiträge zu Mittelalter und Früher Neuzeit 1), S. 299–323.
Bühne frei für die Büßer. Ein literaturwissenschaftlicher Blick auf die mittelalterlichen Geißlerzüge, im „CAS Aviso“, der Zeitschrift des Centers for Advanced Studies der LMU, Nr. 6/2012, S. 13–15.
Alterität. Geschichte und Perspektiven eines Konzepts. Eine Einleitung, in: Becker, Anja/ Mohr, Jan (Hrsg.): Alterität als Leitkonzept für historisches Interpretieren, Berlin 2012 (Deutsche Literatur. Studien und Quellen 8), S. 1–58. [zus. mit Jan Mohr]
Das Problem der Interpretation alteritärer Texte. Responsivität als Antwort?, in: Becker, Anja/ Mohr, Jan (Hrsg.): Alterität als Leitkonzept für historisches Interpretieren, Berlin 2012 (Deutsche Literatur. Studien und Quellen 8), S. 73–101.
Lyrische und epische Stichomythien: Eilhart von Oberg – Heinrich von Veldeke – Albrecht von Johansdorf, in: Münkler, Marina (Hrsg.): Aspekte einer Sprache der Liebe. Formen des Dialogischen im Minnesang, Bern [u. a.] 2011 (Publikationen zur Zeitschrift für Germanistik, NF, Bd. 21), S. 253–271.
Die göttlich geleitete Disputation. Versuch einer Neuinterpretation von Hartmanns ›Gregorius‹ ausgehend vom Abtsgespräch, in: Kundert, Ursula/Gindhart, Marion (Hrsg.): Disputatio 1200–1800. Form, Funktion und Wirkung eines Leitmediums universitärer Wissenskultur, Berlin/New York 2010 (Trends in Medieval Philology 20), S. 331–362.
Körper, Selbst, Schöpfung. Körper und Identität in den Rückkehrabenteuern der Tristan-Tradition, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 131, H. 2 (2009), S. 277–307.
Dialogszenen in Text und Bild. Beobachtungen zur Leidener ›Wigalois‹-Handschrift, in: Miedema, Nine/Hundsnurscher, Franz (Hrsg.): Formen und Funktionen von Redeszenen in der mittelhochdeutschen Großepik, Tübingen 2007 (Beiträge zur Dialogforschung 36), S. 19–41.
Parzivals redegewandter Vater: Zur Einschätzung Gahmurets und der Auszugsszene (4,27–13,8), in: Focus on German Studies 9 (2002), S. 155–174.
Rezensionen:
Riedel, Sebastian: Liebeswerbung im Dialog. Die Dialoglieder des Minnesangs und die lateinische Literaturtradition, Wien/Köln: Böhlau 2023 (Kölner Germanistische Studien 15), in: Germanistik (2024)
Hannah Rieger: Die Kunst der ›schönen Worte‹. Füchsische Rede- und Erzählstrategien im ›Reynke de Vos‹ (1498), Tübingen 2021 (Bibliotheca Germanica 74), in: Niederdeutsches Jahrbuch 146 (2023), S. 179–181.
Eva Rothenberger: Ave praeclara maris stella. Poetische und liturgische Transformationen der Mariensequenz im deutschen Mittelalter (Liturgie und Volkssprache 2), Berlin/Boston: De Gruyter, 2019, in: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch, N.F. 62 (2021), S. 367–369.
Teresa Cordes: Die Redeszenen in Chrétiens ›Chevalier de la Charrete‹, in Ulrichs ›Lanzelet‹ und im ›Prosalancelot‹. Eine narratologische und sprachpragmatische Untersuchung, Berlin: De Gruyter, 2016. (Historische Dialogforschung 4), in: Germanistik 3 (2017), S. 214.
Michael Veeh: Auf der Reise durch die Erzählwelten hochhöfischer Kultur. Rituale der Inszenierung höfischer und politischer Vollkommenheit im ‚Wigalois‘ des Wirnt von Grafenberg, LIT Verlag, Berlin 2013 (Regensburger Studien zur Literatur und Kultur des Mittelalters 2), in: Zeitschrift für deutsche Philologie 136 (2017), S. 467–470.
Albrecht Dröse: Die Poetik des Widerstreits. Konflikt und Transformation der Diskurse im ›Ackermann‹ des Johannes von Tepl, Heidelberg: Winter 2013 (Studien zur historischen Poetik 10), in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 138, H. 3 (2016), S. 487–491.
Elke Brüggen, Franz-Josef Holznagel, Sebastian Coxon, Almut Suerbaum (Hrsg.): Text und Normativität im deutschen Mittelalter. XX. Anglo-German Colloquium, Berlin, Boston 2012, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 137, H. 4 (2015), S. 681–684.
Caroline Emmelius, Gesellige Ordnung. Literarische Konzeptionen von geselliger Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, Berlin, New York 2010 (Frühe Neuzeit 139), in: Zeitschrift für deutsche Philologie 131 (2012), S. 455–457
Martin Schuhmann, Reden und Erzählen. Figurenrede in Wolframs Parzival und Titurel, Heidelberg 2008, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 133, H. 2 (2011), S. 352–355.
Rüdiger Schnell(Hrsg.), Konversationskultur in der Vormoderne. Geschlechter im geselligen Gespräch, Böhlau, Köln, Weimar, Wien 2008, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 129 (2010), S. 152–155.
Transepochale Affinitäten. Ein von Martin Zenck herausgegebener kulturwissenschaftlicher Sammelband zu Signatur und Phantastik in der frühen Neuzeit. Rezension zu: Martin Zenck / Tim Becker / Raphael Woebs (Hg.): Signatur und Phantastik in den schönen Künsten und in den Kulturwissenschaften der frühen Neuzeit. Wilhelm Fink Verlag, München 2008, in: literaturkritik.de, Nr. 6, Juni 2009 (online).
Annette Gerok-Reiter, Individualität. Studien zu einem umstrittenen Phänomen mittelhochdeutscher Epik. (Bibliotheca Germanica 51) Francke, Tübingen – Basel 2006, in: Arbitrium 26 (2008), S. 278–282.
Eckart Conrad Lutz, Johanna Thali und René Wetzel (Hrsg.),Literatur und Wandmalerei II. Konventionalität und Konversation. Burgdorfer Colloquium 2001, Tübingen: Niemeyer 2005, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 129, H. 3 (2007), S. 487–493.
Stefanie Schmitt, Inszenierungen von Glaubwürdigkeit. Studien zur Beglaubigung im späthöfischen und frühneuzeitlichen Roman. (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 129) Niemeyer, Tübingen 2005, in: Arbitrium 25 (2007), S. 46–48.
Aktuelle Projekte
Narrative weiblichen Widerstands in deutscher Literatur des Mittelalters
Förderzeitraum 01.11.2025–31.10.2027, Zentrale Forschungsförderung der Universität Bremen, Förderlinie 06 A Explorationsprojekte zu neuen Themen
Ein Kooperationsprojekt mit der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Sprecherin: Prof. Dr. Anja Becker (Universität Bremen), 2. Sprecherin: Dr. Britta Bußmann, Universität Oldenburg
Untersucht werden mittelhochdeutsche literarische Narrationen weiblicher Widerstandshandlungen sowohl hinsichtlich ihrer Erzählinhalte und -formen als auch ihrer innerliterarischen Funktionen sowie ihrer kulturell-historischen Sinnstiftung als Narrative.
Das aktuelle Thema des Widerstands hat viele Facetten, die unsichtbar bleiben, wenn man Widerstand auf den Bereich des Politischen und des aktiven Handelns reduziert. Frauen haben zu jeder Zeit Widerstand geleistet, wovon literarische Texte Zeugnis ablegen, auch im Mittelalter. Allerdings ist dieses Thema in der literaturwissenschaftlichen Forschung bislang übersehen worden, weshalb es zunächst gilt, weiblichen Widerstand in literarischen Texten des Mittelalters sichtbar zu machen und seine Dimensionen zu kartographieren. In welchen Konstellationen, mit welchen Mitteln und mit welchem Ausgang leisten Frauenfiguren in mittelhochdeutscher Literatur Widerstand? Da es sich um literarische Narrationen widerständiger Akte handelt, müssen zudem die Techniken und Verfahren des Erzählens in den Blick genommen werden. Wer erzählt wie und mittels welcher Muster von weiblichem Widerstand? Diese Erzählungen sind meist Teile eines größeren narrativen Zusammenhangs, weshalb nach ihren Funktionen in Bezug auf das übergreifende Sinngefüge des literarischen Werks gefragt werden muss: Bieten sie exemplarische, alternative oder gar subversive Sinnangebote? Bieten sie darüber hinaus der mittelalterlichen (und heutigen) Kultur sinnstiftende Deutungsangebote und Denkmuster? Wenn ja, stabilisieren diese bereits bestehende Überzeugungen oder eröffnen sie neue Weisen des Verstehens, gar neue kulturelle Narrative? Das Projekt exploriert nicht nur ein innovatives mediävistisch-literaturwissenschaftliches Forschungsfeld, es stellt ein zentrales Element einer interdisziplinären Forschungsinitiative des Fachbereichs 10 zu „Konstellationen der Verweigerung“ dar (s. WOC-LAB).
WOC-LAB „Konstellationen der Verweigerung“
Sprecher:innen-Tandem: Prof. Dr. Anja Becker, Prof. Dr. Christian Kirchmeier
https://www.woc.uni-bremen.de/woc-labs/
„Wer nicht für mich ist, ist gegen mich!“ In einer Situation mit solch einer Aussage konfrontiert, wird man in einen binär strukturierten Entscheidungsraum gedrängt. Man kann sich nun innerhalb der vorgegebenen Dichotomie positionieren oder sich der Parteinahme durch Verweigerung entziehen. Das Lab untersucht Handlungen, die innerhalb spezifischer diskursiver Konstellationen auftreten, jedoch außerhalb des sozialen Erwartungsraums liegen und daher als Verweigerungen wahrnehmbar und nutzbar sind. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses steht die Frage, unter welchen Bedingungen und mit welchen Folgen eine Handlung, die alle situativ vorgesehenen Alternativen der Zustimmung oder des Widerspruchs ablehnt, als Verweigerung gelesen wird. Eine Leitthese des Labs besteht darin, dass jede Verweigerung von einem doppelten Unbehagen begleitet wird: Die Verweigerung ist einerseits Ausdruck eines Unbehagens gegenüber derjenigen Machtstruktur, die in einer sozialen Konstellation die wählbaren Handlungsoptionen vorgibt. Sie ist andererseits aber auch Auslöser für ein Unbehagen der Umwelt an der Verweigerung, da ihr zunächst immer ein destruktives und normzersetzendes Moment innewohnt. Wird die Verweigerung jedoch wiederholt und nachgeahmt, kann sie auch konstruktiv wirken und dazu beitragen, neue Erwartungsstrukturen auszubilden. Das Lab fragt daher auch danach, wie singuläre Praktiken der Verweigerung in habitualisierte Praxisformen übergehen und wann Verweigerungen eine strukturzerstörende bzw. eine strukturgenerierende Dynamik ausbilden. Schließlich geht das Lab von der Idee aus, dass Verweigerungen nur scheinbar einfache, tatsächlich aber komplexe soziale Praxen sind. Wer sich verweigert, tut nicht einfach nichts, sondern findet oftmals überraschende, vielfach ästhetische Ausdrucksformen des Selbstentzugs. Zentral ist, dass die gewählte Ausdrucksform für Außenstehende als Verweigerung wahrnehmbar bzw. lesbar wird. Unter welchen Bedingungen dies geschieht, gilt es näher zu untersuchen.
Open Access Online Zeitschrift „Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung“
(BmE, www.erzaehlforschung.de, Herausgeber Prof. Dr. Anja Becker und Prof. Dr. Albrecht Hausmann)
Die ›Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung‹ (BmE) dienen der Publikation von Arbeiten, in denen das mittelalterliche und frühneuzeitliche Erzählen in seinen überlieferten Erscheinungsformen, als kulturelle Technik und poetisches Verfahren sowie als Kategorie für literatur- und kulturtheoretische Reflexionen thematisch wird. Ihr Gegenstandsbereich reicht vom frühen Mittelalter bis ins 16. Jahrhundert und beschränkt sich nicht auf die erzählenden Gattungen, sondern umfasst auch das Narrative in der Lyrik oder im Spiel.
Die Zeitschrift versteht sich nicht als in einem engen Sinn ‚narratologisch‘, zielt also nicht ausschließlich auf die Erforschung des Erzählens selbst, sondern begreift mediävistische Erzählforschung als gegenstandsbezogene Methode einer historischen Literaturwissenschaft. Die BmE sind vorrangig ein Publikationsort für germanistische Forschungsergebnisse, relevante Aufsätze anderer mediävistischer Philologien sowie der Kunstgeschichte sind jedoch ebenfalls willkommen. Die wissenschaftliche Qualität der Beiträge wird in der Regel durch ein Peer-Review-Verfahren garantiert, an dem maßgeblich die Mitglieder des Beirates beteiligt sind.
Die BmE veröffentlichen Forschungsaufsätze, wissenschaftliche Essays sowie Themenhefte. Anders als bei herkömmlichen Zeitschriften werden die Beiträge kontinuierlich online publiziert, sobald sie den Redaktionsprozess vollständig durchlaufen haben. Dadurch können wir Forschungsergebnisse sehr schnell allgemein verfügbar machen (open access). Alle Publikationen der BmE sind langzeitarchiviert und werden unter einer Creative Commons Lizenz veröffentlicht (CC BY-NC-ND 4.0). Das Layout der Beiträge ist für die Lektüre am Bildschirm ebenso wie für den Ausdruck optimiert.
Dialog und Narrativierung in der Liebeslyrik des Mittelalters
(BmE-Panel beim 28. Deutscher Germanistentag, 14.–17. September 2025, TU Braunschweig; Organisation Prof. Dr. Anja Becker und Prof. Dr. Albrecht Hausmann)
In aktuellen Publikationen wie dem „Handbuch Minnesang“ wird, in Abkehr von einem auf die monologische Kanzone des Hohen Sangs verengten Fokus, zu Recht der Facettenreichtum der deutschsprachigen Liebeslyrik des Mittelalters betont. Gar nicht so selten integrieren die Lieddichter dialogische Elemente, wodurch die lyrische Situation eine Narrativierung erfährt: Retrospektiv berichtet das Sänger-Ich selbst vom Gespräch mit seiner Minnedame oder ein am Geschehen unbeteiligter Sänger, der dann die Rolle des heterodiegetischen Erzählers übernimmt, erzählt von einem dialogischen Austausch, der zudem in eine Szenerie und/oder in weitere Handlung eingebettet sein kann. Besonders deutlich treten Verschränkungen von Dialog und Narration freilich in den sog. genre objectif (Erzähl- und Dialoglied, Tagelied und Pastourelle) hervor, aber auch den Mannesliedern des Hohen Sangs kann eine implizite Dialogik inhärent sein, wenn in ihnen das männliche Ich mit sich selbst verschiedene Aspekte der eigenen Existenz diskutiert. In der mündlich vorgetragenen Lieddichtung des Mittelalters stehen Dialoge zudem in einem spannungsreichen Verhältnis zur Präsenzsuggestion, die mit dem Auftritt eines Sänger-Ichs verbunden ist. Wie verhält sich das „Miteinander-sprechen“ von Zweien im Text dazu, dass doch zugleich und genau „jetzt“ in der Aufführung des Liedes ein Sänger zu seinem Publikum spricht?
Das Panel interessiert sich für dialogische Elemente in der deutschen Liebeslyrik des Mittelalters und für die von ihnen hervorgerufenen Narrativierungen bzw. für Interaktionen zwischen Erzählen und Miteinander-Reden im Modus des Sanges. Was wird in den Liedern überhaupt warum miteinander besprochen und in welcher Form? Was leistet der Dialog in verschiedenen lyrischen Gattungen? Wie verhalten sich in sowohl dialogisch als auch narrativ gestalteten Liedern poetologische und mediale Aspekte zueinander? Und andererseits: Was bedeutet der Verzicht auf den (direkten) Dialog zwischen Mann und Frau im Wechsel oder im Botenlied, aber auch in der hochminnesängerischen Kanzone, die sich häufig als Ansprache an die Dame inszeniert und doch nie beantwortet wird? Lässt sich im Zeitverlauf eine zunehmende Narrativierung der Lyrik beobachten, für die dialogische Elemente signifikant sind? Methodisch könnten gleichermaßen rezente Ansätze der Dialogforschung wie auch der historischen Narratologie aufgegriffen und für die Applikation auf lyrische Texte (weiter) erprobt werden.
Referent:innen und Vortragstitel:
Prof. Dr. Dorothea Klein: Dialog im Text – Dialog der Texte. Fallbeispiele aus dem Minnesang um 1200
Prof. Dr. Nine Miedema: Inquit-Formeln in der Liebeslyrik des Mittelalters
Dr. Sebastian Riedel: ir stimme, diu was guot – Wer spricht im Lied KLD 29,I des Kol von Niunzen?
Zu den Kurzvorträgen (15 Minuten) veröffentlichen wir vorab von den Vortragenden eingereichte Materialien und/oder ausführlichere Fassungen der Kurzvorträge („Preprints“) auf der Homepage der Online Zeitschrift „Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung“ (BmE, online), so dass sich alle Panelteilnehmer*innen informieren können. Die Publikation der ausgearbeiteten Beiträge ist dann im BmE Jahresheft 2026 geplant.
Dialogizität und Widerspruch (in) vormoderner deutscher Literatur
(Special Panel im Rahmen der 1st International Conference on Contradiction Studies „Exploring Contradictions beyond Contradiction“, 11.–14. Februar 2025, Organisation Prof. Dr. Anja Becker und Dr. Britta Bußmann)
Das Denken des Mittelalters ist noch kaum vom aristotelischen Prinzip der Widerspruchsfreiheit geprägt, wichtiger sind Logiken des Sowohl-als-Auch, die sich z. B. im bibelexegetischen Verfahren des mehrfachen Schriftsinns manifestieren (Lienert 2019a, S. 20). Zugleich sind in literarischen Erzähltexten der Vormoderne Widersprüche im Sinne von logischer, sachlicher und/oder diskursiver Unvereinbarkeit omnipräsent. Während rezente Arbeiten zur historischen Narratologie diese Seite des Widerspruchs vielfach thematisieren, ist die zweite Seite des Konzepts, Widerspruch als kommunikativer Einspruch, als Widerrede in vormoderner Literatur noch weitgehend unerforscht (Lienert 2019b, S. 1f.). Widersprüche können ganz allgemein Türen „into polyphonic conversations“ (Lossau et al. 2019, S. 13) öffnen, insbesondere in poetischer Rede. Die mittelalterliche Didaktik nutzt zudem dialogische Verfahren, um Wissen perspektivenreich zu vermitteln und die Fähigkeit der eigenständigen Urteilsfindung auszubilden. Da vormoderne Literatur meist (auch) didaktische Zwecke verfolgt, nimmt sie z. B. Verfahren der disputatio, des Lehr- und Streitdialogs produktiv auf und integriert zahlreiche agonale Dialoge in ihre Erzähltexte (Becker 2020).
Das Panel möchte zur Historisierung von Widerspruchskonzepten und -verfahren beitragen, indem es literarische Texte der Vormoderne untersucht, in denen kommunikativ Einspruch erhoben wird. Agonale Dialogizität kann sowohl in intradiegetischen Figurengesprächen auftreten als auch in der literarischen Gattung des Streitgedichts ausagiert werden; weiterhin interessieren in diesem Kontext Briefkontroversen und intertextuell aufeinander bezogene Textfassungen. Die Widerrede entzündet sich dabei z. B. an anthropologischen Grunderfahrungen, wie dem Tod einer geliebten Person (bei Johannes von Tepl fordert ein trauernder Witwer den Tod selbst in einen agonalen Dialog heraus, der als „Widerstreit“ im Sinne Lyotards interpretiert wurde – Dröse 2013); oder es werden durch Einspruchsverfahren christliche Heilswahrheiten vermittelt (wie die Inkommensurabilität Gottes) bzw. Glaubenswahrheiten diskursiv ausgehandelt (wie die Stellung Marias im Heilsplan); zudem geht es um die direkte Konfrontation der christlichen mit der jüdischen Perspektive. In den behandelten Texten werden Widersprüche fast nie aufgelöst, aber durchaus kommunikativ-literarisch vielfältig ‚bearbeitet‘ und perspektiviert. Dabei treten alteritäre Formen von Logik, Argumentation und Wissen hervor, die neuzeitliche Konzepte des Widerspruchs und des Widersprüchlichen herausfordern.
Vorträge (Arbeitstitel):
Prof. Dr. Anja Becker (Universität Bremen): Einspruch! Widerspruchsdialoge in mittelhochdeutscher Bibelepik
Dr. Britta Bußmann (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg): Dialogizität als Strategie. Aushandlungsprozesse über die Rolle Mariens in der späten Rezeption des Mönchs von Salzburg
Prof. Dr. Kathrin Chlench-Priber (Universität Bonn): Die (De-)konstruktion dialogischer Formen in der ›Epistel des Rabbi Samuel an Rabbi Isaak‹ Irmhart Ösers
Prof. Dr. Albrecht Hausmann (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg): Widerstreit und metadiskursive Lücken im ›Ackermann aus Böhmen‹ des Johannes von Tepl
