Herr Kämpf, wer war Wilhelm Christian Müller?
Der Begründer des bürgerlichen Kulturlebens in Bremen. Das kann man so sagen. Andere hatten in der Zeit um 1800, dem Übergang zwischen Früher Neuzeit und Moderne, zwar auch Ideen, aber Müller war der erfolgreichste. Er organisierte seit 1781 Privatkonzerte, die über Bremen hinauswirkten und über die auch Fachzeitschriften berichteten. Er begründete als Erzieher pädagogische Lesegesellschaften und sorgte mit seinen Publikationen für Austausch und Gespräch.
Gab es vor ihm keine Musik in Bremen?
Doch, aber die fand vorwiegend im Gottesdienst statt. Es geht um die bürgerlichen Privatkonzerte. Die Allgemeine Musikalische Zeitung berichtete 1816, wie sie in Bremen abliefen. 20 Familien trafen sich regelmäßig alle 14 Tage. In welchem Gebäude das war, habe ich noch nicht herausgefunden. Als Liebhaber spielten sie selbst, oder hatten durchreisende Musiker als Gäste. Nach dem Konzert hörte man Vorträge oder betrachtete in einem Nebenraum Kupferstiche. Es waren also nicht nur Konzerte, sondern ein ganzes Kulturprogramm. Daraus gingen dann weitere Gesellschaften hervor, deren Entwicklung man bis hin zur Philharmonischen Gesellschaft verfolgen kann. Müller gab die Initialzündung, er war der erste musikalische Erzieher Bremens.
Warum hatte Bremen im 18. Jahrhundert keine Musikszene?
Auch darüber hat sich Müller Gedanken gemacht. 1800 schrieb er „Die Geschichte der musikalischen Kultur in Bremen“ und stellte fest: Es gab keine Residenz wie zum Beispiel in Sachsen-Meiningen, wo er aufwuchs. Die thüringischen Kleinstaaten hatten große Orchester und bekannte Solisten. Ein zweiter Grund lag nach Ansicht Müllers im Calvinismus und der hanseatischen Kaufmannsethik. Man muss sich vorstellen, der Dom war eine kleine lutherische Insel. Und schließlich führt er das Wetter an. Der häufige Nebel sei nicht gut für die Stimme.
Wie sind Sie auf Müller gekommen?
Ich habe meine Magisterarbeit über Musikästhetik an der Uni Leipzig geschrieben und habe sein zweibändiges Werk „Aesthetisch-historische Einleitungen in die Wissenschaft der Tonkunst“ ausgewertet. Außerdem ist Müller in der Stadt geboren, in der ich aufgewachsen bin: In Wasungen.
Sie haben die Idee der Ausstellung in einem Forschungsseminar umgesetzt?
Ja, teilgenommen haben ein Semester lang Studierende der Musikwissenschaft, Musikpädagogik und der Geschichtswissenschaft. In der Staats- und Universitätsbibliothek lagert ein Teilnachlass des bedeutenden Bremers. Auch im Staatsarchiv konnten wir Dokumente finden. Wir haben uns die vielen Kartons mit handschriftlichen Dokumenten, Vortragsmanuskripten, pädagogischen Schriften, Gelegenheitsgedichten, Libretti, Reisebeschreibungen und Schullehrbüchern vorgenommen. Erst einmal sortiert und analysiert. Die große Hürde war die deutsche Kurrent-Schrift. Einige Studenten konnten sie zum Glück lesen. Die Studierenden waren sehr engagiert dabei und haben daraus die Ausstellung mitkonzipiert.
Was wird ab 9. November im Dom-Museum St. Peri zu sehen sein?
Wir haben eine Auswahl von Drucken und Handschriften getroffen und kommentiert. Wir stellen Originalporträts Müllers aus und freuen uns über weitere besondere Leihgaben: So werden Originalschriften von Robert Schumann aus dem Robert-Schumann-Haus in Zwickau und ein Billett Beethovens an Müller zu sehen sein. Ja und dann – noch eine Locke von Beethoven, die uns das Beethoven-Haus in Bonn zur Verfügung stellt.