Am Nachmittag des 11. März 2011 bebte vor der Küste der japanischen Region Tohoku die Erde für 150 lange Sekunden. Das Seebeben der Stärke 9 löste einen Tsunami aus, der weite Küstenstriche verwüstete und über 15.000 Menschen das Leben kostete. In der August-Ausgabe der Zeitschrift „Geology“ beschreibt ein europäisch-japanisches Forscherteam jetzt, welche Spuren das Ereignis auf dem Meeresgrund hinterließ: Am Abhang des bis zu 7,5 Kilometer tiefen Japan-Grabens sackten mindestens 28 Quadratkilometer Meeresboden ruckartig in die Tiefe. Die oberflächennahe Grenze zweier Erdplatten verschob sich dadurch um sage und schreibe zwei bis drei Kilometer nach Osten.
Auf Initiative des damaligen MARUM-Direktors Professor Gerold Wefer und gefördert von Bundesregierung (BMBF) und Deutscher Forschungsgemeinschaft (DFG) fand im Februar/März 2012 eine deutsch-japanische Fahrt mit dem Forschungsschiff SONNE statt. Dabei wurde der Meeresboden östlich des Epizentrums kartiert und beprobt. Im Wissenschaftsmagazin „Geology“ stellen die Expeditionsteams jetzt erste Ergebnisse der beiden Forschungsreisen vor.
Ziel der Expeditionen waren Gebiete, in denen die Pazifische Platte unter der Ochotsk-Platte mit dem japanischen Vulkanbogen abtaucht. Schon vor ihrer Forschungsreise wussten die Forscher, dass das Tohoku-Beben die Erdkruste vor Honshu auf einer Länge von 400 Kilometern aufgerissen und Teile der Küste ruckartig um bis zu fünf Meter Richtung Osten versetzt hatte. Unbekannt war indes, was sich im 7,5 Kilometer tiefen Graben selbst abgespielt hatte.
Um mehr über die Umgestaltung des Meeresbodens heraus zu finden, zog das Expeditionsteam im Japan-Graben aus Wassertiefen von rund 7,5 Kilometer mehrere, knapp neun Meter lange Sedimentkerne. „Die im Lauf der Zeit abgelagerten Sedimentschichten waren weitgehend ungestört“, sagt Erstautor Professor Michael Strasser von der ETH Zürich. „Damit konnten wir ausschließen, dass – ausgelöst durch das Beben – große Sedimentmassen abgerutscht, sich chaotisch hangabwärts bewegt und am Grund des Japan-Grabens wieder ablagert hatten.“ Lediglich an einigen wenigen Stellen fanden die Forscher Hinweise auf solch turbulent transportierte und umgelagerte Sedimente. Einige dieser turbulent transportierten Sedimente boten die Möglichkeit, mit Hilfe von Modellen die Bewegungen im Japan-Graben zeitlich einzuordnen: Sie konnten sich erst in jüngster Vergangenheit ereignet haben und sind daher dem Tohoku-Erdbeben zuzuschreiben.
„Auf der Grundlage all dieser Untersuchungen gehen wir von folgendem Szenario aus: Der durch das Beben ausgelöste ruckartige Versatz der Erdkruste um 50 Meter führte dazu, dass am Rand des Japan-Grabens großflächig Sedimentpakete als zusammenhängende Blöcke absackten“, bilanziert Erstautor Michael Strasser von der ETH Zürich. „An manchen Stellen stauchten die absackenden Sedimente den Meeresboden. So entstanden Wülste und Tröge am Grund des Japan-Grabens.“
Besonders erstaunt war das Forscherteam indes über einen weiteren Befund: Durch die Bewegungen der Sedimentmassen verschob sich die oberflächennahe Grenze der eurasischen Platte um zwei bis drei Kilometer nach Osten! „Als Geowissenschaftler sind wir es gewohnt, in sehr langen Zeiträumen von Jahrhunderttausenden oder gar -millionen zu denken“, sagt Professor Gerold Wefer. „Diese Expeditionen haben uns gezeigt, dass Plattengrenzen bisweilen auch von plötzlichen Ereignissen in Sekunden oder Minuten tiefgreifend verändert werden können.“
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