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Quo vadis europäische Jugend?

Start des neuen EU-Projekts MYPLACE / Soziologen der Uni Bremen erforschen die Auswirkungen historischer Sozialisation

Nr. 181 / 16. Juni 2011 RO

Brennende Vororte in Paris, Straßenschlachten in Madrid und Athen, Mai-Krawalle in Berlin: in vielen europäischen Ländern nimmt die Bereitschaft von jungen Menschen zur gewaltsamen Auseinandersetzung mit politischen Systemen zu. Das Problem ist zwar bekannt, doch reicht die bisherige Erforschung dieser Trends noch nicht aus, um konkrete Lösungen zu entwickeln. Das soll sich jetzt mit dem Start des EU-Projekts MYPLACE („Memory, Youth, Political Legacy and Civic Engagement”) ändern. Sozialwissenschaftler von 16 europäischen Universitäten in 14 Ländern werden in den nächsten vier Jahren untersuchen, inwieweit Erfahrungen mit Totalitarismus und Extremismus junge Menschen von heute beeinflussen. Die Federführung für die Studie in Westdeutschland liegt bei Dr. Jochen Tholen, Forschunsleiter des Instituts Arbeit und Wirtschaft (IAW) der Universität Bremen.

Das Großprojekt MYPLACE ist eine Kombination aus quantitativen Befragungen, qualitativen Interviews und generationsübergreifenden Fallstudien. Auf europäischer Ebene sollen so Engagement und Einstellungen sowie die entsprechenden Verhaltensweisen und Handlungen junger Leute untersucht werden. Spezifisch für Deutschland gilt, dass nur hier zwei Projekte angesiedelt sind: Eines in Westdeutschland und eines in Ostdeutschland, das an der Universität Jena angesiedelt ist. Der Grund für zwei Projekte in Deutschland liegt auf der Hand - durch die nachkriegsbedingte staatliche Teilung Deutschlands wurden unterschiedliche Erfahrungen mit Totalitarismus und Populismus gemacht: Im Osten kommunistische Diktatur und Planwirtschaft, im Westen Aufbau von Demokratie und Kapitalismus.

MYPLACE untersucht, in welchem Maße die soziale und politische Einstellung junger Menschen durch Totalitarismus und Populismus in Europa (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) geprägt sind. Es soll die Hindernisse, aber zugleich auch die Möglichkeiten junger Leute herausfinden, die europäische politische Arena als ihren eigenen Platz zu begreifen.

„In zunehmendem Maße geraten bestimmte Gruppen von jungen Menschen in das politische und soziale Abseits“, erläutert Dr. Jochen Tholen die Problemlage. „Damit könnte sich ein Trend einer gesellschaftlichen Exklusion abzeichnen, der für die Entwicklung der Demokratie und die Wahrung des sozialen Friedens in unserem Gemeinwesen äußerst gefährlich ist.“ Der Forschungsleiter des IAW fordert hier europaweit eine entscheidende korrigierende Weichenstellung der Gesellschaft. „Denn Politikverdrossenheit, Individualisierung durch das Internet (Twitter, Facebook), geringere Bildungsmöglichkeiten und Arbeitsmarktchancen lassen junge Menschen häufig zu Zielgruppen von populistischen und totalitären politischen Vereinigungen werden“.

Weitere Informationen:

Universität Bremen
Institut Arbeit und Wirtschaft
Dr. Jochen Tholen
Tel: 0421-218 3286
E-Mail: jtholenprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de
und Dr. Alexandra Wangler
Tel.:0421-218 9556
E-Mail awanglerprotect me ?!iaw.uni-bremenprotect me ?!.de