Krebserkrankungen, Multiple Sklerose, das ADHS-Symptom bei Erwachsenen – sie alle gehören zu den chronischen Erkrankungen, die das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen können. Hinzugekommen ist jetzt noch Long-Covid, eine Erkrankung, mit der Betroffene häufig allein sind, weil darüber noch nicht so viel bekannt ist. „Studierende berichten aus ihren Interviews, dass die Erkrankten oft von einer Ärzt:in zur nächsten geschickt werden. Auch ihr Umfeld reagiert oft hilflos, sie fühlen sich alleingelassen“, sagt der Dozent Dr. Wolfgang Hien, der das Projekt wissenschaftlich begleitet. Long-Covid ist vielfach ursächlich verbunden mit neurologischen und psychischen Störungen, so auch mit Depression, Angst, Verzweiflung und Suizidgedanken. In der Veranstaltung wird der Fokus nicht auf die medizinischen Fragen gerichtet sein, sondern darauf, wie die Krankheit das Leben der Betroffenen verändert, wie das familiäre, soziale und berufliche Umfeld reagiert und wo sich Lücken im Versorgungssystem auftun. Die Forschungen sollen dazu beitragen, die Thema in die Öffentlichkeit zu bringen.
Interviews mit chronisch Erkrankten
Im Seminar „Chronische Krankheit im Lebensverlauf“ führen die Studierenden qualitative Interviews mit chronisch Erkrankten, werten sie in Arbeitsgruppen aus und fertigen daraus einen wissenschaftlichen Projektbericht an. Das Seminar ist Teil des einjährigen Forschungs- und Praxis-Moduls, in dem die Studierenden erste Schritte „ins Feld“ gehen und lernen, möglichst selbstständig empirisch zu arbeiten.
Durch die Kooperation mit dem Netzwerk Selbsthilfe erhielten die Studierenden Zugang zu den Selbsthilfegruppen, in denen sie ihr Projekt vorstellen und Interviewpartner:innen gewinnen konnten. „Uns ist es ein großes Anliegen, jungen Menschen die Vielschichtigkeit der Selbsthilfe näher zu bringen“, sagt Katharina Renout von der Selbsthilfe Kontaktstelle. Welche Vorteile eine Teilnahme an einer Gruppe bietet, sei den Seminar-Teilnehmenden durch die Interviews mit Betroffenen deutlich geworden. Sie hofft, dass mehr junge Menschen nun sowohl privat als auch beruflich Selbsthilfe in Erwägung ziehen.
Chronisch Kranke werden immer noch stigmatisiert
Die Kooperation zielt darauf ab, das Thema chronische Erkrankungen, von der jeder dritte Mensch in Deutschland betroffen ist, stärker in die Öffentlichkeit zu bringen. „Chronisch Kranke werden immer noch stigmatisiert und ausgrenzt. Hierdurch, und nicht allein durch die Krankheit selbst, erleben sie tiefe Einschnitte in ihrem Lebensverlauf. Sie müssen oftmals erheblichen Aufwand betreiben, weiter an Gesellschaft und Arbeitswelt teilzuhaben. Doch die inneren und äußeren Barrieren sind hoch“, betont Katharina Renout. Das Lehr-, Forschungs- und Kooperationsprojekt möchte solche Barrieren kritisch thematisieren und aufzeigen, dass chronische Krankheit zur Normalität des gesellschaftlichen Lebens gehört. Dazu Dr. Wolfgang Hien von der Universität Bremen: "Jede Lehre lebt von Theorie und Praxis. Ich freue mich, dass unser Studiengang diese beidseitig gewinnbringende Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Selbsthilfe auch unter den während der Pandemie recht schwierigen Voraussetzungen aufrechterhalten konnte.“
Die Studierenden stellen bei einer öffentlichen Veranstaltung wesentliche Zwischenergebnisse vor und stellen sie zur Diskussion. Interessierte sind herzlich willkommen. Zur Sprache kommen Lebensgeschichten von Menschen, die von Multipler Sklerose, ADHS, Brustkrebs und Long-Covid beeinträchtigt werden.
Zeit: Dienstag, 12. Juli 2022, 18 Uhr
Ort: Universität Bremen, Grazer Straße 2A, Raum H 0100
Weitere Informationen:
https://www.netzwerk-selbsthilfe.com/
Fragen beantworten:
Dr. Wolfgang Hien
Institut für Public Health und Pflegeforschung
Universität Bremen
Telefon: +49 421 3309887
E-Mail: whienprotect me ?!gmxprotect me ?!.de
whienprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de
Katharina Renout
Netzwerk Selbsthilfe
Telefon: +49 421 704581
E-Mail: katharina.renoutprotect me ?!netzwerk-selbsthilfeprotect me ?!.com