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Informatiker-Nachwuchs: Uni Bremen bildet Lehrer als Multiplikatoren aus

Leistungskurs des Beruflichen Gymnasiums an der Grenzstraße lernt am Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) gemeinsam mit seinen Lehrern die Programmierung von Smartphone-Apps

Nr. 199 / 20. Juli 2015 SC

Wer Informatik studiert, hat sehr gute Berufsaussichten – dennoch entscheiden sich noch immer zu wenige Abiturienten für eine Karriere in diesem Bereich. Das Problem beginnt bereits in den Schulen: Bis auf wenige Ausnahmen bieten sie nur wenig oder überhaupt keinen Informatikunterricht an. Das Berufliche Gymnasium am Schulzentrum Grenzstraße ist eine solche Ausnahme – und hat jetzt im Rahmen eines gemeinsamen Projekts mit dem Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen einen neuen Ansatz entwickelt, um das Problem an der Wurzel zu packen. Mit einem fünftägigen Kurs zur App-Entwicklung wurde die Informatik nahe an die Lebenswelt der teilnehmenden Zwölftklässler geholt. Gleichzeitig wurden zwei Lehrer fortgebildet, die dieses Wissen künftig als Multiplikatoren weitertragen werden.

„Ein Problem besteht darin, dass Jugendliche oft nicht genau wissen, was Informatik überhaupt ist“, erklärt TZI-Professor Michael Lawo. „Wir arbeiten daher schon seit Jahren daran, stabile Beziehungen zu Schulen aufzubauen und besondere Angebote zu machen, um das Interesse am Fach zu wecken.“ Das TZI verfüge über Technologien, die bei den Schülerinnen und Schülern die Neugier wecken, beispielsweise Roboter oder Datenbrillen von Google. Im Rahmen von Projekttagen, Projektwochen oder Ferienkursen würden Kinder und Jugendliche an die Technologien herangeführt. Das primäre Ziel ist dabei laut Professor Lawo, die Schülerinnen und Schüler für ein Informatikstudium zu begeistern.

Know-how an der Schule verankern

Mittlerweile kommen die Schulen aktiv auf das TZI zu, um sich über Lehrangebote oder Praktikumsplätze zu informieren. Allerdings sind die zeitlichen Ressourcen begrenzt, sodass in jedem Jahr nur eine überschaubare Zahl von Jugendlichen betreut werden kann. Um den Effekt der Maßnahmen zu verstetigen, wurden im aktuellen Projekt „go4IT“ erstmals auch zwei Lehrer gemeinsam mit ihrer Klasse ausgebildet. In Zukunft werden sie selbst die App-Entwicklung in ihren Unterricht integrieren können. Immerhin ein Thema, das in dieser Form sonst nur im Studium vermittelt wird.

Harry Gröpler, der Wirtschaftsinformatik und Informationsverarbeitung am Schulzentrum Grenzstraße lehrt, hat dabei viel Spaß gehabt. „Mit den Schülern zusammen zu lernen ist eigentlich ideal, weil man dann selbst merkt, wo es schwierig wird“, berichtet er.

Professor Lawo betont, dass diese Form des Lernens für einen Lehrer ungewohnt sein kann: Die Schüler sehen, dass er auch nicht „allwissend“ ist und Fehler macht. „Andererseits ist das auch ein wichtiges Signal – das Lernen setzt sich heute ein Leben lang fort.“ Die gemeinsame Lösung von Schwierigkeiten in der Gruppe sei dabei eine positive Erfahrung für die zwölfköpfige Klasse gewesen, berichtet Gröpler.

Über den Spieltrieb zur App-Entwicklung

Der stellvertretende Schulleiter des Schulzentrums Grenzstraße und Leiter des Beruflichen Gymnasiums, Hermann Kück, sieht mehrere Vorteile in der Kooperation mit dem TZI. Der Praxisbezug helfe den Schülerinnen und Schülern zu sehen, was sie mit der Informatik konkret anfangen können, und fördere die Begeisterung für das Fach. Gleichzeitig lernten sie das Arbeiten an der Universität kennen, bei dem sie die Aufgaben verstärkt auf eigene Faust lösen müssen. Nicht zuletzt sei es auch eine didaktische Bereicherung: „Es sind methodische Variationen, die wir den Schülern anbieten können, aber auch den Lehrern.“

Die Jugendlichen sind auf jeden Fall dankbar. „Es macht Spaß und wir kriegen Einblicke, die wir in der Schule nicht haben“, berichtet Steffen Harms (20), der mit seinem Mitschüler Steffen Lüpke (18) das Spiel „Hangman“ (Galgenraten) für das Smartphone umgesetzt hat. Dafür haben sie beispielsweise eine kleine Datenbank mit verschiedenen Wörtern hinterlegt und ein Hintergrundbild entworfen. Es reizt sie, dass sie hier sehr selbstständig arbeiten können und sich das Know-how teilweise selbst aneignen müssen – eine Vertiefung des Unterrichts in der Schule. Beide planen, Informatik zu studieren oder eine Ausbildung in diesem Bereich zu absolvieren.

Erst Schwierigkeiten, dann Erfolgserlebnisse

Auch Jordi Sögtrop (18) und Niklas Rompf (20) loben die Atmosphäre des Lernens am TZI. Sie hätten jetzt eine bessere Vorstellung davon, „was mit Informatik alles möglich ist“, erklären sie. Gemeinsam programmieren sie ein Spiel, bei dem es auf Reaktionsschnelligkeit ankommt. Wie alle anderen arbeiten sie dabei mit dem professionellen Programm „Android Studio“. Im Vergleich zu dem Programm, das sie in der Schule nutzen, sei dies sehr komplex, aber „wenn man es verstanden hat, kann man damit jede App der Welt programmieren“, erklärt Jordi.

Das einzige Mädchen im Leistungskurs, Sophie, hadert unterdessen mit ihrem Spiel. Trotz guter Zensuren hat sie sich wie ihr Team-Partner entschieden, dass Informatik als Berufsziel nicht ihr Ding ist. „Ich interessiere mich nicht so dafür“, sagt sie. Und auch das ist aus Sicht von Professor Lawo eine wertvolle Erkenntnis, denn sie hilft, einen Studienabbruch zu vermeiden – obwohl gerade Frauen in der Informatik händeringend gesucht werden und höchstwillkommen sind. 

Das go4IT-Projekt umfasst auch Projekttage für Schüler und Lehrer ohne Informatik-Vorkenntnisse – für den Herbst hat sich bereits eine reine Lehrergruppe angemeldet. Ansprechpartnerin für Lehrerinnen und Lehrer ist Sabine Veit unter Tel. 0421 218-64005 oder veitprotect me ?!tziprotect me ?!.de .   

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Weitere Informationen:

Universität Bremen
Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik
Sabine Veit
Tel. 0421 218 64005
E-Mail: veitprotect me ?!tziprotect me ?!.de
www.go4it.uni-bremen.de